Schweizer Lingerie-LabelBernerin kündigt bei Sport-Riesen, um BHs für alle zu nähen
Zippora Marti (29) hat eine renommierte Sportmarke verlassen, um faire und ökologische Kleidung zu produzieren – in der Schweiz. Mit dem Label Thoughts of September verkauft sie Lingerie in bis zu 60 Grössen.
Darum gehts:
Der Einfluss der Modebranche auf die Umwelt ist enorm. Gemäss Weltbank stammen etwa 20 Prozent des weltweiten Abwassers vom Bleichen und Verarbeiten von Textilien. Jedes Jahr landen eine halbe Million Tonnen Plastik-Mikrofasern im Ozean, so viel wie 50 Milliarden Plastikflaschen. Und diese Probleme dürften zunehmen. Grosse Marken wie H&M und Nike legen zwar immer mehr Wert auf Umweltschutz, trotzdem hinken gemäss WWF die meisten Marken hinterher. Die Umweltschutzorganisation schätzt, dass der globale Bedarf an Kleidung von 62 Millionen Tonnen im Jahr 2015 auf 102 Millionen Tonnen im Jahr 2030 zunehmen wird.
Zippora Marti (29) bekam die Missstände in der Branche aus erster Hand mit: «Ich arbeitete bei einem grossen Sportartikelhersteller», sagt die gelernte Schnitttechnikerin. «Änderte dort eine Designerin im letzten Moment die Farbe der Kollektion, landeten die produzierten Stoffe auf dem Müll.» Zu gross war die Angst vor der Konkurrenz. Irgendwann wurde es Marti zu viel. Sie kündigte. Und setze sich intensiv mit ihrem eigenen Konsum auseinander.
Secondhand geht nicht immer und für alles
«Ich fragte mich: Wie viel brauche und will ich wirklich?», sagt die in Luzern lebende Bernerin. 2018 trug sie daher für «One – The Project» ein Jahr lang jeden Tag dasselbe Kleid. Nach und nach stellte Zippora Marti ihren Konsum um, mit einem Fokus auf Nachhaltigkeit. Doch bei Unterwäsche stiess sie an eine Grenze: Secondhand funktioniert hier nicht. «Und die nachhaltigen Labels waren mir entweder zu langweilig oder die Spitze kratzte mich auf der Haut.» Im September entwickelte sie daher selbst Prototypen für nachhaltige Lingerie und startete ein Crowdfunding. Der Grundstein für ihr eigenes Label war gelegt. «Ich dachte lange Zeit, als Einzelperson könne man keinen Unterschied machen», sagt sie. «Doch irgendwann merkte ich, dass das nicht stimmt.» Im März 2019 folgte die offizielle Gründung von Thoughts of September.
Die Marke bietet in der Schweiz produzierte Unterwäsche in bis zu 60 Grössen. Sämtliche verwendeten Materialien stammen aus Europa, der Grossteil davon basiert auf Eukalyptus. Dieser wächst schneller und ist ergiebiger als Baumwolle. «Aus sechs Quadratmeter Eukalyptuswald entstehen zehn T-Shirts», sagt Zippora Marti. «Bei einem gleich grossen Baumwollfeld ist es ein einziges Shirt.» Genäht wird in der Schweiz. Der Anspruch nach Nachhaltigkeit und Fairness brachte Herausforderungen mit sich.
Freiwillig mehr bezahlen für Qualität
«Es war schwierig, in der Schweiz gute Leute zu finden», erinnert sich Marti. «Früher hatte das Land eine starke Textilindustrie, doch die Produktion wurde ins Ausland verlagert.» Durch die lokale Produktion und die hochwertigen Materialien liegen auch die Preise für die Lingerie über dem Marktniveau. Doch auch hierfür hat Marti eine Lösung gefunden: ein solidarisches Preissystem. «Vermutlich das erste in der Textilbranche», wie sie sagt. Die Kundinnen haben die Möglichkeit, mehr zu bezahlen als auf dem Preisschild steht. Das zusätzliche Geld fliesst direkt in Gutscheine für Menschen, die sich die Lingerie von Thoughts of September sonst nicht leisten könnten.
«Thoughts of September ist meine kleine Utopie», sagt Zippora Marti. «Wir haben aber keine Macht, im System grundlegend etwas zu verändern.» Doch das Label zeigt im Kleinen, was im Grossen möglich sein müsste. Um die nächsten Schritte auf diesem Weg zu gehen, hat das Label ein Crowdfunding für ein Studio lanciert.

Zippora Marti, Gründerin von Thoughts of September. Zusammen mit ihrem sechsköpfigen Team kreieren sie wunderschöne Lingerie.
Thoughts of SeptemberSchaust du bei deiner Unterwäsche auf Nachhaltigkeit?