Ausserordentliche Erklärung – Schweiz übernimmt EU-Sanktionen, friert aber Gelder nicht ein

Livetickeraktualisiert am Donnerstag, 24. Februar, 2022

Ausserordentliche ErklärungSchweiz übernimmt EU-Sanktionen, friert aber Gelder nicht ein

Bundespräsident Ignazio Cassis äusserte sich zum Thema Ukraine. Die Schweiz wird die EU-Sanktionen gegen Russland mehrheitlich übernehmen.

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von
Newsdesk

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Donnerstag, 24.02.2022

Zusammenfassung der Medienkonferenz

  • Bundespräsident Ignazio Cassis hat eine Erklärung veröffentlicht, ist dann jedoch an der Medienkonferenz nicht für Fragen zur Verfügung gestanden.

  • Der Bundesrat hat vor, die Sanktionen der EU mitzutragen, damit sie nicht über die Schweiz umgangen werden können. Da dies nicht automatisch geschieht, entsteht jeweils eine zeitliche Verzögerung im Vergleich zur EU. Im Falle von Duma-Mitgliedern und Oligarchen auf Sanktionslisten geht dies rasch, in anderen Fällen kann der Nachvollzug länger dauern.

  • Im Finanzsektor gibt es Unterschiede zur EU. Es gibt aktuell keine Absicht, Gelder einzufrieren. Die Schweiz akzeptiert jedoch keine neuen Gelder von sanktionierten Personen.

  • Migrationsbewegungen werden wohl vorerst noch nicht bis zur Schweiz vordringen. Momentan flüchtet die Bevölkerung allenfalls ins Umland. Christine Schraner Burgener, Staatssekretärin für Migration, betont jedoch, dass man sicher niemanden zurückschicken werde und solidarisch mit den Ukrainerinnen und Ukrainern sei.

  • Die Schweiz möchte weiterhin ihre guten Dienste als neutrales Land anbieten, denn letztlich könne ein solcher Konflikt nur auf diplomatischem Wege beendet werden.

Ende der Medienkonferenz

Damit ist die Medienkonferenz beendet. Hier folgt in Kürze eine Zusammenfassung der wichtigsten besprochenen Punkte.

Was gab es im Cyberbereich für Angriffe?

Es seien eher wenig Cyberangriffe auf wichtige Infrastruktur aufgefallen, so Bühler von Bundesnachrichtendienst. «Es gab einige Propaganda- Angriffe, etwa die Verunstaltung wichtiger Websites», erklärt Bühler weiter. Zudem gebe es Hinweise auf Schläfer-Programme, welche gewisse Websites lahmgelegt hätten.

Auf die Schweiz habe es noch keine Aktivitäten gegeben.

Vergleich zur Annexion der Krim

2014 habe es Verbote der EU für die Krim und Sewastopol gegeben, welche die Schweiz übernommen habe. Dies sei nun der gleiche Fall, erklärt Botschafter Bollinger.

Welche Sanktionen die Schweiz denn nicht?

Momentan gebe es keine neuen Sanktionen der EU, die die Schweiz nicht übernehme. Der einzige Unterschied sei, dass die Gelder nicht eingefroren würden. Wobei auch dieses System verschärft werde, so Erwin Bollinger.

Warum ist ein Mitglied des Geheimdienstes anwesend?

Er sei hier hinbestellt worden, sagt Jürg Bühler vom Nachrichtendienst des Bundes. Zur Sicherheitslage äussert er sich jedoch nicht konkret.

Welche Chance sieht die Schweiz in ihrer Rolle als bewaffnetes neutrales Land?

«Unser staatliches Konzept steht nicht zur Diskussion», sagt Livia Leu. Die europäische Sicherheitsarchitektur müsse aktuell wiederhergestellt werden. Es brauche Dialog. «Die OSZE muss wieder Schwung aufnehmen», so Leu. Die Neutralität habe ihre Chancen im Bereich der guten Dienste. «Die Vermittlerrolle nützt, weil sie nicht Partei ergreift», so Leu. «Die Russen kennen unsere Positionen sehr genau», betont sie.

Ziehen die Russen nun rasch ihre Gelder aus Schweizer Banken ab?

Das System sei so angelegt, dass es immer einen Verzug im Vergleich zur EU geben werde. Man arbeite an der Umsetzung so rasch wie möglich, jedoch gebe es immer einen Gap aufgrund des Systems. Personenlisten würden beispielsweise rasch angepasst, während kompliziertere Sanktionen länger dauern könnten. Abflüsse könnten nicht verhindert werden.

Wie kann man nichts beschliessen, wenn das Völkerrecht mit Füssen getreten wird?

Livia Leu sagt, Herr Bollinger habe doch gerade erklärt, dass durchaus etwas unternommen werde.

Hand aufs Herz: Was haben die guten Dienste der Schweiz gebracht?

Livia Leu gibt zu, dass die «guten Dienste» der Schweiz nur bedingt halfen. «Ein Konflikt muss jedoch immer im Dialog beendet werden», gibt Leu zu bedenken. Man wolle weiterhin als Plattform für Verhandlungen dienen, wenn dies gewünscht sei.

Warum übernimmt die Schweiz die Sanktionen nicht eins zu eins?

Die Schweiz übernehme nie Sanktionen der USA. Man übernehme nur Sanktionen der EU, des wichtigsten Handelspartners. «Die Schweiz ist ein neutrales Land», betont Livia Leu, die Staatssekretärin des EDA.

Was hat der Bundesrat nun genau beschlossen?

Der BR habe die Verletzung der territorialen Integrität der Ukraine als solche eingeordnet. Nun sei Russland klar eine Konfliktpartei, während es sich vorher noch als Nicht-Partei bezeichnete. Die Umsetzung bzw. der Nachvollzug von Sanktionen nehme noch Zeit in Anspruch, da sie innerhalb einer bürokratischen Verordnung erfolgten.

Gibt es genügend unabhängige Beobachter in der Ukraine?

Die Situation in der Ukraine habe sich seit zwei Tagen stark verändert, denn nun befinde man sich in der Situation einer militärischen Intervention. Es sei unklar, ob die OSZE sich auf einen Weg einigen könne.

Nimmt die Schweiz Flüchltinge aus der Ukraine auf?

Man sei mit Frontex im Austausch und erwarte Migrationsbewegungen, so Christine Schraner Burgener, Staatssekretärin für Migration. Momentan passieren die Migrationsbewegungen jedoch noch vornehmlich in der Ukraine selber, zudem vor allem in die angrenzenden Staaten. «Wir werden uns mit den Ukrainerinnen und Ukrainern solidarisch zeigen», betont Schraner Burgener.

«Wir werden sicher niemanden zurückschicken», so Schraner Burgener weiter. Im Rahmen von Schengen werde die Flüchtlingsfrage sicher ein Thema sein.

Firmen dürfen härtere Sanktionen anwenden

Auf die Frage eines Journalisten, ob Schweizer Firmen härtere Sanktionen anwenden dürfen als der Bund das vorsieht, antwortet Livia Leu, dass das möglich sei, so lange es nicht Schweizer Recht verletze.

Wie sind die Sanktionen im Bankenwesen?

Zu den Geldern sei der aktuelle Kurs, dass keine neuen Gelder von Personen aus der Sanktionsliste angenommen werden, jedoch immer noch abgehoben werden könne. Die deponierten Gelder bleiben. Es gebe eine Meldepflicht, erklärt Bollinger. Damit sind die Sanktionen der Schweiz in diesem Bereich weniger hart als jene der EU.

Wo liegt der Unterschied zu den EU-Sanktionen denn?

Bollinger gibt zu, dass es in der Wirkung des Schweizerischen Weges wohl keinen wirklichen Unterschied gebe zu den EU-Sanktionen.

Übernimmt die Schweiz also die EU-Sanktionen, sagt dies aber nicht so?

Erwin Bollinger verneint, es sei nicht eine rein sprachliche Unterscheidung. Bei der Lieferung von Rüstungsgütern gehe man beispielsweise einen anderen Weg als die EU.

«Keine autonome Sanktionen»

Die Schweiz übernehme automatisch Sanktionen der UNO und teilweise jene der EU. «Wir haben keine autonomen, unilateralen Sanktionen», ergänzt Livia Leu, die Staatssekretärin des EDA. Das Embargo-Gesetz sei ein Nachvollzugsgesetz.

Die Schweiz müsse nun laufend überprüfen, inwiefern sie über Umgehungsverhinderung Sanktionen der EU umsetzen kann.

Was hat der BR in Sachen Sanktionen genau beschlossen?

Ein Journalist fragt, ob der Bundesrat jetzt aktive Sanktionen beschlossen habe. Botschafter Erwin Bollinger betont, man wolle die Umgehung über die Schweiz verhindern. Duma-Mitglieder sowie Banken werden sanktioniert. Dazu kämen Lieferverbote und andere wirtschaftliche Sanktionen, wo es keine Unterschiede zur EU gebe. «Das System ist so, dass wir nur nachvollziehen können, was die EU macht», erklärt Bollinger. Darum gebe es automatisch einen zeitlichen Gap.

«Wir werden uns an die EU bezüglich Sanktionen anlehnen», sagt Bollinger weiter. Eigene Sanktionen seien aktuell nicht geplant. Bei sogenannten Dual-Use-Gütern müsse man noch abklären, wie man Umgehungen über die Schweiz verhindern könne.

Ende der Erklärung

Damit schliesst Ignazio Cassis bereits wieder. In Kürze können Medienschaffende Fragen an die anwesenden Fachexpertinnen und Fachexperten richten.

Renaissance der Machtpolitk

Weil die Machtpolitik eine Renaissance erlebe, unterstütze die Schweiz alle Massnahmen, die die Friedensordnung wiederherstellen können. Es sei wichtig, an die Dialogbereitschaft anzuknüpfen.

Europäische Friedensordnung

«Die Friedensordnung Europas ist heute in Frage gestellt», sagt Cassis. Dies sei ein Spiegel für die geopolitische Lage, die durch verhärtete Fronten geprägt sei. «Das gegenseitige Vertrauen hat abgenommen, militärisch wird aufgerüstet», betont der Bundespräsident. Trotzdem hätte es auch Dialog gegeben, mit der EU, auch mit der OSZE.

Sanktionen gegen Russland

Der Bundesrat nehme eine klare Haltung ein. Finanz- und Reisesanktionen gegen Banken und Mitglieder der Duma sowie gegen Geschäftspersonen seien erlassen worden. «Heute hat der Bundesrat seine Haltung verschärft», sagt Cassis – insbesondere im Finanzbereich. Im Finanzbereich passe man sich den EU-Sanktionen an.

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