BundesratssitzungBundesrat sagt Nein zur «Nachhaltigkeitsinitiative» der SVP
Die Regierung trifft sich zur letzten Sitzung vor der politischen Sommerpause. Traditionell dürfte der Bundesrat an diesem Termin eine umfangreiche Traktandenliste abzuarbeiten haben.
Darum gehts
Der Bundesrat trifft sich zur letzten Sitzung vor den Sommerferien.
Meist ist diese Sitzung reich befrachtet, weil vieles noch vor den Ferien abgearbeitet werden soll.
Am Donnerstag und Freitag ist die Regierung auf ihrer traditionellen «Schulreise». Dieses Mal geht es ins Wallis.
Netflix & Co. müssen bald deine ID kontrollieren
Der Bundesrat hat beschlossen, dass das verschärfte Gesetz zum Jugendschutz in den Bereichen Film und Videospiele ab dem 1. Januar 2025 in Kraft tritt. Damit Kinder und Jugendliche nicht an unangemessene Inhalte rankommen, müssen Netflix und Co. dann eine Alterskontrolle durchführen. «Streaming-Dienste müssen die Volljährigkeit der Nutzerinnen und Nutzer überprüfen, bevor sie den Zugang zu Inhalten freigeben, die nur für Erwachsene bestimmt sind», sagt der Bundesrat. Heute bedeutet das in der Praxis, dass du ab kommendem Januar deine ID bei Netflix & Co. vorzeigen musst, künftig soll die Alterskontrolle aber auch mit der geplanten E-ID möglich sein, so die Regierung. Die Alterskontrolle war in der Vernehmlassung zur Verordnung höchst umstritten.
Bundesrat lehnt Heiratsstrafe- und AHV-Initiative der Mitte ab
Die Volksinitiative der Mitte «Ja zu fairen Bundessteuern auch für Ehepaare» will die Heiratsstrafe abschaffen. Doch die Initiative torpediere die Bemühungen zur Einführung einer Individualbesteuerung, sagt der Bundesrat. Deswegen empfiehlt er die Initiative ohne Gegenvorschlag zur Ablehnung.
Auch die Volksinitiative «Ja zu fairen AHV-Renten auch für Ehepaare – Diskriminierung der Ehe endlich abschaffen!» – ebenfalls von der Mitte-Partei lehnt die Regierung ohne Gegenvorschlag ab. Die Initiative fordert, dass die derzeit maximale Rente für Ehepaare von 150 Prozent der maximalen AHV-Rente abgeschafft wird und Ehepaare so den gleichen Maximalbetrag bekommen können, wie Unverheiratete. Doch die Kosten von 3,7 Milliarden Franken pro Jahr, seien zu hoch, sagt die Regierung.
Nein zu «Nachhaltigkeitsinitiative» der SVP
Der Bundesrat lehnt die Initiative «Keine 10-Millionen-Schweiz!», auch bekannt als Nachhaltigkeitsinitiative der SVP ab – und zwar ohne Gegenvorschlag – das hat die Regierung in einem Richtungsentscheid beschlossen. «Nach Ansicht des Bundesrats hätte die Annahme der Initiative negative Auswirkungen auf die Wirtschaft, den Wohlstand und das Funktionieren der Gesellschaft», sagt er.
Bundesrat lehnt Blochers Neutralitätsinitiative ab – ohne Alternative
Die Neutralitätsinitiative von SVP-Doyen Christoph Blocher soll ohne Gegenvorschlag zur Abstimmung kommen, das hat der Bundesrat entschieden. Gleichzeitig hat der Bundesrat auch entschieden, die Initiative zur Ablehnung zu empfehlen. Die Definition von Neutralität, wie sie die Initiative fordert, sei zu starr, so die Regierung.
So dürfte die Schweiz bei einer Annahme beispielsweise nur noch UNO-Sanktionen mittragen. Da die Organisation aber beispielsweise im Ukraine-Krieg wegen russischen Vetos blockiert ist, kann die UNO keine Sanktionen gegen den Angreifer Russland erlassen. Die Schweiz übernimmt darum die Sanktionen der EU. «Der Bundesrat ist der Ansicht, dass ein Mittragen von international breit abgestützten Sanktionen im Interesse der Schweiz ist», sagt die Landesregierung.
Blochers Initiative will der Schweiz auch die Zusammenarbeit mit Bündnissen wie der NATO verbieten, stattdessen soll die Schweiz «immerwährend und bewaffnet» neutral sein – ausser das Land würde direkt angegriffen. Doch auch hier fühlt sich der Bundesrat in seiner Handlungsfähigkeit zu sehr eingeschränkt. Er schreibt: «Auch die Zusammenarbeit mit Militär- und Verteidigungsbündnissen liegt nach Ansicht des Bundesrats im Interesse der Schweiz.» Der Beitritt zu einem solchen Bündnis sei bereits heute nach Neutralitätsrecht ausgeschlossen.
Parlament kann Grenzkontrollen bald verschärfen
Die Schengen-Staaten haben sich kürzlich auf neue Regeln für verschärfte Grenzkontrollen geeinigt. Die Schweiz als Mitgliedsland will diese übernehmen, hat der Bundesrat heute beschlossen. Doch die Übernahme der Regeln muss noch durch das Parlament – und könnte dort für heftige Diskussionen sorgen. Denn vor allem die SVP fordert seit längerem schärfere Kontrollen der Landesgrenzen und sammelt derzeit gar Unterschriften für eine Volksinitiative, die dies fordert.
Schweizer Medien sollen von Google & Co. entschädigt werden
Schweizer Medienunternehmen sollen künftig entschädigt werden, wenn grosse Online-Dienste ihre Inhalte nutzen. Der Bundesrat will mit der Einführung des sogenannten Leistungsschutzrechtes der kriselnden Branche unter die Arme greifen – aber auch die öffentliche Debatte in den Medien als Bestandteil der Demokratie stärken.
Diese finde heute zu einem grossen Teil im Internet statt. Viele Angebote von Suchmaschinen, sozialen Medien und Multimedia-Plattformen würden indes auf den journalistischen Leistungen klassischer publizistischer Medien basieren. Weil die oft verwendeten Snippets so kurz sind, sind sie nicht durch das Urheberrecht geschützt.
Daher erhalten Medienunternehmen und Medienschaffende von den Anbietern der Online-Dienste heute keine Vergütung für die Nutzung ihrer Leistungen. Um die Finanzierung zu regeln, sollen die Medien via eine Verwertungsgesellschaft mit den grossen Playern wie Google oder Meta verhandeln.
Der Bundesrat betont, dass das Geschäft in der Vernehmlassung umstritten war. Er erarbeitet nun bis spätestens im Sommer 2025 dennoch einen Gesetzesentwurf, damit das Parlament darüber entscheiden kann.
Google-Schweiz-Länderchefin Christine Antlanger-Winter erklärte kürzlich im 20 Minuten-Interview, dass man das Leistungsschutzrecht ablehne. Google verdiene mit den Inhalten der Medien kaum Geld, argumentierte sie unter anderem. (vuc)
Gleichgeschlechtliche Paare sollen Kinder leichter adoptieren können
Wenn beispielsweise zwei Frauen ein Kind bekommen mittels einer Samenspende oder einer künstlichen Befruchtung im Ausland, ist die nicht austragende Frau rechtlich nicht Elternteil. Das will der Bundesrat ändern - mit einem neuen Gesetz, welches er heute in die Vernehmlassung gegeben hat.
Die Regierung will auf die Voraussetzung «des einjährigen Pflegeverhältnisses», welches normalerweise vor einer Adoption bestehen muss, verzichten. «Dies, weil das Kind in eine gelebte Paarbeziehung hineingeboren wird» und ab Geburt sowohl mit dem rechtlichen Elternteil als auch mit dem sogenannten Wunschelternteil zusammenlebe. «Ausserdem soll die Eignungsabklärung in diesen Fällen vereinfacht und das Adoptionsverfahren möglichst innerhalb von sechs Monaten abgeschlossen werden.» Aber: Dass das Paar vor der Adoption mindestens drei Jahre zusammengelebt haben muss, will der Bundesrat beibehalten.
Vier Vorlagen kommen im November zur Abstimmung
Am 24. November ist das Stimmvolk zum vierten und letzten Mal in diesem Jahr zur Urne gerufen. Der Bundesrat hat entschieden, dass über vier Geschäfte abgestimmt wird.
1. Den Autobahn-Ausbau: Das Parlament hat dafür fünf Milliarden Franken gesprochen, der VCS hat erfolgreich das Referendum ergriffen.
2. Den «Monismus»: Dieser verlangt, dass Gesundheits-Leistungen einheitlich finanziert sind. Ein Komitee aus der Pflege und anderen Gesundheitsakteuren hat das Referendum ergriffen.
3. und 4. Zwei Vorlagen aus dem Mietrecht, gegen die die SP und der Mieterverband das Referendum ergriffen haben. Die eine Vorlage würde die Regeln bei der Untermiete ändern, die andere würde die Kündigung wegen Eigenbedarfs vereinfachen.
Nachrichtendienst: Schweiz sicherheitstechnisch unter Druck
Der Nachrichtendienst des Bundes (NB) hat seinen «Bericht zur Beurteilung der Bedrohungslage» veröffentlicht, den der Bundesrat an seiner Sitzung am Mittwoch gutgeheissen hat. Die Gefahren für die Schweiz haben zugenommen, das Land sei «wachsendem politischem und wirtschaftlichem Druck» ausgesetzt. Dies nicht nur wegen des Ukrainekrieges und seinen Folgen – inklusive verstärkter Spionage-Aktivitäten im Land – sondern auch wegen dschihadistisch motivierten Anschlägen wie jenem, wo ein tunesisch stämmiger Jugendlicher in Zürich einen jüdischen Mann niedergestochen hat. Auch die Gefahr von Links- oder Rechtsextrem motivierten Taten habe zugenommen.
Direkter Gegenvorschlag zur Bargeld-Initiative
Dass der Schweizer Franken die Landeswährung ist und es ihn – aller Digitalisierung zum Trotz – als Bargeld zu beziehen gibt, ist derzeit auf Gesetzesstufe geregelt. Ein Komitee unter Führung der Freiheitlichen Bewegung Schweiz verlangt in der Volksinitiative «Ja zu einer unabhängigen, freien Schweizer Währung mit Münzen oder Banknoten (Bargeld ist Freiheit)», dass das Recht auf Bargeld in der Verfassung verankert wird. Der Bundesrat lehnt die Initiative zwar ab, stellt ihr aber einen direkten Gegenvorschlag gegenüber. «Die schweizerische Währung ist der Franken» und «Die Schweizerische Nationalbank gewährleistet die Bargeldversorgung», soll in der Verfassung stehen. Die Regierung anerkennt damit die Bedeutung, die Bargeld für die Menschen hat. Sollte das Parlament dem direkten Gegenvorschlag ebenfalls zustimmen, kommen sowohl die Initiative, wie auch der Gegenvorschlag zur Abstimmung.
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