Bezirksgericht WinterthurHat er das Kind seiner Freundin zu Tode geschüttelt?
Ein Hilfsarbeiter soll im Frühjahr 2021 in Winterthur den 20-monatigen Sohn seiner Freundin so schwer misshandelt haben, dass dieser an den Folgen eines Schädel-Hirn-Traumas starb.
Darum gehts
Ein 28-jähriger Deutscher aus Winterthur steht wegen Mordes vor Gericht. Er soll im Frühjahr 2021 den 20-monatigen Sohn seiner Freundin zu Tode geschüttelt haben.
Der Staatsanwalt verlangt eine Freiheitsstrafe von 15 Jahren und einen ebenso langen Landesverweis.
Sein Verteidiger fordert einen Freispruch. Auch die Kindesmutter könnte die Täterin gewesen sein.
Der heute 28-jährige Deutsche, der seit seiner Kindheit in der Schweiz lebt, ist des Mordes angeklagt. In der Anklageschrift sind sechs Vorfälle von Körperverletzungen aufgelistet, zusätzlich zur schweren Misshandlung vom 3. Juni 2021. Der Beschuldigte hat damals das – nicht leibliche – Kleinkind, das durch die früheren Angriffe bereits geschwächt war, am Oberkörper gepackt und mehrere Male gewaltsam hin und her geschüttelt.
Dabei brach der achte Brustwirbel. Der 20 Monate alte Knabe starb zwei Wochen später an einem Herz-Kreislaufstillstand. Die Misshandlungen sollen sich jeweils ereignet haben, als der Mann allein in der Wohnung seiner damaligen Freundin war.
Beschuldigter bestritt Gewaltanwendung
Am Prozess vor dem Bezirksgericht Winterthur vom Mittwoch bestritt der Mann, körperliche Gewalt ausgeübt zu haben. «Ich habe ihn gern gehabt, er war ein lustiger und herziger Knabe.» Er bezeichnet sich selbst als liebenswert, gibt aber zu, dass er auch anders sein könne. Die Mutter und ehemalige Freundin hat in der Untersuchung gesagt, dass der kleine Knabe Angst vor ihm gehabt habe. Die Anklageschrift stützt sich unter anderem auf Bilder des verletzten Knaben, die man auf dem Handy des Beschuldigten fand. Auf die Frage eines Richters, ob er die Tat seiner damaligen Freundin zutrauen würde, antwortete er: «Ja, sie war überfordert.»
Der 28-Jährige ist Vater von zwei Söhnen – von zwei anderen Frauen. Es mussten in der Vergangenheit dort schon Kinderschutzmassnahmen ergriffen werden. Er habe regelmässigen Kontakt zu den beiden Söhnen, sagte er am Prozess. Der Mann wurde im August 2021 verhaftet und sass über sieben Monate in Untersuchungshaft. Er könne aus psychischen Gründen jetzt nicht mehr arbeiten und wohne bei den Eltern.
Auch die Freundin sass in U-Haft
Der Staatsanwalt forderte wegen Mordes eine Freiheitsstrafe von 15 Jahren, zudem soll der Beschuldigte für 15 Jahre des Landes verwiesen werden. Der Fall ist aussergewöhnlich, weil anfänglich auch gegen die Kindesmutter ermittelt wurde. Dieses Verfahren wurde inzwischen sistiert. Anfänglich sei nicht klar gewesen, ob es überhaupt ein Gewaltdelikt war, sagte der Ankläger. «Erst die Obduktion und das medizinische Gutachten haben gezeigt, dass ein Tötungsdelikt vorliegt.» Als Motiv nannte er Frust. Es habe den Beschuldigten gestört, dass das Kind häufig bei seiner Mutter im Bett schlief und er es oft betreuen musste. «Das Kind war ihm lästig geworden», so der Staatsanwalt. Der Beschuldigte habe es an jenem 3. Juni 2021 hüten müssen, während seine Freundin im Winterthurer Stadtpark Drogen verkaufte und kiffte. Das Paar hat täglich Cannabis konsumiert und gedealt.
Der Anwalt der Mutter verlangte eine Genugtuung von 75’000 Franken für seine Mandantin. «Der Freund hat aus Eifersucht und Wut seinen Frust am kleinen Knaben ausgelebt.» Die Verletzungen hätten sich immer dann ereignet, wenn der Beschuldigte allein mit dem Kind zu Hause war.
«Auch Freundin kann Täterin sein»
Demgegenüber forderte sein Verteidiger einen Freispruch. Für die Drogendelikte soll sein Mandant eine bedingte Geldstrafe erhalten. Der Verteidiger sagte, dass auch die Kindesmutter als Tatverdächtige galt und bis Mitte November 2021 in Untersuchungshaft sass. Auch bei der Freundin habe die Kindes- und Erwachsenenschutzbehörden (Kesb) eine Gefährdungsmeldung gemacht. Sie lebt in einem betreuten Wohnen. Der Staatsanwalt sei im Dilemma gewesen, zwei Tatverdächtige zu haben, wovon aber nur eine Person der Täter sein könne. «Der Staatsanwalt hat sich entscheiden müssen und den Partner als wahrscheinlicheren Täter erachtet.» Aus diesem Grund komme nur ein Freispruch nach dem Grundsatz «In dubio pro reo» (Im Zweifel für den Angeklagten) infrage.
Das Bezirksgericht Winterthur wird das Urteil am 22. September fällen.
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