Urbaniok zu Brandserie«Brandstiftung kann ein Ventil sein – wie der Ausgang am Wochenende»
Seit Anfang April wütet im solothurnischen Wasseramt ein Brandstifter. In der Nacht auf Samstag zündete er einen Bauernhof an. Der bekannte Gerichtspsychiater Frank Urbaniok ordnet ein.
Seit Anfang April hält ein Pyromane die Bevölkerung im solothurnischen Wasseramt in Atem. Insgesamt acht Brände sollen schon auf sein Konto gehen. Zuletzt brannte es in der Nacht auf Samstag in Kriegstetten, wo bei einem Bauernhof Feuer gelegt wurde. Ein Taxichauffeur meldete den Brand an der Hauptstrasse einer Polizeipatrouille. Personen wurden bei der Brandserie bisher nicht verletzt, der Sachschaden dürfte jedoch bereits die Millionengrenze überschritten haben. Die Polizei geht davon aus, dass die Brände im Wasseramt in Zusammenhang zueinander stehen.
Was könnte den Täter antreiben? Der bekannte Gerichtspsychiater Frank Urbaniok (59) sagt, dass es bei Brandstiftern ein breites Spektrum von Motiven gebe. Grob liessen sich aber drei Typen unterscheiden. «Der klassische Pyromane ist von Feuer fasziniert und findet es erregend oder stimulierend.» Anders verhält es sich bei impulsgesteuerten Tätern. Hier sei die Handlung ein Ventil für aufgestauten Frust. «So wie andere am Wochenende in den Ausgang gehen, um Dampf abzulassen», so Urbaniok. Beide Typen kämen im vorliegenden Fall wohl infrage. Eher unwahrscheinlich sei ein spezifischer Konflikt, etwa mit einem Rache-Motiv, das sich gegen bestimmte Personen oder Gruppen richte, denen jemand schaden wolle. Eher sei hier das Handlungsmotiv grundsätzlich in der Persönlichkeit verankert.
«Es ist ähnlich wie bei Gewaltdelikten, bei denen die Täter scheinbar wahllos einfach irgendwo zuschlagen.»
Beim Wasseramt-Pyromanen könnte auch Selbstinszenierung eine Rolle spielen. Die Aufmerksamkeit, die der Täter durch seine Taten erhält, nennt Urbaniok einen «sekundären Gewinn». Immerhin, der ganze Bezirk redet seit Wochen über ihn. Oder sie? Die Statistik spricht für einen männlichen Täter. Männer seien bei Gewalt- und Sexualstraftaten stark überrepräsentiert und machten rund 95 Prozent der Täter aus, das gelte in ähnlicher Weise auch für Brandstifter, so Urbaniok.
Droht im Wasseramt womöglich eine Eskalation, dass sich der Täter selbst noch toppen möchte, oder reisst die Serie plötzlich ab? Das sei Kaffeesatzlesen, sagt Urbaniok. Er sagt aber: «Wiederholungstaten nach einem bestimmten Muster sprechen tendenziell eher dafür, dass es erst einmal weitergeht.» Dass Brandserien urplötzlich abreissen, kommt jedoch immer wieder vor. Jahrelang jagten die Basler Ermittler einen Feuerteufel, der in Riehen und Umgebung zwischen 2004 und 2010 rund 60 Brände gelegt haben soll. Vorwiegend zündete er Gartenhäuser an. Ein Phantombild und 20’000 Franken Belohnung brachten keine heisse Spur. Bis jetzt ist der Täter ein Phantom geblieben. «Eine Änderung im Leben der Person, ein Umzug, vieles ist möglich», sagt Urbaniok.
Für die Ermittler ist die Jagd nach dem Täter nicht leicht. «Es ist ähnlich wie bei Gewaltdelikten, bei denen die Täter scheinbar wahllos einfach irgendwo zuschlagen», sagt Urbaniok. Auch im Wasseramt weiss man nicht, wann und wo der nächste Brand gelegt werden wird.