Nach GerichtsurteilMitte-Nationalrat fordert Gesetz für Pinkelpausen auf Arbeitszeit
Arbeitgeber können verlangen, dass Mitarbeitende sich für die WC-Pause ausstempeln müssen. Dies will ein Mitte-Nationalrat nun ändern – doch seitens Wirtschaft gibt es Gegenwind.
Darum gehts
Mitte-Nationalrat Giorgio Fonio will Toilettenpausen als Arbeitszeit anerkennen lassen.
Derzeit dürfen Arbeitgeber ihre Mitarbeitende dazu verpflichten, sich für WC-Pausen auszustempeln.
Der Vorstoss wird von Gewerkschaften unterstützt, aber von der Wirtschaft abgelehnt.
Kritiker sehen in der Regelung eine unnötige Einmischung in betriebliche Abläufe.
Wenn du während der Arbeit aufs WC musst, kann dein Arbeitgeber von dir verlangen, dich auszustempeln. Das stützte kürzlich auch das Kantonsgericht in Neuenburg in einem Urteil.
Der Entscheid sorgte für Kritik – und auch im Parlament sollen die WC-Pausen nun zum Thema werden. Mitte-Nationalrat Giorgio Fonio will noch während dieser Wintersession, die bis Ende Woche andauert, einen Vorstoss einreichen, um die Gesetzeslücke zu schliessen. Der Bundesrat soll zusammen mit den Sozialpartnern eine Neuregelung der Pausen vorschlagen – oder diese per Verordnung vornehmen, so die Forderung.
«Toilettengang muss in die Arbeitszeit eingerechnet werden»
Denn: Das aktuell geltende Arbeitsgesetz stehe im Widerspruch zum Schutz der Gesundheit und der persönlichen Integrität von Arbeitnehmenden und dürfte mit dem Diskriminierungsverbot und Gleichstellungsgesetz in Konflikt stehen, begründet er seine Offensive.

«Der Gang zur Toilette entspricht einem physiologischen Bedürfnis und muss deshalb in die Arbeitszeit eingerechnet werden», sagt Mitte-Nationalrat Giorgio Fonio.
20min/Matthias SpicherFür Gewerkschafter Fonio, der Vizepräsident des Arbeitnehmerverbands Travail Suisse ist, entspricht der Gang zur Toilette einem physiologischen Bedürfnis und müsse deshalb in die Arbeitszeit eingerechnet werden – «auch, weil die Arbeitgebenden für die Gesundheit ihrer Mitarbeitenden verantwortlich sind».
Nicht nur er, sondern auch das Arbeitsinspektorat des Kantons Neuenburg sei der Ansicht, dass die Verpflichtung, sich für den Gang aufs WC auszustempeln, «nicht mit den Grundsätzen des Arbeitsgesetzes vereinbar» sei. Diese Verpflichtung führe auch etwa zur Diskriminierung von Frauen während ihrer Menstruation, betont Fonio.
«Konzept des Vertrauens muss überwiegen»
Doch was soll für Mitarbeitende gelten, die gerne mal für längere Zeit und öfter auf der Toilette verschwinden? «Bei Missbrauchssituationen müssen Massnahmen ergriffen werden, um diesen Einhalt zu gebieten», so Fonio. Es dürfe nicht sein, dass deswegen das System geändert werde und damit alle Arbeitnehmenden benachteiligt würden.
Musst du bei deiner Arbeit ein- und ausstempeln?
Letztendlich müsse aber das Konzept des Vertrauens überwiegen. «Ein Unternehmen, in dem die Mitarbeitenden Toilettengänge vorschieben müssen, um sich zu erholen, hat vermutlich ein tiefer liegendes Problem», so der Mitte-Nationalrat.
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«Kann nicht sein, dass wir in Bundesbern über WC-Pausen diskutieren»
Bei SVP-Nationalrätin und Unternehmerin Diana Gutjahr sorgt der Vorstoss für Stirnrunzeln: «Es kann nicht sein, dass wir in Bundesbern über WC-Pausen diskutieren.» Sie stehe klar aufseiten des Gerichtsentscheids – den Arbeitgebern müsse die Freiheit gegeben werden, über solche Anliegen selbst entscheiden zu können. «Jetzt auch noch Regulierungen für WC-Pausen festzulegen, grenzt für mich an Mikromanagement», so die Unternehmerin.
Zudem müssten dann auch andere Kurzpausen, wie etwa Rauchpausen oder kurze Spaziergänge und Dehnübungen, reglementiert werden. «Jede Regulierung macht es für Arbeitgeber schwieriger, individuelle Lösungen für ihre einzelnen Mitarbeitenden zu finden», ist sie überzeugt.
«Niemand will mit so jemandem zusammenarbeiten»

Das Ausstempeln sei auch in Diana Gutjahrs Unternehmen «immer wieder ein Thema, weil es einzelne Mitarbeitende gibt, die ständig auf dem WC sind», erzählt die SVP-Frau.
20min/Matthias SpicherIn Gutjahrs Unternehmen herrsche keine Verpflichtung, sich für den Gang zur Toilette auszustempeln. Aber: «Es ist auch bei uns immer wieder ein Thema, weil es einzelne Mitarbeitende gibt, die ständig auf dem WC sind», erzählt die SVP-Frau. Diese Zeit summiere sich gerne mal auf eine Stunde pro Tag, während dieser keine Arbeit verrichtet werde. «Das macht auch die Stimmung im Team kaputt – niemand will mit so jemandem zusammenarbeiten.»
Auch Urs Furrer, Direktor des schweizerischen Gewerbeverbands sgv, hält nicht viel vom Vorstoss des Mitte-Gewerkschafters: Im Gewerbe herrsche Pragmatismus. Wenn jemand im Einzelfall Kurzpausen überreize, sei der Chef im Betrieb gefordert. «Man muss nicht für jedes Problem nach dem Richter rufen oder ein neues Gesetz machen», so Furrer. Der sgv lehne es ab, «jetzt auch noch den Gang auf die Toilette gesetzlich zu regeln».
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