Bundesrat hat «mitgefiebert»Bitte um drittes Geschlecht – Jans stimmt Treffen mit Nemo zu
Nach dem ESC-Sieg für die Schweiz will Nemo mit Bundesrat Beat Jans sprechen. Denn das Gesangstalent fordert, dass die Schweiz einen dritten Geschlechtseintrag einführt. Der Bundesrat willigt in das Treffen ein – und der politische Streit hat begonnen.
Darum gehts
Nach dem ESC-Sieg bat Nemo Bundesrat Beat Jans um ein Treffen.
Mit ihm will der ESC-Star über die Einführung eines dritten Geschlechtseintrags sprechen.
Vor zwei Jahren hat sich der Gesamtbundesrat klar dagegen ausgesprochen.
Befürworter hoffen, dass Nemos Sieg frischen Wind in die Debatte bringt.
Nemo hat den ESC-Sieg in die Schweiz geholt. In seinem Gewinnersong beschreibt das Gesangstalent, wie es «den Code geknackt» hat – und aus dem binären Geschlechtersystem ausgebrochen ist. Denn Nemo identifiziert sich weder als Mann noch als Frau.
An der Medienkonferenz nutzt der Siegesact die internationale Bühne dann gleich für ein direktes Statement nach Bundesbern. So war die Antwort auf die Frage, wen Nemo nach der Sendung als erstes anrufen wird, nicht etwa die Oma oder eine Freundin, sondern Bundesrat Beat Jans. Nemo wolle mit ihm ein Gespräch vereinbaren – denn es gebe in der Schweiz noch keinen dritten Geschlechtseintrag. «Das finde ich absolut inakzeptabel», so Nemo.
Jans hat mit Nemo «mitgefiebert» und will den Star treffen

Beat Jans hat mit Nemo «mitgefiebert», wie seine Sprecherin sagt. Die beiden wollen sich zu einem Austausch treffen. Nun suche man noch einen passenden Termin.
20min/Michael ScherrerOffenbar waren sich die beiden bereits vor einiger Zeit einmal über den Weg gelaufen. Das bestätigt Jans’ Sprecherin Kathrin Alder. «Bundesrat Beat Jans hat mit Nemo mitgefiebert. Er freut sich sehr über Nemos Sieg beim ESC und gratuliert herzlich», sagt sie.
Die beiden hätten bereits bei einer früheren Gelegenheit vereinbart, dass sie sich nach dem ESC treffen wollen. «Bundesrat Jans freut sich auf diesen Austausch. Nun wird ein passender Termin gesucht.»
Gemäss Informationen von 20 Minuten hat Jans auf Nemos Telefonbeantworter gesprochen und eine SMS verschickt. Darin gratuliert er zum Sieg. Er sei «unglaublich stolz und begeistert», Nemo habe «Kunstgeschichte geschrieben und für die gesellschaftliche Akzeptanz der queeren Community enorm viel erreicht». Die Schweiz habe Nemo von ihrer besten Seite gezeigt. «Lass uns bald zusammenkommen kommen, um auch über queere Rechte zu sprechen», schreibt Jans am Ende der Nachricht.
Bundesrat lehnt dritten Geschlechtseintrag klar ab
Wie viel das Gespräch bewirken kann, ist indes fraglich. Erst vor zwei Jahren hat der Bundesrat im Auftrag des Parlaments in einem Bericht die Folgen der Einführung eines dritten Geschlechtseintrags dargelegt und kam zum Schluss: Das Ganze hätte weitreichende Konsequenzen, zahlreiche Rechtserlasse müssten angepasst werden.
Zudem sei das binäre Geschlechtermodell nach wie vor stark in der Gesellschaft verankert, weshalb «die gesellschaftlichen Voraussetzungen für die Einführung eines dritten Geschlechts oder für den generellen Verzicht auf den Geschlechtseintrag derzeit nicht gegeben» seien.
Soll die Schweiz einen dritten Geschlechtseintrag einführen?
Grünen-Arslan will «Ausbruch aus binärem Geschlechtsmodell»
Grünen-Nationalrätin Sibel Arslan, die den entsprechenden Vorstoss eingereicht hatte, ist enttäuscht von der Haltung des Bundesrats. Aber sie scheint aus Nemos Sieg neue Hoffnung zu schöpfen.
«Der Sieg Nemos und der Schweiz am ESC freut mich wahnsinnig. Ich gratuliere herzlich. Und noch mehr freut es mich, dass Nemo die Möglichkeit nutzt, um sich für ein Thema einzusetzen, das für viele Menschen wichtig ist, und so auch der politischen Debatte um die Inklusion von Non-Binären mehr Gewicht verleiht», so Arslan. Der Auftritt und der Sieg zeigten, dass die Gesellschaft bereit sei für den «Ausbruch aus dem binären Geschlechtersystem».
Schon bald soll das Justizdepartement berichten, wie die Situation von nichtbinären Personen in der Schweiz verbessert werden kann – auch ohne das binäre Geschlechtermodell aufzugeben.
SVP-Steinemann spricht von «Manipulation im Elfenbeinturm»
Überhaupt nicht begeistert von Nemos politischem Statement ist SVP-Nationalrätin Barbara Steinemann. «Was beim ESC geschieht, ist Manipulation im Elfenbeinturm», findet sie. Man suggeriere, dass Nemo als Sieger des ESC für die Entwicklung einer ganzen Gesellschaft stehe und versuche, damit zu politisieren. «Doch dieser Wettbewerb ist nichts als eine Bubble aus Linken und Queeren», so Steinemann.
Zwar sollten alle sich so ausleben, wie sie wollen und von der Gesellschaft auch akzeptiert werden, findet die SVP-Nationalrätin. Dazu müsse aber nicht das ganze Rechtssystem auf den Kopf gestellt werden.
Zur Debatte dürfte das Thema spätestens dann wieder stehen, wenn das EJPD – unter Beat Jans – seinen Bericht zur Verbesserung der Situation von nichtbinären Personen veröffentlicht. Ein dritter Geschlechtseintrag, wie ihn Deutschland und Österreich seit einigen Jahren kennen, ist zum jetzigen Zeitpunkt in der Schweiz allerdings nicht in Aussicht.
LGBTIQ: Hast du Fragen oder Probleme?
Hier findest du Hilfe:
LGBT+ Helpline, Tel. 0800 133 133
Du-bist-du.ch, Beratung und Information
InterAction, Beratung und Information für intergeschlechtliche Menschen
Lilli.ch, Information und Verzeichnis von Beratungsstellen
Milchjugend, Übersicht von Jugendgruppen
Elternberatung, Tel. 058 261 61 61
Pro Juventute, Beratung für Kinder und Jugendliche, Tel. 147
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