Bedrohte Raubkatzen«Besonders beim Tiger ist die Lage prekär»
Zum Tag der Wildkatzen schlagen Naturschützer Alarm. Weltweit ist fast die Hälfte aller Wildkatzen in ihrem Bestand gefährdet. Besonders Tigern droht die Ausrottung.

Zuchtprogramme in Zoos sind für das Überleben vieler Raubkatzenarten unverzichtbar geworden. Im Bild: Ein Amurtiger in im Zoo von Leipzig.
Wenn Stefan Ziegler, Artenschutzreferent bei er Umweltschutzorganisation WWF, auch nur einige Zahlen nennt, wird die schwierige Lage von Raubkatzen auf der ganzen Welt plötzlich fassbar: «Der Südchinesische Tiger gilt als ausgestorben, in Russland sind nur noch 34 frei lebende Amur-Leoparden bekannt, in Spanien gibt es nur noch 143 Pardelluchse, auf Sumatra finden sich noch 400 Tiger.» Die Gründe für den massiven Rückgang der Zahlen wild lebender Gross- und Raubkatzen sind vielfältig, am gravierendsten machen sich jedoch der Verlust von Lebensraum sowie die Jagd auf Grosskatzen bemerkbar. «Besonders beim Tiger ist die Lage prekär», sagt Ziegler.
Die grösste Katzenart weltweit wird immer weiter zurückgedrängt. Betrug das Verbreitungsgebiet von Tigern vor 100 Jahren noch rund 20 Millionen Quadratkilometer, so sind es heute gerade einmal noch 1,65 Millionen Quadratkilometer. In riesigen Regionen Chinas, das einstmals Heimat von Tigern war, findet man die Grosskatzen überhaupt nicht mehr. Lebten zu Beginn des vergangenen Jahrhunderts noch etwa 100 000 Tiger in der freien Wildbahn, so ging deren Zahl nach Zieglers Worten auf heute nur noch 3200 Exemplare zurück.
In den letzten 40 Jahren mussten vier Unterarten für ausgestorben erklärt werden. «Wenn es nicht gelingt, diese Entwicklung aufzuhalten und umzukehren, dann gibt es in weiteren 40 Jahren gar keine frei lebenden Tiger mehr auf der Welt», warnt der Experte.
Raubkatzen werden Opfer von Autounfällen
Aber es sind nicht nur die Tiger, die zu den gefährdeten Katzenarten gehören. Der Asiatische Löwe ist ebenso wie der Amur-Leopard, der Asiatische Gepard oder die zu den Bengalkatzen gehörende Iriomote-Katze vom Aussterben bedroht. Die letztgenannte Kleinkatze leidet darunter, dass ihre Lebensräume auf der japanischen Insel Iriomote abgeholzt werden, weil der Staat Viehzuchtprogramme auf der Insel stark subventioniert.
Der Nordwestafrikanische Gepard gerät in Konflikt mit dem Menschen, weil er, nachdem die Gazellen als seine Hauptbeutetiere extrem dezimiert worden sind, auf der Nahrungssuche nun auch Nutztiere jagt. Und auch das Auto ist mit Schuld an der Bedrohung einiger Arten: So werden Pumas in den USA oder der Iberische Luchs in Spanien häufig Opfer von Unfällen.
Leipzigs Zoodirektor Jörg Junhold macht sich schon von Amts wegen Gedanken darüber, wie der Bedrohung der Grosskatzen Einhalt geboten werden kann: In seinem Tiergarten wird seit 1973 das internationale Tigerzuchtbuch geführt. «Hierin sind alle Tiger aufgeführt, die als in Menschenhand lebend registriert sind», erläutert der Zoodirektor. Derzeit liegt diese Zahl bei insgesamt etwa 9000 Tieren, die in Zoos, in Zirkussen, in Safariparks und anderen Einrichtungen gehalten werden.
Zoo Leipzig koordiniert internationale Tigerzucht
Wenn es um die Tigerzucht geht, wird von Leipzig aus der Austausch der zoologischen Gärten untereinander koordiniert, um Inzucht zu vermeiden und Paarungen über Artengrenzen hinaus zu unterbinden. Weltweit leben nach Junholds Angaben rund 1000 Tiger in Zoos, darunter allein 450 Amur-Tiger.
Auch in Leipzig selbst werden natürlich Tiger gezüchtet. «Seit Gründung des Zoos im Jahr 1878 wurden hier 360 Tiger geboren», berichtet Junhold nicht ohne Stolz. Derzeit leben sechs Amur-Tiger in der so genannten Tiger-Taiga, mit der man in Leipzig versucht, den natürlichen Lebensbedingungen der Tiere so nahe wie möglich zu kommen. Die Tigerfamilie, die momentan und sehr aussergewöhnlich zusammen auf der Anlage lebt, wird spätestens im Herbst auseinander gerissen. Dann werden die Jungtiere an andere Zoos abgegeben, um dort in Zuchtprogrammen für die Erhaltung der Art zu sorgen.
Für manche Grosskatzen sind die zoologischen Gärten inzwischen bereits die einzige Chance. So finden sich letzte Exemplare des Südchinesischen Tigers nur noch in einigen chinesischen Zoos und es gibt nur noch die Hoffnung, dass deren Nachkommen eines Tages wieder ausgewildert werden können.
Doch damit die Tiere wieder in Freiheit leben können, muss unter anderem den Wilderern das Handwerk gelegt werden, die die Grosskatzen verfolgen. Wie Junhold sagt, finanzieren deshalb Zoos aus der ganzen Welt zum Beispiel Anti-Wilderer-Brigaden. Denn nur dann, wenn die Tiere sich auch auf freier Wildbahn wieder vermehren können, ist das Ziel, das sich der WWF gestellt hat, realistisch: Die Zahl der frei lebenden Tiger bis zum nächsten «Jahr des Tigers» nach dem chinesischen Kalender, das in zwölf Jahren eingeläutet wird, auf etwa 6000 Exemplare zu verdoppeln.