Medien-SkandalBeyoncé-Interviews frei erfunden
Das deutsche Magazin «Neon» musste zugeben, dass einer seiner Autoren angebliche Interviews mit Weltstars frei erfunden hat. Auch Schweizer Redaktionen wurden reingelegt.
Zehn Jahre nach dem Skandal um Tom Kummers gefälschte Interviews ist erneut ein Märchen-Schreiber aufgeflogen. Der Täter heisst dieses Mal Ingo Mocek: Der Redaktor des «Neon»-Magazins soll mindestens fünf Interviews gefälscht haben. Seine angeblichen Gesprächspartner dabei waren Christina Aguilera, Gitarrist Slash oder Sängerin Beyoncé.
Das Management der Amerikanerin Knowles hatte sich beim Deutschen Magazin gemeldet und Zweifel an der Echtheit des Artikels über seine Klientin angemeldet. «Die Neon-Chefredaktion hat den Autoren mit dem Vorwurf konfrontiert, dass er die Antworten der Sängerin erfunden habe», ist nun auf der «Neon»-Homepage zu lesen. «Ingo Mocek konnte diesen Vorwurf nicht ausräumen und bestätigte schliesslich, dass er die Prüfinstanz der Neon-Dokumentation getäuscht und das Gespräch nicht, wie von ihm vorgelegt, stattgefunden hat.»
Bericht vom Lügenredaktor neben seinem Interview
Die Zeitschrift entschuldigte sich bei ihren Lesern und sprach von Vorgängen, die «in keiner Weise vereinbar mit den journalistischen und ethischen Massstäben» der Redaktion vereinbar seien. Medien-Redaktoren haben sich seither des Themas angenommen, der Skandal in Deutschland ist da. Doch auch die Schweiz ist von der Lüge betroffen: Der «Tages-Anzeiger» wurde ebenfalls Opfer des Betrügers. Unter dem Titel «Die Beschimpfungen haben mir sehr zugesetzt» ist das Beyoncé-Interview von Mocek dort noch nachzulesen.
«Tagi» zum zweiten Mal Opfer
«Wie uns die «Neon»-Chefredaktion mitteilte, hat das angeblich am 5. November 2009 im Rahmen der European Music Awards in Berlin geführte Interview nie stattgefunden», bestätigte Redaktorin Simone Meier gegenüber der Nachrichtenagentur sda. Laut «Neon» habe Mocek Beyoncé Knowles zu drei früheren Gesprächen getroffen und einige Informationen daraus verwendet; der grösste Teil des Interviews sei jedoch frei erfunden, so Meier.
Die Redaktion «Neon» besitze eine Dokumentationsabteilung, die für den Faktencheck verantwortlich sei und Texte nur mit einer Bewilligung der Chefredaktion zum Zweitabdruck freigebe, schreibt Meier. Deshalb habe sich der «Tages-Anzeiger» «vertrauensvoll dafür entschieden, das Interview zu bringen». «Dass sich Ingo Mocek nun als zweiter Tom Kummer entpuppt, haben wir nie in Betracht gezogen. Wir entschuldigen uns dafür bei unseren Leserinnen und Lesern und auch bei denjenigen von «Bund» und Tages-Anzeiger.ch/Newsnetz, die das Interview ebenfalls publizierten», hiess es weiter.
Bei weitem keine Seltenheit
Der Berner Interview-Fälscher Tom Kummer war 2000 aufgeflogenen. Er hatte jahrelang aus Hollywood für die Magazine des «Tages- Anzeigers» und der «Süddeutschen Zeitung» berichtet und Gespräche unter anderem mit Demi Moore, Sharon Stone oder Brad Pitt getürkt. In der Folge erfand man für diese Form der Berichterstattung den Begriff «Borderline»-Journalismus.
Drei Jahre später wurden auch der «Sonntags-Blick», «NZZ am Sonntag» und «Blick» Opfer von Fälschern. Im September 2003 musste «Sonntags-Blick» eingestehen, dass der Aufsatz «Alles ist anders, nichts hat sich verändert» nicht vom US-Erfolgsautor David Margolick stammte, sondern von einem freien Mitarbeiter der Zeitung in New York mit dem Namen Lorenz Wolffers.
Auch der «NZZ am Sonntag» hatte der Berner «Borderline»- Journalist Wolffers eine Fälschung untergejubelt. Das Interview mit dem amerikanischen Autor Scott Turow war pure Erfindung. Im selben Jahr kroch auch «Blick» einem Fälscher auf den Leim: Ein deutscher Journalist namens Robert Macher hatte ein Interview mit Mick Jagger aus verschiedenen Texten zusammengeschustert und mit pikanten Details angereichert.