Kampf um Sika«Bei feindlichem Angriff rückt man zusammen»
Seit Wochen versucht Paul Hälg den Sika-Verkauf zu verhindern. Die Käuferin würde von einem Verzicht finanziell profitieren, so der Sika-Präsident.
Herr Hälg, warum haben Sie nicht gemerkt, dass die Sika-Erben ihre Anteile an einen Konkurrenten verkaufen wollen?
Es gab überhaupt keine Zeichen von Seiten der Familie. Sie zeigte bis zum Bekanntwerden des Verkaufs an unseren Konkurrenten Saint-Gobain grösste Zufriedenheit mit dem Management. Der CEO und ich wurden Anfang Dezember ins Zürcher Hotel Hyatt eingeladen. Ich ging davon aus, die Familie wolle sich mit einem Abendessen bei uns für die guten Resultate bedanken. Als dann ihr Anwalt ebenfalls dort war, wusste ich, dass das nichts Gutes zu bedeuten hatte.
Wie lief das Meeting ab?
Von der Familie sagte niemand etwas zum Verkauf. Es war der Anwalt, der uns die Nachricht eröffnete. Ich kenne ihn seit über 20 Jahren und fragte ihn zuerst, ob er einen Witz mache. Doch er bliebe ernst. Für mich war die Verkaufsnachricht ein Schock.
Dann organisierten Sie den Widerstand. Zu Beginn sah es nach einer Verzweiflungstat aus.
Klar waren zu Beginn auch Emotionen im Spiel. Nach kurzer Zeit setzte sich aber Sachlichkeit durch. Wir kamen zum Schluss, dass der Deal für Sika nicht funktionieren kann. Der Grund: St. Gobain ist über die Marke Weber-Mörtel ein Sika-Hauptkonkurrent. Nun kontrollieren die Franzosen ihr eigenes Geschäft zu 100 Prozent und unseres zu 16 Prozent. Klar wird Saint-Gobain ihr eigenes Geschäft bevorzugen.
In Ihrem Kampf erhalten Sie nun viel Unterstützung von grossen Investoren. Wie ist es, plötzlich solchen Rückenwind zu erhalten.
Wir haben auf diese Unterstützung durch die Publikumsaktionäre gehofft. Mir war bewusst, es würde keinen Blitzkrieg geben. Es kann nicht sein, dass 84 Prozent der Aktionäre leer ausgehen. Als Verwaltungsrat haben wir die Pflicht, dass alle Aktionäre auf ihre Rechnung kommen und nicht nur die Erben des Sika-Gründers. Zudem erhalten wir auch viel Unterstützung von Sika-Mitarbeitern. Wenn eine Firma feindlich angegriffen wird, rückt man näher zusammen.
Der Saint-Gobain-Chef sagt, dass der Deal trotz Widerstand zustande kommt und betont, es gebe keine Konkurrenzsituation.
Tatsache ist, dass Saint-Gobain in mehr als 50 Ländern im direkten Wettbewerb mit uns steht. Von den 24 neuen Fabriken, die Sika in den letzten drei Jahren eröffnet hat, sind 14 Mörtelfabriken, die mehrheitlich in Konkurrenz mit Saint-Gobain stehen.
Wann haben Sie das letzte Mal mit dem Saint-Gobain-Management gesprochen?
Es hat erst zwei Treffen gegeben. Das letzte war am 16. Januar. Wir waren die einzigen, die Lösungsvorschläge machen. Eine besprochene Möglichkeit wäre, die Konkurrenzsituation auszuräumen. Saint-Gobain müsste dafür ihr Mörtelgeschäft im Rahmen einer Aktienkapitalerhöhung an Sika transferieren. Die Konkurrenz im Tagesgeschäft wäre ausgeräumt und viele Probleme somit gelöst.
Würde Saint-Gobain vom Deal absehen, könnte die Firma wegen der Kaufpreisabsicherung zum Kurs von 1.20 Franken pro Euro viel Geld bringen. Haben Sie versucht, das den Gegnern schmackhaft zu machen?
Investoren haben dieses Argument vorgebracht. Ein Rückzug vom Deal würde Saint-Gobain durch die veränderte Währungssituation 500 Millionen Franken bringen, sofern der ganze Kaufpreis von 2,75 Milliarden Franken abgesichert wurde. Der Druck der Aktionäre aufs Management, das Geld zu nehmen und zu gehen, steigt. Würde Saint-Gobain vom Deal zurücktreten, würden wir mit der Familie eine neue Verkaufslösung suchen.
Wie ist das Verhältnis zu den Sika-Erben?
Urs Burkard, der die Transaktion orchestriert hat, ist als Vertreter der Schenker-Winkler-Holding im Verwaltungsrat und ich treffe ihn an den VR-Sitzungen. Das Verhältnis ist stark abgekühlt. Die Diskussionen aber sachlich Wir sind aber immer noch per Du und geben uns die Hand.
Derzeit tobt der Streit um die Durchführung einer ausserordentlichen Generalversammlung (GV). Dort will man Sie abwählen.
Es laufen mehrere Verfahren vor dem Zuger Handelsgericht, welche von der Familie ausgelöst wurden. Die Grundsatzfrage, welche das Gericht zu klären hat, ist, ob die Käufer der Schenker-Winkler-Holding (SWH) mit ihren 16 Prozent am Aktienkapital tatsächlich 52 Prozent der Stimmen ausüben dürfen oder ob sie bei 5 Prozent ihrer Aktien beschränkt werden, wie es in den Statuten steht. Die SWH und Saint-Gobain bilden nämlich eine Gruppe, weshalb ihr für Sie das Privileg der Erben nicht mehr gilt.
Wann herrscht Klarheit?
Es kann gut sein, dass der Gerichtsentscheid so nahe an der ordentlichen GV fällt, das keine ausserordentliche Versammlung einberufen wird. Zudem sind Rekurse denkbar, oder Entscheide der GV könnten angefochten werden. Sobald das Gericht entschieden hat, werden wir sehen, wie es weitergeht.
Sollten Sie verlieren, wird das die Niederlage Ihres Lebens?
Bestimmt wäre es eine schmerzliche Niederlage, aber nicht mein Ende. Klar aber ist: Die grossen Verlierer wäre Sika, ihre Mitarbeiter und die Publikumsaktionäre.
Streit um Stimmrechte
Die privilegierte Situation bei den Stimmrechten wurde der Familie einst eingeräumt, um das Unternehmen vor Übernahmen zu schützen. Nach Ansicht der Sika-Verwaltungsrats hat die Gründerfamilie ihre stimmrechtliche Sonderstellung mit der Verkaufsankündigung aber verwirkt. Daher ist das Stimmrecht der Gründerfamilie laut VR-Präsident Hälg auf der nächsten GV auf 5 Prozent zu beschränken. Dieser Auslegung widerspricht die Gründerfamilie Burkard. Die Einberufung hänge nicht von den Stimmrechten, sondern allein vom Kapital ab. Das Ansinnen, das Stimmrecht der Familie auf 5 Prozent zu beschränken sei, illegal und komme einer Enteignung gleich. (sda/sas)
Der Deal
Am 8. Dezember 2014 war bekannt geworden, dass die Sika-Erben ihre von der Schenker-Winkler-Holding (SWH) gehaltenen Anteile am Schweizer Traditionsunternehmen für 2,75 Milliarden Franken an den französischen Konkurrenten Saint-Gobain verkaufen wollen. Die beiden Parteien hatten sich im Stillen auf den Deal geeinigt. Die Prämie auf den damaligen Aktienkurs betrug 80 Prozent. Den übrigen Sika-Aktionären wurde kein Übernahmeangebot unterbreitet. Die Sika-Führung ist gegen den Deal und spricht von einer feindlichen und strategisch unsinnigen Transaktion. Laut Saint-Gobain ist der Kaufvertrag unterschrieben. Die Transaktion muss noch von den Kartellbehörden bewilligt werden. Saint-Gobain rechnet mit einem Abschluss spätestens in der zweiten Hälfte 2015. (sas)