«Wir sind alle entsetzt»Bündner Schulratspräsident vergleicht Corona mit Karies
Die Gemeinde Zernez zeigt den Bündner Corona-Tests an Schulen die Rote Karte. «Der Begriff ‹Corona-Skeptiker› ist hier wohl angebracht», sagt eine Mutter.
Darum gehts
95 Prozent der Bündner Schulen nehmen an den grossflächigen Corona-Spucktests teil. Durch die wöchentlichen Testungen will der Kanton Infektionsketten frühzeitig erkennen und unterbrechen.
Die Speicheltests sind freiwillig, bei einem positiven Fall in der Klasse gehen nicht getestete Kinder aber immer in Quarantäne.
Die Gemeinde Zernez macht bei den Corona-Tests an Schulen nicht mit.
Die Erkärung des Schulratspräsidenten empört diverse Eltern.
Seit Anfang März führt der Kanton Graubünden flächendeckend Corona-Massentests an Schulen durch. Rund 95 Prozent der Schulen haben sich bereits für die wöchentlichen Testungen angemeldet, wie Radiotelevisiun Svizra Rumantscha kürzlich berichtete. Im Gegensatz zur überwiegenden Mehrheit der 144 Graubündner Schulen hat sich die Gemeinde Zernez aber gegen eine Teilnahme entschieden. Auf eine Anfrage besorgter Eltern schreibt Beat Schärer, Schulratspräsident der Gemeinde Zernez GR, in einem E-Mail: «Gehen Sie, um sich die Zähne gesund zu erhalten, auch jede Woche zum Zahnarzt in die Kontrolle?»
Die ganze Welt postuliere die Tests als das «absolute Wundermittel gegen Corona», ohne dass sich wirklich etwas verändern würde, schreibt Schärer weiter. Das Gleiche gelte für die Maskentragpflicht bei Schulkindern. «Dass das Maskentragen nicht wirklich gesund für unsere Kinder ist, da sie zu wenig Sauerstoff bekommen, ist auch ein Fakt, den sich niemand zu sagen getraut.»
Aus diesen Gründen habe der Schulrat beschlossen, sich dem Mainstream zu verweigern und «sich der Vernunft zuzuwenden», so Schärer. «Im Wissen darum, dass die Eltern der Schulkinder vernünftige Leute sind, die das verstehen, wurde dieser Entscheid gefällt.»
Lehrerschaft ohne Mitspracherecht
Corona mit Karies zu vergleichen, sei «etwas zu weit gegriffen», sagt eine betroffene Mutter zu 20 Minuten. «Zudem ist es nicht sehr feinfühlig allen direkt Betroffenen gegenüber.» Obwohl sie den Begriff der «Corona-Skeptiker» nicht gerne brauche, sei er hier wohl angebracht: «Es gehört sich nicht für jemanden aus der Schulkommission, Behauptungen wie etwa jene über Schutzmasken aufzustellen, die längst mehrfach widerlegt sind.»
Sie stört sich am Ton des Mails: «Nur weil ich für Tests bin, bin ich weder unvernünftig noch dumm.» Den Entscheid der Schulgemeinde, bei den vom Kanton Graubünden vorgeschlagenen Corona-Speicheltests nicht mitzumachen, könne sie nicht nachvollziehen. Die Massentests im Kanton hätten funktioniert, das zeigten die Zahlen. «Viele andere Eltern teilen meine Meinung. Wir sind alle ziemlich entsetzt, dass sich die Schule den Corona-Tests verweigert.»
Von einem befreundeten Lehrer habe sie erfahren, dass die Lehrerschaft geschlossen für die Einführung der Tests gewesen sei, so die Mutter. «Sie fühlen sich jetzt vor den Kopf gestossen», sagt die Mutter. Zumal sie gar kein Mitspracherecht bei der Entscheidung gehabt hätten. «Und das, obwohl sie im Gegensatz zum Schulrat täglich in Kontakt mit den Kindern sind.»
«Übertriebene» Test-Offensive
Dass seine Ansichten mit jenen der Corona-Massnahmen-Skeptiker übereinstimmten, sei ihm bewusst, sagt Schulratspräsident Beat Schärer. «Ich sehe nicht ein, wieso man jede Woche gesunde Leute testen sollte.» Die Schule der Gemeinde Zernez habe bis jetzt keinen einzigen Corona-Fall verzeichnet. «Dass wir nun trotzdem alle 160 Kinder vom Kindergarten bis hin zur Oberstufe testen sollen, geht einfach zu weit.»
Die Test-Offensive des Kantons und des Bundes sei seiner Meinung nach übertrieben, sagt Schärer. Für ihn sei es schlicht eine «Verschwendung von Steuergeldern» mit der Hoffnung, dass etwas Positives dabei herauskomme. «Dass Gesunde getestet werden, nur damit sie getestet sind, geht mir nicht in den Kopf.»
«Grosszügiges Testen bei Kindern lohnt sich»
Das Ziel der Massentests sei es, asymptomatische Corona-Infizierte frühzeitig zu identifizieren und so die Infektionsketten zu unterbrechen, sagt Martin Liesch, medizinischer Leiter beim Ärztenetzwerk Graubünden grisomed. «Gerade bei Kindern, die öfter asymptomatisch sind als die ältere Bevölkerung, lohnt sich ein grosszügiges Testen.» Er unterstütze deshalb die Offensive für die freiwilligen Tests an Schulen, sagt Liesch. «Meiner Meinung nach ist es einem Kind zuzumuten, einmal pro Woche in ein Töpfchen zu spucken.»
Die Aussage, dass Maskentragen die Gesundheit von Schulkindern beeinträchtige, sei falsch, sagt Liesch. «Aus ärztlicher Sicht gibt es diesbezüglich keine gesundheitlichen Bedenken.» Die Kinder sollten aber nachvollziehen können, wieso und wie sie eine Maske tragen sollten.
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