Kinostarts der WocheBis weit über den Tag der Arbeit hinaus
Vincent Lindon und Romain Duris überzeugen in den Dramen «En guerre» beziehungsweise «Nos batailles» als entschlossene Gewerkschafter.
Das Drama «En guerre» zeigt die heutige Arbeitswelt als Kriegsschauplatz. So beschliessen jedenfalls 1'100 Angestellte unter ihrem Wortführer Laurent Amédéo (Vincent Lindon), in den Streik zu treten. Sie haben Null Verständnis für die Entscheidung des Managements von Perrin Industries, die örtliche Fabrik zu schliessen – gerade wegen bereits erfolgter finanzieller Einbussen seitens der Belegschaft, haufenweise falscher Chef-Versprechungen und Rekordgewinne für die Besitzer.
Keine simple Schwarzweissmalerei
Zum Glück betreibt der Regisseur Stéphane Brizé in seinem Gewerkschaftsdrama keine simple Schwarzweissmalerei. Auch das Management steht unter ökonomischem Druck. Und manch' Streikender überlegt sich früher oder später, den Widerstand aufzugeben und sich mit einer Abfindung abspeisen zu lassen, um die Familie wenigstens für ein paar Monate durchzubringen. Inmitten des ganzen Hickhacks steht der Schauspieler Vincent Lindon, der schon im thematisch ähnlichen Brizé-Drama «La loi du marché» die Hauptrolle spielte. Verkörperte er dort einen arbeitslosen Mitfünfziger, so kniet er sich hier regelrecht in die Figur eines Gewerkschafters, der für die Rechte der Arbeitnehmer sein letztes Hemd hergeben würde.
Reflexion statt Revolution
Im Zusammenspiel mit haufenweise Laiendarstellern ergibt sich so ein packendes Gesellschaftsdrama, das dank unmittelbarer Inszenierung immer mehr in seinen Bann zieht. Schön, dass es den Filmemachern letztlich nicht um reisserischen Agitprop oder eine Revolution um jeden Preis geht, sondern um eine gekonnte Auseinandersetzung mit der heutigen Arbeitswelt, die im heutigen Frankreich vom Widerstand der Gelbwesten geprägt ist.
Ebenfalls ab Donnerstag im Kino: «Nos batailles» mit Romain Duris
Als Gewerkschafter kämpft Olivier («L'auberge espagnole»-Star Romain Duris) wie ein Löwe, um seinen Team-Kollegen den Job zu retten. Als ihn aber seine Ehefrau Laura (Lucie Debay) scheinbar grundlos verlässt, ist er am Ende seines Lateins. Nur dank tatkräftiger Unterstützung seiner Schwester Betty kann Olivier seinen Alltag als alleinerziehender Vater von zwei Kids überhaupt noch meistern.
Wider die klassische Rollenverteilung
«Nos batailles» bricht eindrücklich mit der klassischen Rollenverteilung und zeigt einen Mann, der von heute auf morgen umdenken muss. Selbst heutzutage betrachten viele Göttergatten den Haushalt und die Kindererziehung als Schoggi-Job im Vergleich mit ihrer beruflichen Belastung. Olivier wird auf die harte Tour zur Veränderung gezwungen und lernt Schritt für Schritt, ein guter Hausmann und Familienvater zu sein. Schade nur, dass er nicht früher zu dieser Einsicht gekommen ist.
«Ash is Purest White»: Ein Liebes- und Gangsterdrama aus China
Vier lange Jahre schmort die einstige Gangsterbraut Qiao (Zhao Tao) im chinesischen Gefängnis, weil sie dem Mafioso Bin (Liao Fan) im Jahre 2001 das Leben rettete. Als dieser von einer Gang angegriffen wurde, griff sie zur Waffe und nahm die Schuld für die Schiesserei auf sich. Nach ihrer Entlassung will sie Bin wiedersehen – doch er ist verschwunden und das Land, das Qiao auf der Suche nach ihm durchquert, ist kaum mehr wiederzuerkennen.
Bilderprächtige Melancholie
Nach zahlreichen Festivalfilmen serviert der chinesische Regisseur Jia Zhang-Ke eine bilderprächtige Liebesgeschichte in einem China, das sich in der Zeit von 2001 bis 2018 schnell und radikal verändert. Melancholie pur.