Schulabsentismus in der Schweiz: Basel-Stadt verschärft Regeln

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BaselMassive Schulschwänzer sollen nicht an Matur zugelassen werden

Basel will Gymnasiasten nur noch zur Matur zulassen, wenn sie mindestens 80 Prozent des Unterrichts besucht haben.

In der Schweiz nimmt die Zahl der Oberstufenschülerinnen und -schüler zu, die häufig oder regelmässig den Unterricht schwänzen.
Als Reaktion darauf plant der Kanton Basel-Stadt, nur noch Schüler zur Maturaprüfung zuzulassen, die in den zwei Jahren davor mindestens 80 Prozent des Unterrichts besucht haben.
Die emeritierte Professorin Margrit Stamm unterscheidet drei Arten des Absentismus: Das klassische «Schulschwänzen», die «Schulverweigerung» aus psychologischen Gründen und das «Zurückhalten» durch überbehütende Eltern.
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In der Schweiz nimmt die Zahl der Oberstufenschülerinnen und -schüler zu, die häufig oder regelmässig den Unterricht schwänzen.

IMAGO/Zoonar

Darum gehts

  • Immer mehr Oberstufenschülerinnen und -schüler in der Schweiz schwänzen regelmässig den Unterricht, was als zunehmendes Problem wahrgenommen wird.

  • Der Kanton Basel-Stadt plant eine Regelung, nach der nur Schüler zur Maturaprüfung zugelassen werden, die in den zwei Jahren zuvor mindestens 80 Prozent des Unterrichts besucht haben.

  • Auch andere Kantone wie Wallis, Zürich und Schaffhausen ergreifen Massnahmen gegen den wachsenden Absentismus an Schulen, um die Situation in den Griff zu bekommen.

Die Zahl der Oberstufenschülerinnen und -schüler, die oft oder sogar regelmässig den Unterricht schwänzen, nimmt zu. Zwar fehlen aktuelle repräsentative Zahlen zum Thema Absentismus in der Schweiz, doch Lehrer und Behörden sind sich in dieser Ansicht einig: Seit einigen Jahren beobachten sie einen Anstieg der Fehlstunden.

Nun will der Kanton Basel-Stadt durchgreifen und nur noch Gymnasiasten und Gymnasiastinnen zur Maturaprüfung zulassen, die in den zwei Jahren vor der Matur mindestens 80 Prozent des Unterrichts besucht haben. Das schreibt der «Tages-Anzeiger» am Mittwoch.

Mehrere Kantone wie Basel-Stadt, Wallis, Zürich und Schaffhausen ergreifen Massnahmen gegen den steigenden Absentismus.

Mehrere Kantone wie Basel-Stadt, Wallis, Zürich und Schaffhausen ergreifen Massnahmen gegen den steigenden Absentismus.

IMAGO/Sven Simon

Was unternehmen andere Kantone?

Die Basler sind nicht die Einzigen, die etwas gegen Schulschwänzer und Schulschwänzerinnen unternehmen wollen. Im Wallis wurde ein Kompetenzzentrum eingerichtet, das Schüler und Schülerinnen mit Schulphobien betreut, um sie wieder in den regulären Unterricht zu integrieren. In Zürich soll die Schulsozialarbeit an Gymnasien ausgebaut werden, da die Unterstützung durch Schulleitungen und Lehrpersonen angesichts des Anstiegs von Absentismus, Suchtverhalten sowie psychischen und stressbedingten Erkrankungen nicht mehr ausreicht.

In Schaffhausen wird ab dem nächsten Jahr eine Weiterbildung zum Thema Schulabsentismus auf Volksschulebene angeboten. Der Kanton Zug hatte ähnlich wie die Basler eine 80-Prozent-Anwesenheitspflicht im Gymnasium diskutiert, doch schliesslich den Vorschlag verworfen.

Hältst du eine 80-Prozent-Anwesenheitspflicht im Gymnasium für sinnvoll, um Schulschwänzen zu reduzieren?

Schulschwänzen ist nicht gleich Schule verweigern

Die emeritierte Professorin und Expertin für Schweizer Pädagogik, Margrit Stamm, unterscheidet drei Arten des Absentismus:

  • Das klassische «Schulschwänzen», bei dem es sich nicht immer um schlechte Schüler handelt. Manche Schüler seien schlicht unterfordert und gelangweilt im Unterricht.

  • Die «Schulverweigerung» bedeutet, dass ein Kind aus psychologischen Gründen oder Ängsten nicht mehr zur Schule traut.

  • Das «Zurückhalten» hat eher mit den Eltern zu tun, die ihre Kinder nicht zur Schule gehen lassen, weil sie beispielsweise glauben, dass ihr Kind sehr sensibel ist oder eine schlechte Nacht hatte. Stamm spricht dabei von einer «Form der Überbehütung», die oft schon im Kindergarten beginne.

Was sind die Gründe für das regelmässige Schulschwänzen?

Die Schüler und Schülerinnen klagen über Kopfschmerzen, Angst, Überforderung, Leistungsdruck oder einfach keine Lust, um dem Unterricht unbegründet fernzubleiben – häufig mit der Zustimmung der Eltern.

Thomas Minder, Präsident des Verbands der Schulleiterinnen und Schulleiter, betrachtet das als ein gesellschaftliches Problem, und zwar hänge es mit der Frage zusammen, ob ein Kind glaubt, Herausforderungen selbst bewältigen zu können.

«Heute räumen viele Eltern ihren Kindern schon im Kleinkindalter alle Hindernisse aus dem Weg. Die Folge ist, dass ältere Kinder und Jugendliche verzweifeln, sobald es einmal nicht rund läuft. Statt Probleme anzugehen, vermeiden sie kritische Situationen – zum Beispiel, indem sie dem Unterricht fernbleiben», sagt er zum «Tages-Anzeiger».

Dass heutzutage etwa viele Kinder im Primarschulalter nicht einmal mehr allein draussen spielen, führe dazu, «dass wir als Gesellschaft generell weniger widerstandsfähig sind.» Es sei eine Aufgabe der Schulen, die Eltern für dieses Thema zu sensibilisieren.

Hast du oder hat jemand, den du kennst, eine psychische Erkrankung?

Hier findest du Hilfe:

Pro Mente Sana, Tel. 0848 800 858

Kinderseele Schweiz, Beratung für psychisch belastete Eltern und ihre Angehörigen

Verein Postpartale Depression, Tel. 044 720 25 55

Angehörige.ch, Beratung und Anlaufstellen

Stand by you Schweiz, Helpline für Angehörige, Tel. 0800 840 400

Psyfinder, qualifizierte Fachpersonen in deiner Nähe

Pro Juventute, Beratung für Kinder und Jugendliche, Tel. 147

Dargebotene Hand, Sorgen-Hotline, Tel. 143

Bist du oder ist jemand, den du kennst, von (Cyber-) Mobbing betroffen?

Hier findest du Hilfe:

Pro Juventute, Beratung für Kinder und Jugendliche, Tel. 147

Fachstelle Mobbing (kostenpflichtig)

Elternberatung, Tel. 058 261 61 61

Hilfe bei Mobbing, Fachstelle für Schulen und Eltern (kostenpflichtig)

Dargebotene Hand, Sorgen-Hotline, Tel. 143

Beratungsstellen der Opferhilfe Schweiz

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