Berlusconi will den «Rezessions-Chef» stürzen

Aktualisiert

Nach VerurteilungBerlusconi will den «Rezessions-Chef» stürzen

Nach einer Diät und einer Depression ist der Cavaliere zurück im Rampenlicht: Berlusconi will den Politzirkus zurückerobern. Angreifen will er Mario Monti und seine Regierung.

von
Micaela Taroni
APA

Lange war es still um Silvio Berlusconi. Nachdem er, bedrängt von Affären und Prozessen, im vergangenen November als italienischer Regierungschef unter Schmährufen und Pfiffen abtreten musste, verbrachte der 76-Jährige mehrere Monate fern vom Rampenlicht.

Doch das am Freitag gefällte Urteil der Mailänder Richter, die Italiens TV-König wegen Steuerbetrugs zu vier Jahren Haft verurteilten, hat die Kämpfernatur in Berlusconi wieder geweckt.

Der Mailänder mit den saloppen Sprüchen und den Macho-Allüren hatte sich lange eine Auszeit im schicken Ferienressort seines Freundes Flavio Briatore in Kenia verbracht. Dabei unterzog er sich einer Diät und kämpfte laut engsten Mitarbeitern mit einer Depression.

Zurück mit einem Paukenschlag

Jetzt ist er zurück: Kämpferischer denn je will der lombardische Lebemann zurück in den italienischen Politzirkus und droht sogar, die Experten-Regierung seines Nachfolgers Mario Monti zu stürzen.

Am Tag nach dem Urteil in Mailand griff Berlusconi bei einer fast zweistündigen Pressekonferenz die Justiz an, nannte Monti einen «Rezessions-Regierungschef» und übte wegen ihrer Haltung in der Euro- Schuldenkrise scharfe Kritik an Deutschlands Bundeskanzlerin Angela Merkel.

Angesichts der schwachen Wirtschaftsentwicklung werde sein Mitte- Rechts-Block in den kommenden Tagen entscheiden, ob man Monti das Vertrauen entziehen oder das Ende der Legislaturperiode abwarten werde, drohte Berlusconi.

Vorgezogene Wahlen?

Seine Worte stürzen die seit fast einem Jahr in Rom amtierende Übergangsregierung in Ungewissheit. Die Legislaturperiode könnte wegen des unberechenbaren Berlusconi schon vor ihrem geplanten Ende im kommenden März zu Ende gehen.

Berlusconis Mitte-rechts-Partei «Volk der Freiheit» (PdL) ist die stärkste Einzelpartei in der Koalition, die Monti stützt. Diese wird auch vom Mitte-links-Block und von einigen Zentrumsparteien getragen. Sollte Monti die Unterstützung der PdL verlieren, müsste er zurücktreten.

Italien bangt um sein Ansehen

Das wäre ein harter Schlag für das Ansehen Italiens, das um das Vertrauen an den Finanzmärkten kämpft, um nicht unter den Euro- Rettungsschirm schlüpfen zu müssen. Vor allem würde dies grosse Bedenken über die Fähigkeit Italiens auslösen, den von Monti in die Wege geleiteten Sparkurs und Reformprozess zu Ende zu führen.

Berlisconi beschuldigte Monti, mit dessen brutalen Sparkurs die Wirtschaft in eine Rezessionsspirale getrieben zu haben. Die Steuerzahler seien wegen des aggressiven Verhaltens des Fiskus im Kampf gegen die Steuerhinterziehung verunsichert.

Er wolle sich für die Abschaffung der verhassten Immobiliensteuer und des Verbots einsetzen, Beträge von über 1000 Euro bar zu zahlen, sagte Berlusconi. «Den Italienern geht es schlecht, sie haben Angst vor dem Fiskus, sie haben Angst, ihr Geld auszugeben. So liegt die Wirtschaft lahm und die Unternehmen gehen pleite.»

Noch nie Berlusconi, einer der langlebigsten und umstrittensten italienischen Politiker der Nachkriegszeit, die wirtschaftspolitische Linie seines Nachfolgers so scharf kritisiert.

Monti gibt sich kühl

Monti reagierte mit einem «No comment» auf die Attacke des italienischen TV-Königs. Mitarbeiter des Ex-EU-Kommissars erklärten, der Wirtschaftsprofessor halte eine politische Krise in Rom für unwahrscheinlich. Italien müsse noch zu vielen internationalen Verpflichtungen nachkommen, um sich in dieser Phase eine Krise erlauben zu können.

In einer Rede in Rom gab Monti aber zu, dass seine Regierung Fehler gemacht habe. «Ich bin aber auf unsere Beschlüsse stolz. Wir haben bewiesen, dass wir uns bei den Bürgern Gehör verschaffen können, ohne schreien und falsche Versprechen machen zu müssen», sagte er.

Montis Stern am Sinken

Obwohl er Nerven bewahrt, ziehen sich über Monti dunkle Wolken zusammen. Seine Popularität sinkt, die Wirtschaftskrise ist stärker denn je. Am Samstag protestierten Zehntausende in Rom am «No-Monti- Day». Sie waren einem Aufruf von 26 linken Gruppierungen gefolgt.

«Mit einem Europa, das sich auflehnt, lasst uns die Regierung Monti verjagen», stand auf einem riesigen Spruchband. Der Premier hofft, dass dies nicht allzu früh passiert.

Deine Meinung zählt