Minsk, WeissrusslandBei Protesten verhaftet – Sorge um Walliser Ringer Tanguy Darbellay (21)
Er ist für seine Leidenschaft, dem Ringen, vom Unterwallis nach Weissrussland ausgewandert. Jetzt ist Tanguy Darbellay bei den Protesten in Minsk verhaftet worden. «Ich glaube, Tanguy ist in Gefahr», sagt ein Augenzeuge.
Darum gehts
- Der in Minsk verhaftete Schweizer ist ein erfolgreicher Ringer aus dem Unterwallis.
- Tanguy Darbellay (21) ging letztes Jahr nach Weissrussland, um dort zu ringen.
- Darbellay sei im Gefängnis nicht geschlagen worden, kriege aber nichts zu essen oder trinken, erzählt ein russischer Journalist, der mit Darbellay in der gleichen Zelle sass.
- «Ich glaube, Tanguy ist in Gefahr», sagt er.
In Weissrussland ist es nach neuen Protesten erneut zu Gewaltausbrüchen gekommen. Dabei wurde in der Nacht auf Montag auch ein Schweizer festgenommen. Die Schweizer Behörden konnten bisher noch keinen Kontakt zu ihm herstellen.
Dabei war der 21-jährige Unterwalliser erst gerade letztes Jahr zu neuen Ufern aufgebrochen. Nach Minsk zog es ihn, weil er dort das tun konnte, was ihm am allerwichtigsten war: Ringen. Zwar ist Tanguy Darbellay längst Mitglied im Schweizer Nationalkader, doch er wollte mehr – etwas, was kein Schweizer Ringer jemals vor ihm gemacht hat: in Minsk, einem Ringer-Mekka, nicht nur trainieren, sondern auch den Alltag und die Sprache kennen lernen.
Sicher zwei Jahre will Darbellay bleiben. Er lernt intensiv Russisch, trainiert als einziger Westeuropäer mit Athleten aus Russland, Turkmenistan, Kasachstan, Usbekistan oder Dagestan. Er verliebte sich auch, seine Freundin kommt aus Minsk. «Sie war dabei, als Tanguy festgenommen wurde», sagt Darbellays Schwager zu 20 Minuten. «Sie erzählte uns, dass sie beide nur etwas essen gehen wollten, als Sicherheitskräfte herangestürmt kamen und Passanten einfach mitnahmen.» Darbellays Freundin war nicht darunter, zum jungen Schweizer gibt es seither keinen Kontakt.
«Das macht man nicht mit Ausländern, nur mit Einheimischen»
Die Stimmung in Weissrussland ist seit der Wahl Alexander Lukaschenkos aufgeheizt. Seit letztem Sonntag kommt es im ganzen Land zu Protesten, die von der Polizei brutal niedergeschlagen werden. Seither gibt es täglich auch willkürliche Verhaftungen. Darbellay haben «sicher nicht» an den Protesten teilgenommen, ist seine Familie überzeugt. «Er war einer von vielen, die von der Strasse weg einfach mitgenommen wurden.»
Einer, der weiss, wie es danach weiterging, ist der russische Journalist Anton Starkow. «Ich war mit Darbellay in derselben Zelle. Wir erhielten 24 Stunden lang weder Wasser noch Essen», berichtet er 20 Minuten. «Als ich ihn das letzte Mal sah, war er immer noch ohne jede Versorgung. Aber geschlagen wurde er nicht, das macht man nicht mit Ausländern, nur mit Einheimischen.»
«Ein intelligenter Bursche, der sich zu helfen weiss»
Der Russe ist mittlerweile frei gekommen und wurde zurück in die Heimat geschickt. «Tanguy schien ganz okay gewesen zu sein», sagt er. Dennoch ist er besorgt: «Ich glaube, Tanguy ist in Gefahr. Die weissrussische Regierung könnte ihm vorwerfen, ein Organisator der Proteste gewesen zu sein.»
Noch hat die offizielle Schweiz nicht mit dem 21-jährigen Darbellay in Kontakt treten können. Die weissrussischen Behörden haben bisher offenbar jegliche Kontaktaufnahme verhindert.
Werner Bossert, Präsident der Swiss Wrestling Federation, bestätigt, dass Darbellay ein aktiver Ringer beim Verband sei, aber von dessen Verhaftung weiss er nichts. «Wir haben ihn in seinem Vorhaben, nach Weissrussland zu gehen, unterstützt», so Bossert. «Natürlich macht man sich jetzt etwas Sorgen. Aber wissen Sie, Tanguy ist ein intelligenter Bursche, der sich zu helfen weiss.»
Alexander Lukaschenko
Der «letzte Diktator Europas»
Niemand ist auf dem europäischen Kontinent so lange an der Macht wie der weissrussische Präsident Alexander Lukaschenko. Von westlichen Demokratien hält er nicht viel, er findet sie «bekloppt». Der Mann mit dem markanten Schnauzer meinte selbst einmal, er sei «lieber Diktator als schwul». Aber deswegen gilt er vielen nicht als «der letzte Diktator Europas». Sondern weil es gang und gäbe ist, dass in Belarus bereits im Vorfeld dieser Wahlen mehr als 1300 Personen willkürlich festgenommen wurden. Von den potenziellen alternativen Kandidaten war nur einer übrig geblieben, alle anderen sind entweder in Haft oder im Exil. Es passt auch zu der Autokratie, dass es seit den Präsidentschaftswahlen und den darauffolgenden, aktuellen Protesten massive Internetprobleme gibt. Viele regierungskritische Portale sind nicht mehr aufrufbar. Seit Jahren beklagen Menschenrechtler zudem die Anwendung der Todesstrafe, die Verfolgung politischer Gegner und Einschränkungen von Meinungs- und Versammlungsfreiheit in der ehemaligen Sowjetrepublik.