Notfallaufnahme: Bagatellen sollen mit 50 Franken «gebüsst» werden

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«Bürokratiemonster»50-Stutz-Gebühr für Bagatell-Notfälle vor dem Durchbruch?

Wer wegen einer Kleinigkeit die Notfallaufnahme aufsucht, soll in Zukunft mit einer Gebühr «gebüsst» werden – das fordern bürgerliche Politiker. Die linke Ratshälfte hält dagegen und warnt vor höherem administrativen Aufwand.

Viele Menschen besuchen wegen kleinerer Verletzungen oder einigermassen harmlosen Erkrankungen die Notfallaufnahme.
Um dagegen vorzugehen, soll in Zukunft eine Gebühr von 50 Franken pro Patient anfallen.
Dies fordert ein Vorstoss von GLP-Politiker Martin Bäumle.
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Viele Menschen besuchen wegen kleinerer Verletzungen oder einigermassen harmlosen Erkrankungen die Notfallaufnahme.

Tamedia

Darum gehts

  • Die Gesundheitskommission des Nationalrats trifft sich nächste Woche zur  Sitzung.

  • Unter anderem auf dem Programm: ein Vorstoss, der fordert, dass bei Bagatellfällen in der Notaufnahme eine Gebühr gezahlt werden muss.

  • Rechte Stimmen unterstützen den Vorstoss, da dieser Notaufnahmen entlasten würde.

  • Der Spitalverband H+ sowie linke Gegenstimmen warnen vor mehr administrativem Aufwand und unklaren Richtlinien.

Ein verstauchter Knöchel, Kopfschmerzen oder Bauchweh – alles Gründe, die Menschen dazu verleiten, die Notaufnahme aufzusuchen. Dort könnte es in Zukunft jedoch für die Patientinnen und Patienten nicht nur eine medizinische Erstbehandlung geben, sondern auch eine Gebühr von 50 Franken.

Die überfüllten Notfallstationen der Spitäler sind in der Politik schon länger Thema. Der Vorstoss des Zürcher Ex-GLP-Nationalrats Thomas Weibel, den GLP-Nationalrat Martin Bäumle nun übernommen hat, fordert eine Gebühr für Bagatellfälle, um die Spitäler zu entlasten. Die Kommission für soziale Sicherheit und Gesundheit des Nationalrats (SGK-N) behandelt das Thema nächste Woche.

Kantone sollen Änderung einführen dürfen, wenn sie wollen

«Viele Leute gehen oftmals wegen Kleinigkeiten in den Notfall und belasten diesen – ihretwegen müssen dann Patienten, die wirklich akute Hilfe benötigen, länger warten», kritisiert Bäumle. Zudem sei die Behandlung in der Notaufnahme auch massiv teurer. «Verschiedene Kantone mit überlasteten Notfallstationen wollen deshalb diese Gebühr für Bagatellfälle schon längst einführen – derzeit fehlt aber die gesetzliche Vorlage auf Bundesebene», erklärt Bäumle die Idee.

Doch was würde als Bagatellfall gelten, was nicht? Das werde am Schluss im Einzelfall beurteilt werden müssen, meint Bäumle. «Der Bund wird wohl Eckwerte vorgeben, doch letztlich muss dies kantonal geregelt werden – denn es braucht eine gewisse Vereinheitlichung», so der GLP-Mann. Er plädiere dafür, Pragmatismus walten zu lassen. Bäumle erklärt: «Klar, wir revolutionieren mit dieser Massnahme nicht das Gesundheitswesen – aber es ist eine kleine Massnahme zur Kostendämpfung, die niemandem wehtut.»

Auch der Solothurner SVP-Nationalrat Rémy Wyssmann unterstützt den Vorstoss. Die Gebühren von 50 Franken schätzt er als zumutbar ein: «Wer ein effektives Leiden hat, ist auch bereit, diese moderate Abgabe zu bezahlen.» Er sieht keine Gefahr dafür, dass Personen dadurch weniger schnell ärztliche Hilfe aufsuchen.

«Argumente dafür haben sich in Luft aufgelöst»

SP-Nationalrätin Sarah Wyss hingegen hofft, dass der Vorstoss endlich versenkt wird: «Seit drei Jahren wälzen wir dieses Thema – mittlerweile haben sich alle Argumente dafür in Luft aufgelöst.» Sie sieht drei Gründe gegen eine Gebühr: «Erstens riskieren wir damit, dass die Menschen zu spät in die Notfallaufnahme gehen – das kann schlimmstenfalls nicht nur ihre Gesundheit schädigen, sondern lässt auch die Gesundheitskosten weiter steigen. Und zweitens frage ich mich: Wer entscheidet, ab wann es ein Bagatellfall ist?» Gehe man etwa mit Bauchschmerzen in den Notfall, könne dies ein Bagatellfall, aber genauso gut eine Blinddarmentzündung sein, bei der erst eine Diagnose Aufschluss gebe.

Für SP-Politikerin Sarah Wyss ist unklar, ab wann Patientinnen und Patienten in der Notfallaufnahme als Bagatellfall gelten.

Für SP-Politikerin Sarah Wyss ist unklar, ab wann Patientinnen und Patienten in der Notfallaufnahme als Bagatellfall gelten.

20min/Matthias Spicher

«Letztlich würde diese Gebühr einen riesigen administrativen Aufwand mit sich bringen und sich zum absoluten Bürokratiemonster entwickeln», kritisiert die Basler Gesundheitspolitikerin. Den Umstand, dass viele Menschen aufgrund fehlender Hausärzte den Notfall aufsuchten, müsse man anders bekämpfen – etwa mit Investitionen in die Ausbildung von Fachkräften.

Spitalverband wehrt sich gegen zusätzlichen administrativen Aufwand

Der Spitalverband H+ ist von der Idee der Gebühren ganz und gar nicht überzeugt. «Die Erhebung dieser Gebühr würde die administrativen Aufgaben der Spitäler weiter steigern», erklärt Direktorin Anne-Geneviève Bütikofer.

Was hältst du von einer Gebühr für Bagatellfälle im Notfall?

Gerade in einer Notfallstation seien die personellen Ressourcen für die «wirklich wichtigen Dinge», also die Behandlung der Patientinnen und Patienten zu nutzen. Zudem sei die Definition darüber, was ein Bagatellfall sei, «enorm schwierig und nicht objektiv», warnt sie. Es sei kaum möglich, hier eine klare und umsetzbare Definition zu finden.

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