Pendler als ProblemBraucht Feuerwehr Profis, um Miliz zu unterstützen?
Feuerwehrdienst leisten in der Schweiz vor allem Freiwillige. Doch deren Arbeitsort ist immer öfter zu weit entfernt. Der Verband prüft darum neue Systeme.
Die Feuerwehr in der Schweiz ist dank besserer Technik, Taktik und Ausbildung in den letzten Jahren schlanker und effektiver geworden. Leisteten die Feuerwehren um die Jahrtausendwende noch mit einem Personalbestand von rund 150'000 Personen um die 70'000 Einsätze, sind es heute noch rund 90'000 Feuerwehrleute, die eine ähnliche Anzahl Fälle zu bewältigen haben.
«Aus gesamtschweizerischer Sicht verfügen wir über genügend Feuerwehrleute, wobei es lokal durchaus Rekrutierungsprobleme geben kann», sagt Stefan Häusler, Generalsekretär der Feuerwehr-Koordination Schweiz zur «Sonntagszeitung». Schwieriger sei es, genügend Frauen und Männer für die Kaderfunktionen zu finden. Beim Personal habe man nun die Talsohle erreicht, sagt auch Urs Bächtold Direktor des Schweizerischen Feuerwehrverbands.
Immer weniger arbeiten dort, wo sie wohnen
Viel grössere Probleme bereitet den Feuerwehren aber ein anderes Thema: Die Erfüllung der Schutzziele. Die Schutzziele bestimmen, in welcher Zeit und mit wie viel Einsatzkräften die Feuerwehr nach Alarmauslösung mindestens vor Ort sein muss. In städtischen Gebieten beträgt die Ausrückzeit maximal 10 Minuten, ländlichen Gebieten 15 Minuten. Die Anzahl der Einsatzkräfte richtet sich nach der Art des Einsatzes. In der Regel sind es mindestens acht Personen.
Die Erfüllung dieser Schutzziele gelingt immer weniger Feuerwehren. Probleme bereitet den Gemeinden vor allem die Tagesverfügbarkeit ihrer Einsatzkräfte. Dies liegt einerseits an den Unternehmen, die ihre Leute nicht mehr gehen lassen wollen, wie Stefan Häusler von der Feuerwehr-Koordination gegenüber der «Sonntagszeitung» bestätigt. Das Hauptproblem bei Ereignissen den Tag durch liegt aber woanders: Immer weniger Schweizer arbeiten dort, wo sie wohnen.
Die Feuerwehr musste wegen eines Wohnungsbrandes neun Personen evakuieren. Zwei Personen wurden per Drehleiter gerettet, weil der Fluchtweg versperrt war.
Arbeitsgruppe sucht nach Lösungen
Laut Bundesamt für Statistik sind dies nur noch knapp 30 Prozent. «Das ist gerade für kleine Dörfer eine Herausforderung», sagt der Aargauer Feuerwehrinspektor Urs Ribi gegenüber der «Sonntagszeitung». Man habe zwar genügend Leute, aber tagsüber seien die allermeisten weit weg bei der Arbeit. In 10 Minuten einsatzbereit in der Wohngemeinde zu sein, sei für sie nicht möglich. «Dann braucht es die Unterstützung aus der Nachbarsgemeinde.»
Unweit des Bahnhofs Enge entfernt, brannte am Sonntagabend ein Auto in der Stadt Zürich. Die Feuerwehr konnte den Brand schnell löschen.
Eine Lösung des Problems war entsprechend die Fusion von Gemeinden zu Feuerwehrorganisationen. Das Problem der Tagesverfügbarkeit löst dies aber auch nicht genügend. Eine Arbeitsgruppe des schweizerischen Feuerwehrverbands und die Feuerwehrkoordination suchen nun nach Lösungen.
Professionelle sollen Milizsystem verstärken
Einzelne Kantone haben bereits eigene Konzepte entwickelt. «Es braucht bei der aktuellen Entwicklung eine gewisse Professionalisierung», sagt etwa Werner Stampfli vom Kanton Basellandschaft. Dort will man bei den Regionalfeuerwehren tagsüber Stellen für festangestellte Einsatzkräfte schaffen. 2019 wird in Liestal ein Pilotversuch gestartet.
Der stellvertretende Berner Feuerwehrinspektor Hans Peter Scholl kann sich so ein System ebenfalls vorstellen. «Die Milizfeuerwehr wird es aber weiterhin geben, reine Berufsfeuerwehren wären zu teuer.»
Feuerwehrdienst in der Arbeitsgemeinde
Im Kanton Zürich sucht man nach anderen Lösungen und setzt dabei weiter auf das Milizsystem. So will man vermehrt auf Freiwillige setzen, die dort Feuer bekämpfen, wo sie arbeiten. «Bereits leisten 400 Freiwillige nicht nur Dienst in der Wohngemeinde, sondern auch in der Arbeitsgemeinde», sagt Kurt Steiner, Leiter Feuerwehr bei der GVZ Gebäudeversicherung Kanton Zürich.
Im Bündnerland will man ebenfalls so eine Lösung suchen. Dort gibt es aber auch grundsätzliche Engpässe, die man derzeit mit einer verstärkten Rekrutierung bei den Jugendlichen zu lösen versucht.