Sterilisation«Ich wollte keine Kinder – Ärzte meinten, ich würde es bereuen»
Jeanine (28) ist sich sicher: Sie will keine Kinder. Die Sterilisation bekam sie erst nach einem langem Kampf. Warum es für junge Frauen so schwierig ist, sterilisiert zu werden, erklärt ein Arzt.
Darum gehts
Jeanine (28) aus Basel kämpfte vier Jahre für eine Sterilisation, da sie keine Kinder will.
Ärzte lehnten ihren Wunsch oft ab, aus Angst, sie könnte es bereuen.
Die Operation fand schliesslich im Januar 2025 statt, was Jeanine Erleichterung brachte.
Doktor Thomas Eggimann erklärt, warum Sterilisationen bei jungen Frauen oft abgelehnt werden.
Jeanine stellte früh fest, dass Kinder nicht in ihre Lebensvorstellung passten. «Ich kann mit Kindern einfach nichts anfangen. Ich habe so viele Ziele im Leben und eigene Kinder gehören definitiv nicht dazu», erzählt die 28-Jährige. Sie hätte weder die Zeit noch die Ressourcen dafür.
«Du wirst dich noch umentscheiden»
Schon mit 16 Jahren sprach sie offen darüber, dass sie keinen Nachwuchs haben wollte. Ihre Eltern nahmen ihre Entscheidung gelassen und unterstützten sie. «Meine Mutter fand es mutig, dass ich so früh wusste, was ich wollte. Mein Vater stand auch von Anfang an hinter mir.» Auch ihr Freundeskreis akzeptierte ihren Wunsch – «sie wussten, dass er gut durchdacht war».
Ganz anders war die Reaktion von Menschen, die Jeanine kaum kannten. «Du wirst es bereuen!» oder «Du wirst dich noch umentscheiden!» – diese Sätze hörte sie immer wieder, nicht nur von entfernten Bekannten, sondern auch von ihren Ärzten. Beim Dating war das Thema ebenfalls zentral: «Mir war wichtig, dass mein Partner auch keine Kinder will. Ich wollte nicht jemandes Zeit verschwenden und habe das daher immer direkt bei den ersten Dates kommuniziert.» Die Sterilisation sei ihr auch deshalb wichtig, damit niemand denke, er könne ihre Meinung noch ändern.
So läuft eine Sterilisierung ab
Vier Jahre bis zur Sterilisierung
Bereits mit Anfang 20 stand für Jeanine fest: Sie wollte sich sterilisieren lassen. Doch anstatt medizinischer Hilfe erwartete sie ein jahrelanger Kampf. Anfänglich unterstützte ihre Frauenärztin ihren Wunsch, doch wegen eines Konflikts änderte sich das.
Danach sei die Stimmung zwischen ihnen angespannt gewesen. «Ich hatte das Gefühl, von ihr verurteilt zu werden.» Diese Erfahrung habe die 28-Jährige jedoch in ihrem Wunsch nach einer Sterilisierung bestärkt. «Die Angst vor dem Schwangerwerden hat mich stark belastet. Mir war klar, ich muss diesen Weg gehen.»
«Frustrierende Erfahrung»
Die junge Frau suchte sich deshalb eine neue Frauenärztin. Diese habe ihr jedoch fälschlicherweise erklärt, eine Sterilisation sei für Frauen unter 30 Jahren verboten. «Als ich darauf beharrte, dass dies nicht stimme, meinte sie, ich müsse zuerst ein psychologisches Gutachten einholen, dass ich mental fit sei, um so eine Entscheidung zu treffen.»
Monate später und durch die Hilfe eines Vereins, der Frauen mit dem Wunsch unterstützte, fand sie eine Klinik, die zunächst bereit war, die Operation durchzuführen. Doch auch das scheiterte: «Einen Tag vor dem Eingriff, habe ich erfahren, dass ich überhaupt nicht für die OP eingeplant war. Die ganzen Korrespondenzen waren für die Klinik plötzlich nicht mehr auffindbar. Es war unglaublich frustrierend!»
«Mein Körper, meine Entscheidung»
Über eine Kollegin fand sie schliesslich einen Arzt, der die Eileiterentfernung durchführen würde. Ende Januar 2025 war es dann endlich so weit. «Eine Schwangerschaft ist nun unmöglich. Ich fühle mich erleichtert und glücklich!», so Jeanine. Die Kosten von über 2000 Franken habe sie für den Seelenfrieden gerne in Kauf genommen.

Nach der Sterilisierung fühlt sich die 28-Jährige erleichtert und glücklich.
20min/Matthias SpicherNach vier Jahren hatte sie ihr Ziel erreicht – doch der Weg dorthin hinterliess einen bitteren Nachgeschmack. Jeanine störte es besonders, dass ihr Leben von den Entscheidungen so vieler fremder Menschen abhängig war, die über ihren Körper bestimmen durften. «Es macht mich traurig und wütend! Wir leben im 21. Jahrhundert, doch wenn eine Frau sich dazu entscheidet, keine Kinder zu wollen, wird das von der Gesellschaft noch immer in Frage gestellt. Es ist mein Körper, meine Entscheidung», betont die Baslerin.
Möchtest du Kinder haben?
Warum es für junge Frauen so schwierig ist, sich sterilisieren zu lassen, erklärt Doktor Thomas Eggimann, Stellvertretender Chefarzt der Geburtshilfe und der Gynäkologie im Spital Emmental und Generalsekretär der Schweizerische Gesellschaft für Gynäkologie und Geburtshilfe (SGGG).
«Für kinderlose Frauen ist eine Sterilisierung schwierig»

Thomas Eggimann, Stellvertretender Chefarzt der Geburtshilfe und der Gynäkologie im Spital Emmental und Generalsekretär der Schweizerische Gesellschaft für Gynäkologie und Geburtshilfe (SGGG).
privatWas raten Sie Frauen, die keine Kinder wollen?
Es kommt immer auf die Bedürfnisse an. Es gibt Frauen, die mit einer Spirale glücklich sind, andere verhüten mit der Pille oder dem Kondom. Wenn jemand jedoch eine endgültige Lösung will, dann wird die Sterilisation ebenfalls besprochen.
Welche Risiken gibt es bei diesem Eingriff?
Die Unterbindung wird meist durch eine Bauchspiegelung durchgeführt. Da gibt es ein paar inhärente Risiken wie Verletzung eines Nachbarorgans, Blutung und Infekte. Insgesamt ist das Risiko aber klein.
Würden Sie eine junge Frau sterilisieren?
Bei kinderlosen Frauen unter 30 Jahren habe ich persönlich etwas mehr Hemmungen, eine Sterilisierung durchzuführen, weil ich immer wieder Frauen mit spätem Kinderwunsch erlebe. Wenn ich die Patientin aber schon länger kenne und der Partner es auch unterstützt, dann fällt die Entscheidung viel einfacher.
Warum fällt es Frauen unter 30 Jahren so schwer, Ärzte zu finden, die den Eingriff durchführen?
Lange Zeit war es für kinderlose Frauen bis zum 40. Lebensjahr schwierig, eine Ärztin oder einen Arzt zu finden, der eine Sterilisation vornimmt. Die gängige Begründung lautete: Sie könnte ihre Entscheidung später bereuen. Dieser Gedankengang war nicht nur fragwürdig, sondern wirkt aus heutiger Sicht auch bevormundend. Wenn eine Frau mit 20 oder jünger das Recht hat, sich gegen eine Schwangerschaft zu entscheiden und eine Abtreibung vornehmen zu lassen, sollte ihr auch zugetraut werden, eine informierte Entscheidung über eine endgültige Verhütungsmethode zu treffen.
Was hat sich geändert?
In den letzten Jahren hat sich die Situation etwas entspannt – nicht zuletzt, weil die Erfolgsraten künstlicher Befruchtungen als Alternative heute deutlich besser sind als noch vor 30 Jahren. Bei der Entfernung der Gebärmutter sehe ich die Situation jedoch etwas anders. Nach meiner Erfahrung wünschen sich zunehmend auch kinderlose Frauen zwischen 20 und 30 diesen Eingriff. In solchen Fällen führe ich ihn allerdings erst durch, wenn ich die Patientin über eine längere Zeit begleiten konnte und ihr Wunsch nach einer Hysterektomie dauerhaft und eindeutig besteht.
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