Gesundheitsexperten: «Body Positivity ist eine wunderbare Idee, kann aber gefährlich werden»

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Gesundheitsexperten«Body Positivity ist eine wunderbare Idee, kann aber gefährlich werden»

In einer TV-Debatte entbrannte eine hitzige Diskussion um den bejahenden Körperkult – oder Body Positivity. Was sind die Vor- und Nachteile? Gesundheitsfachleute ordnen ein.

Was sagen Gesundheitsexperten zum Body-Positivity-Trend? 20 Minuten hat bei einem Arzt, einem Spezialisten, einer Schönheitschirurgin und einem Psychologen nachgefragt. (Symbolbild)
«Es ist gut, dass Body Positivity gefördert wird», sagt Matthias Kösters, Oberarzt im Adipositaszentrum des Spitals Muri. Er warnt aber vor einer Verharmlosung von Übergewicht und Adipositas. (Symbolbild)
Ralph Peterli, Vorstandsmitglied der Allianz Adipositas Schweiz versteht, dass Menschen aus psychologischer Sicht etwas Gutes in der Body-Positivity-Bewegung sehen. Indem sie aber eine Krankheit verneinen, täten sie sich damit keinen Gefallen. (Symbolbild)
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Was sagen Gesundheitsexperten zum Body-Positivity-Trend? 20 Minuten hat bei einem Arzt, einem Spezialisten, einer Schönheitschirurgin und einem Psychologen nachgefragt. (Symbolbild)

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Darum gehts

  • Body Positivity und Gesundheit: Diese Themen führten in einer ZDF-Debatte zu einem Shitstorm.

  • 20 Minuten hat bei vier Gesundheitsexperten nachgefragt, wie sie die Bewegung einschätzen.

  • Die Antworten fallen ähnlich aus: Die Grundidee von Body Positivity könne der mentalen Gesundheit gut tun – man riskiere aber eine Verharmlosung der Krankheiten, die durch Übergewicht ausgelöst werden. 

Eine Debatte über Body Positivity ist jüngst auf ZDF eskaliert. Der anwesende Arzt thematisierte die Gesundheit und betonte die negativen Aspekte des bejahenden Körperkults - und erntete dafür einen Shitstorm.

Ist der Body-Positivity-Trend eine gute Entwicklung? Oder hat er auch schädliche Auswirkungen? 20 Minuten hat bei einem Arzt, einem Adipositas-Spezialisten, einer Schönheitschirurgin und einem Psychologen nachgefragt.

Der Arzt

«Es ist gut, dass Body Positivity gefördert wird», sagt Matthias Kösters, Oberarzt im Adipositaszentrum des Spitals Muri. Es sei auch für die mentale Gesundheit von Vorteil, wenn man mit sich zufrieden sei – vor allem in einem Zeitalter, in dem Influencer ein Schönheitsideal in den sozialen Medien verkörpern, welches es so im realen Leben nicht gebe. Er glaubt nicht, dass der Trend zu ungesundem Verhalten oder Übergewicht verleitet.

Trotzdem ist Vorsicht geboten: «Sobald der Trend der Gesundheit schadet, hat das nicht mehr viel mit Body Positivity zu tun», so der Oberarzt. Übergewicht sei auf lange Sicht sehr ungesund, Adipositas führe gar zu Gelenkproblemen, Herz-Kreislauf-Erkrankungen, Diabetes und Krebserkrankungen – das seien Fakten, die nicht zur Diskussion stünden.

Der Adipositas-Spezialist

«Dass die Menschen aus psychologischer Sicht etwas Gutes in der Body-Positivity-Bewegung sehen, verstehe ich absolut», sagt auch Ralph Peterli, Vorstandsmitglied der Allianz Adipositas Schweiz. Aber sie täten sich keinen Gefallen, weil sie damit eine Krankheit verneinen. Das sei langfristig gesehen problematisch.

Wenn es ausserdem dazu führe, dass man nicht mehr auf seine Gesundheit achtet, kann das negative Folgen haben. «Es gibt Menschen, die trotz hohem BMI noch gesund sind – dann kann man eine Zeit lang im Einklang mit Body Positivity leben», so Peterli. Das Gewicht, und damit die gesundheitlichen Probleme, hole sie aber meist nach einigen Jahren ein.

Die Schönheitschirurgin

Oberflächlich betrachtet klinge Body Positivity gut, sagt Sonja Meier, Fachärztin für plastische, rekonstruktive und ästhetische Chirurgie. «Damit können aber auch negative Zustände schön geredet werden, was gesundheitsschädigend wirken kann», so Meier. Body Positivity könne klar zu einer Verharmlosung von gesundheitsschädigenden Verhaltensweisen, wie übermässigem Essen und Bewegungsarmut, führen. «Das Ziel sollte eine positive und realistische Einstellung sich selbst gegenüber sein», so Meier. Ihrer Ansicht nach wäre Selbstakzeptanz der bessere Weg – dies beinhalte den ganzen Menschen als Persönlichkeit, nicht nur den Körper.

Selbstverständlich könne man aber auch «Body Positive» sein und eine Schönheitsoperation machen lassen: Diese könne die Zufriedenheit und Selbstakzeptanz deutlich verbessern – wenn sie in der richtigen Situation durchgeführt wird. «Wenn jemand sich aber grundsätzlich ablehnt oder ein unrealistisches Selbstbild hat, löst eine Schönheitsoperation das Problem nicht», sagt die Fachärztin.

Der Psychologe

Fachpsychologe Roland Weber findet die Grundidee von Bewegungen wie Body Positivity «wunderbar». Diese könnten dabei helfen, den äusseren Druck, einem Schönheitsideal entsprechen zu müssen, zu reduzieren. «Body Positivity ermöglicht einen Austausch, wo niemand sich schämen muss – und wenn man sich mit einem Thema auseinandersetzt und sich dadurch sensibilisiert, ist das in jeder Hinsicht eine Errungenschaft.»

«Body Positivity wird dann gefährlich, wenn wissenschaftliche Fakten ignoriert oder verdreht werden», sagt Weber aber. Die gesundheitlichen Fakten, die eine ungesunde Ernährung sowie Übergewicht oder auch Untergewicht mit sich bringen, dürfen nicht ausser Acht gelassen werden: «Adipositas ist ungesund und kann Folgen wie Diabetes oder Arthrose mit sich bringen.» Hier müsse man ganz klar die gesundheitliche Aufklärung von möglicher Diskriminierung trennen: «Es ist wichtig, dass positive Aspekte gefördert werden und über die negativen fachlich informiert wird.»

Wie stehst du zur Body-Positivity-Bewegung?

Hast du oder hat jemand, den du kennst, eine Essstörung?

Hier findest du Hilfe:

Fachstelle PEP, Beratung für Betroffene und Angehörige

Pro Juventute, Beratung für Kinder und Jugendliche, Tel. 147

Dargebotene Hand, Sorgen-Hotline, Tel. 143

Elternberatung, Tel. 058 261 61 61

Bist du oder ist jemand, den du kennst, von (Cyber-)Mobbing betroffen? 

Hier findest du Hilfe:

Pro Juventute, Beratung für Kinder und Jugendliche, Tel. 147

Fachstelle Mobbing (kostenpflichtig)

Elternberatung, Tel. 058 261 61 61

Hilfe bei Mobbing, Fachstelle für Schulen und Eltern (kostenpflichtig)

Dargebotene Hand, Sorgen-Hotline, Tel. 143

Beratungsstellen der Opferhilfe Schweiz

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