Anna Miller über Digitale Achtsamkeit: «Bildschirmzeit sagt nicht viel aus»

Das Handy ist allgegenwärtig – und kann uns krank machen. Eine Expertin für digitale Achtsamkeit hat Tipps, wie wir einen besseren Umgang mit der Screentime finden.

Das Handy ist allgegenwärtig – und kann uns krank machen. Eine Expertin für digitale Achtsamkeit hat Tipps, wie wir einen besseren Umgang mit der Screentime finden.

Pexels/Teddy Yang 
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Digitale Achtsamkeit«Bildschirmzeit sagt nicht viel aus» – so reduzierst du deinen Handykonsum

Weniger Handyzeit, mehr Sinnlichkeit: Die Schweizer Journalistin Anna Miller verrät in ihrem neuen Buch, wie du den Umgang mit Screentime neu lernen kannst – und dass es auch okay ist, einen Tag vor dem Bildschirm zu verbringen.

Frau Miller, wie viel Zeit verbringen Sie täglich an Ihrem Smartphone?

Meine Screentime beträgt meist zwischen einer und fünf Stunden. Das hängt ganz davon ab, wie sehr mein Leben offline verplant ist. Ist dort viel los, verbringe ich weniger Zeit am Handy. Und an anderen Tagen ist es eben mehr. Aber die Bildschirmzeit alleine sagt nicht viel aus.

Wie viel Zeit verbringst du täglich am Handy?

Können Sie das erklären?

Wenn ich etwa gerade einen Online-Kurs in Fotografie absolviere und dann noch zwei Stunden draussen mit dem Handy fotografiere, verbringe ich relativ viel Zeit am Bildschirm. Diese ist jedoch hochwertiger, als wenn ich drei Stunden am Stück lustlos durch Social-Media-Feeds scrolle.

Qualität statt Quantität: Macht man etwa einen Online-Fotokurs, verbringt man zwar viel Zeit am Handy – aber sinnvoller, als wenn man lustlos durch Social-Media-Feeds scrollt.

Qualität statt Quantität: Macht man etwa einen Online-Fotokurs, verbringt man zwar viel Zeit am Handy – aber sinnvoller, als wenn man lustlos durch Social-Media-Feeds scrollt. 

Pexels/Elle Hughes 

Wie merke ich denn, ob ich zu viel Zeit am Handy verbringe?

Ich kenne kaum jemanden, der nicht zu viel Zeit am Handy verbringt. Viele wissen, dass sie regelrecht Handy-süchtig sind, ignorieren diese Erkenntnis aber. Wichtig ist, sich die Abhängigkeit einzugestehen und zu beobachten: Wann nutze ich die Geräte sinnvoll und tut der Konsum mir gut und wann bin ich etwa bloss aus Frustration am Handy und fühle ich mich danach noch schlechter. Wir sollten digital achtsamer werden.

Ich kenne kaum jemanden, der nicht zu viel Zeit am Handy verbringt.

Anna Miller, Autorin und Achtsamkeits-Expertin

Wie gelingt diese digitale Achtsamkeit?

Bloss zu versuchen, die Screentime zu verkürzen, funktioniert oft nicht. Wir überschätzen diesbezüglich unsere Willenskraft. Darum kann es helfen, sich zu fragen: «Wovon will ich mehr in meinem Leben?» Man wird automatisch weniger Zeit am Handy verbringen, wenn man das macht, was man wirklich toll findet. Sei es, ein vernachlässigtes Hobby wieder aufzunehmen. Oder wenn jemand mehr Zeit draussen verbringen möchte, kann man mit einem Hund aus dem Tierheim spazieren gehen. Oder man kann sich einmal pro Woche mit der Grossmutter zum Mittagessen treffen.

Über Anna Miller

Sie schreiben in Ihrem Ratgeber «Verbunden», dass Screens uns ängstlicher, schlaflos, schmerzanfälliger und einsam machen – warum?

Studien haben gezeigt, dass die Inhalte, wie sie uns im Internet präsentiert werden, unser Nervensystem konstant aktivieren und damit komplett überreizen. Das führt zu physischem und psychischem Stress. Aber wir gewöhnen uns so sehr daran, dass als Folge Tätigkeiten wie Yoga, Lesen oder Spazierengehen total langweilen, weil der Dopamin-Kick fehlt. So halten wir nach sechs Stunden auf Youtube etwa ein Gesellschaftsspiel kaum aus – das ist viel zu langsam.

Inhalte aus dem Internet aktivieren konstant das Nervensystem und können so ängstlicher, schlaflos und einsam machen.

Inhalte aus dem Internet aktivieren konstant das Nervensystem und können so ängstlicher, schlaflos und einsam machen. 

Pexels/mikoto.raw Photographer 

Ein ganzer Tag am Handy oder vor dem Fernseher sollte also der Vergangenheit angehören?

Nicht unbedingt! Man darf auch mal einen Tag lang mit Handy und Fernseher verbringen, weil das eben gerade guttut. Und weil es eine aktive Entscheidung ist und nicht die tägliche Normalität.

Ratgeber «Verbunden»

Ullstein

Im Ratgeber «Verbunden – Wie du in digitalen Zeiten wieder Platz schaffst für Dinge, die dir wirklich wichtig sind» (Ullstein Taschenbuch) gibt die Autorin Anna Miller konkrete Tipps und Übungen an die Hand, sich seines eigenen Umgangs und Konsums mit Smartphone und Bildschirm bewusst zu werden und gleichzeitig eine neue Vision für ein ausgeglichenes Leben zu zeichnen.

Das Buch ist ab dem 23. Februar 2023 erhältlich.

Angenommen, man will achtsamer werden im Umgang mit der Screentime. Was empfehlen Sie?

Sich physisch vom Handy zu distanzieren! Wir haben das Gerät immer in der Hosentasche oder mit einer Kordel am Hals baumeln. Das lädt ja geradezu ein, bei jeder Gelegenheit danach zu greifen.

Wie könnte das aussehen?

Wenn man beispielsweise im Wald spazieren geht, kann das Handy zu Hause bleiben. Wenn man etwas mit Freundinnen und Freunden unternimmt, kann man vereinbaren, dass nur eine Person das Telefon mitnimmt, um Fotos zu machen oder im Notfall erreichbar zu sein. Ein analoger Wecker kann Schlafzimmer zur Handy-freien Zone machen. Das ist nicht neu, aber wirklich hilfreich: Viele von uns konsumieren schon eine Unmenge an Nachrichten und Bildern, bevor sie überhaupt richtig wach sind. Das steckt dann alles im Kopf und muss verarbeitet werden. Das macht müde! Und die Sinnlichkeit fehlt.

Echt verbunden: Verbringt man Zeit mit Freunden, kann man sich darauf einigen, dass nur eine Person das Handy mitnimmt, zum Beispiel um Fotos zu machen.

Echt verbunden: Verbringt man Zeit mit Freunden, kann man sich darauf einigen, dass nur eine Person das Handy mitnimmt, zum Beispiel um Fotos zu machen.

Pexels/KoolShooters 

Inwiefern?

Wir erleben so vieles nur noch digital. Das Physische, die Berührung kommt viel zu kurz. Als Ausgleich zur Screentime kann es hilfreich sein, mit den Händen etwas zu erschaffen, zum Beispiel aus Ton, oder etwas zu pflanzen. Und viel Zeit draussen zu verbringen, die Natur zu spüren und richtig zu erleben, nicht bloss durch die Handy-Kamera zu sehen. Damit wir nicht nur digital verbunden sind, sondern auch im realen Leben.

Wie schaffst du es, deine Bildschirmzeit im Griff zu behalten?

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