Sechs Monate bis zur Drittimpfung – Boosterwillige nerven sich über Minütelen von Impfzentren

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Sechs Monate bis zur DrittimpfungBoosterwillige nerven sich über Minütelen von Impfzentren

Um eine Stunde unterschritt eine Rentnerin die sechsmonatige Impffrist– und musste warten. Das ist kein Einzelfall. Beamtenbürokratie sei fehl am Platz, sagt ein Anwalt für Gesundheitsrecht.

Eine Rentnerin wollte sich eine Stunde vor Ablauf der sechsmonatigen Frist boostern lassen , wurde vom Personal jedoch abgewiesen. Sie musste eine Stunde warten, bis die Frist abgelaufen war. Im Bild das Impfschiff in Luzern.
Andreas Faller, Anwalt für Gesundheitsrecht, ist das Problem aufgrund von mehreren Fällen bekannt. Er fordert, dass diese «Minutenbürokratie» sofort aufhöre.
Faller sagt, dass in seinem Umfeld mehrere Personen vor Ablauf der Frist von sechs Monaten Impfdurchbrüche erlitten hätten.
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Eine Rentnerin wollte sich eine Stunde vor Ablauf der sechsmonatigen Frist boostern lassen , wurde vom Personal jedoch abgewiesen. Sie musste eine Stunde warten, bis die Frist abgelaufen war. Im Bild das Impfschiff in Luzern.

Twitter

Darum gehts

Die Nachfrage nach der Boosterimpfung ist gross. Doch viele Geimpfte müssen sich gedulden. Grünes Licht für die Auffrischungsimpfung gibt es erst, wenn die Zweitimpfung mindestens sechs Monate zurückliegt. Das hat das Bundesamt für Gesundheit (BAG) entschieden.

Einige Impfzentren nehmen diese Weisung sehr genau. Dass man sich nicht schon einen Tag oder einige Stunden vor Ablauf der sechsmonatigen Frist boostern lassen kann, sorgt etwa auf Twitter für erhitzte Gemüter. Nicht zuletzt, weil sich mehrere wissenschaftliche Gremien, darunter auch die Taskforce, für eine Auffrischungsimpfung bereits nach drei Monaten ausgesprochen haben.

20 Minuten ist ein ähnlicher Fall bekannt. Als eine Rentnerin das Walk-In-Angebot im Impfschiff Luzern nutzen wollte, wies das Personal die Boosterwillige ab. Das Personal machte sie darauf aufmerksam, dass die sechsmonatige Frist noch nicht abgelaufen sei –, sondern erst in einer Stunde. Sie habe daraufhin eine Stunde lang in der Kälte warten müssen, bis sie ihre Auffrischungsimpfung erhalten habe, sagt die Frau zu 20 Minuten. Verständnis für die Aktion des Impfzentrums habe sie keine.

Parlamentsmitglieder bereits nach fünf Monaten geboostert

Grosszügig ist man hingegen im Umgang mit Parlamentarierinnen und Parlamentariern. Anfang Dezember konnten diese sich im Rahmen des «Parlamentariergrippeimpftags» im Bundeshaus boostern lassen. Dabei erhielten auch Parlamentsmitglieder, die erst seit fünf Monaten doppelt geimpft waren, die Auffrischungsimpfung.

Die ungleiche Behandlung stösst etwa in den sozialen Medien auf viel Widerstand. So schreibt eine Twitter-Userin: «Nett... die Bevölkerung wird im Impfzentrum abgewiesen, bloss keinen Tag zu früh boostern! Derweil in Bundesbern...»

«Absurde Minutenbürokratie muss aufhören»

Andreas Faller, Anwalt für Gesundheitsrecht, ist das Problem aufgrund von mehreren Fällen bekannt. Dass Impfzentren Personen abwiesen, weil diese die sechsmonatige Frist nicht auf die Minute genau eingehalten hätten, sei unverständlich. «Diese Minutenbürokratie ist absurd und muss sofort aufhören», sagt der ehemalige Vizedirektor des Bundesamts für Gesundheit (BAG).

In seinem Umfeld hätten mehrere Personen vor Ablauf der Frist von sechs Monaten Impfdurchbrüche erlitten, sagt Faller. «Es braucht jetzt keine Beamtenbürokratie, sondern rasches Reagieren.» Die Impfzentren sollten maximale Ressourcen einsetzen und sich ein Vorbild an den Apotheken nehmen. «Dort wird wie verrückt geboostert – teilweise auch ausserhalb der Öffnungszeiten.» Er unterstützt den Vorschlag der Task-Force, den Abstand zwischen der Zweit- und der Boosterimpfung auf drei bis vier Monate zu verringern.

Faller warnt vor einer Benachteiligung für Geimpfte. «Je nachdem, wie der Bundesrat kommenden Freitag entscheidet, müssen sie bereits wieder Massnahmen ertragen. Hindert man sie jetzt noch am Boostern, werden sie sich langsam dumm vorkommen.»

«Impfdatum und nicht Uhrzeit entscheidend»

Das Luzerner Gesundheits- und Sozialdepartement widerspricht dem Vorwurf, die sechsmonatige Frist übertrieben genau einzuhalten. Die Impfzentren hielten sich bei der Boosterimpfung an die sechsmonatige Wartefrist, die vom BAG und der Eidgenössischen Kommission für Impffragen (EKIF) empfohlen werde, teilt das Departement auf Anfrage mit. «Diese wird im Sinne der Gleichbehandlung aller impfwilligen Personen eingehalten.» Zudem sei das Impfdatum und nicht die Uhrzeit der Zweitimpfung entscheidend. «Der Ablauf der Frist wird nicht auf die Minute genau genommen, um keine unnötige Bürokratie zu betreiben.»

Das BAG hält an der sechsmonatigen Frist fest. Aktuell gebe es keine Hinweise, dass eine Auffrischimpfung vor sechs Monaten nach der Grundimmunisierung nötig sei, sagt Sprecherin Nani Moras. «Nichtsdestotrotz wird die aktuellste Datenlage weiter genau beobachtet, um bei Bedarf die Frist für eine Auffrischimpfung zu verkürzen.»

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