Covid-Gesetz – Darum polarisiert das Covid-19-Gesetz vom 13. Juni

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Referendum zum Covid-GesetzBekommt der Bundesrat zu viel Macht? Darum polarisiert das Covid-19-Gesetz

Machtkonzentration beim Bundesrat oder nötige Waffe im Kampf gegen die Pandemie? Am 13. Juni stimmt die Schweiz über das Covid-19-Gesetz ab. Das sind die Argumente.

Die «Verfassungsfreunde» bringen das Covid-Gesetz vors Volk.
Der politische Einfluss verlagere sich hin «zur Regierung und zu den Experten», findet Michael Bubendorf von den «Freunden der Verfassung».
Bei einem Nein müsste das Parlament für die weitere Corona-Politik auf dem normalen Weg Gesetze erlassen.
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Die «Verfassungsfreunde» bringen das Covid-Gesetz vors Volk.

Freunde der Verfassung

Darum gehts

  • Verschiedene Gruppen haben genügend Unterschriften gegen das Covid-Gesetz gesammelt und ein Referendum erzwungen.

  • Das Gesetz ist mindestens bis zum 25. September Grundlage für das Handeln des Bundesrates.

  • Im Falle einer Ablehnung werden auch die Härtefallgelder hinfällig und eine neue Lösung müsste gefunden werden.

Warum stimmen wir über das Covid-Gesetz ab?

Zu Beginn der Pandemie griff der Bund auf das Notrecht zurück, um die dringenden Beschlüsse zur Bekämpfung der Pandemie rasch zu erlassen. Per Notrecht regieren darf er aber während höchstens einem halben Jahr. Danach braucht es ein Gesetz. Deshalb hat das Parlament die Beschlüsse in einem Rechtstext formuliert und diesen für dringlich erklärt. Damit trat das Covid-Gesetz sofort in Kraft, nämlich am 25. September 2020.

Verschiedene Gruppen wehrten sich mit einem Referendum gegen das Gesetz. Sie haben nach eigener Aussage mehr als 90’000 Unterschriften gesammelt und bringen das Gesetz damit vors Volk.

Was steht drin?

Das Gesetz schafft die gesetzliche Grundlage für den Bundesrat, die Folgen der Coronavirus-Pandemie zu bekämpfen. Es gibt der Regierung weitreichende Befugnisse an die Hand: Sie kann Kriterien und Richtwerte für Einschränkungen und Lockerungen im gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Bereich festlegen. Sie kann in kantonale Infrastruktur – etwa Labore oder Gesundheitseinrichtungen – eingreifen. Oder auch Arbeitgebern Gesundheitsvorschriften machen, die Reise- und Versammlungsfreiheit einschränken und Schutzmassnahmen im öffentlichen Raum erlassen. Ebenfalls zentral: Das Gesetz regelt alle Härtefallhilfen für geschlossene Betriebe. Vor den Medien betonte Gesundheitsminister Alain Berset, ohne das Covid-Gesetz gebe es auch keinen digitalen Impfpass.

Was kritisieren die Gegner?

Gruppen wie die «Freunde der Verfassung» finden, das Gesetz sei zu schnell ausgearbeitet und am Volk «vorbeigeschmuggelt» worden. Ihrer Meinung nach ist es unverhältnismässig. Der politische Einfluss verlagere sich hin «zur Regierung und zu den Experten», findet Michael Bubendorf von den «Verfassungsfreunden». Verfassungsgrundsätze wie Freiheit, Gleichheit und Demokratie sehen diese in Gefahr. Stattdessen plädieren sie für Selbstverantwortung und individuelle Freiheit. «Mit dem Covid-Gesetz wurden Dinge vermischt und verabschiedet, die im Rechtsstaat nichts verloren haben: Wir möchten ein gesondertes Gesetz für die Hilfsgelder», sagt Bubendorf zu 20 Minuten. Auch an den Subventionen für die Medienbranche stört sich die Gruppe.

An einem Gesetzesartikel stossen sich die «Verfassungsfreunde» besonders: Dieser ermöglicht dem Bundesrat, geimpfte Personen von Quarantäne- und Isolationspflicht zu befreien. «Diese Ungleichbehandlung öffnet Tür und Tor für weitere Einschränkung persönlicher Freiheiten bestimmter Menschen», so Bubendorf.

Kritik gibt es auch von Rechtsexperten: Felix Uhlmann, Professor für Staats- und Verwaltungsrecht an der Uni Zürich, findet, das Covid-19-Gesetz gebe dem Bundesrat zu viel Handlungsspielraum und schwäche das Parlament. Dass es nun zu einer Volksabstimmung und zur Diskussion über die bundesrätlichen Kompetenzen kommt, begrüsst er: «Damit werden die Massnahmen, aber auch die Unterstützungsgelder vom Volk legitimiert.»

Verlieren bei einem Nein alle von den Massnahmen Betroffenen ihre Hilfsgelder?

Auch bei einem Nein der Stimmbevölkerung bleibt das Covid-Gesetz bis zum 25. September in Kraft und die geplanten Hilfsgelder werden ausgeschüttet. Danach dürften keine Notverordnungen mehr gemacht werden. Ein Ersatz für das Gesetz müsste her. Bis die Referendumsfrist des neuen Gesetzes abgelaufen ist, könnten keine neuen Gelder zugesprochen werden.

Bubendorf ist nicht gegen die Hilfsgelder des Bundes: «Vom Staat geschädigte Firmen und Personen müssen entschädigt werden.» Andererseits verweist er auf die Herbstsession des Parlaments. «Damit besteht die Gelegenheit für die Regierung, eine Alternative zum Covid-Gesetz zu erarbeiten.»

Könnte der Bundesrat trotzdem per Notrecht weiterregieren?

Die im Gesetz geregelten Punkte anders durchzusetzen, sei bei einem Nein nicht mehr möglich, sagte Alain Berset am Montag vor den Medien. Auch die Kantone könnten dann von sich aus nicht mehr aktiv werden. Auf die Möglichkeiten des Bundesrats, in der besonderen oder ausserordentlichen Lage mehr Einfluss zu nehmen, hat das Covid-Gesetz aber keinen Einfluss. Dies ist im Epidemiengesetz geregelt.

Alle Parteien, ausser der SVP, die Stimmfreigabe beschlossen hat, sind dafür - warum?

GLP-Nationalrat Beat Flach erklärt: «Bei einem Nein gäbe es ein komplettes Chaos: Alle Härtefallhilfen für betroffene Unternehmen fielen dahin. Ebenso die Arbeitslosengelder für selbständige Kleinunternehmer, die Geringverdiener im Falle von Kurzarbeit und die Kultur.» Aus diesem Grund sind auch Verbände wie Gastro Suisse – die die Hilfen des Bundes harsch kritisieren – für das Gesetz. Sie fürchten, die bestehenden Hilfsgelder sonst zu verlieren.

Bei einem Nein müsse das Parlament für die weitere Corona-Politik auf dem normalen Weg Gesetze erlassen, ergänzt Flach – und das dauere gerade bei der sich schnell verändernden Corona-Lage zu lange. Dass mit dem Covid-19-Gesetz der Bundesrat mehr Macht bekommt, ist für Beat Flach ein notwendiges, zeitlich beschränktes Übel: «Die Debatte um die Geschäftsmieten hat gezeigt, dass das Parlament viel zu langsam war, eine Lösung zu finden. Es ist zielführender, wenn das Parlament die Eckwerte festlegt und der Bundesrat die Details regelt.» Flach betont, dass das Gesetz auf den 31. Dezember 2021 befristet ist und die zusätzlichen Machtbefugnisse also beschränkt sind.

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