Unternehmer und Linke fordern«Bundesrat muss die Grenze möglichst rasch öffnen»
Nach dem Lockdown wird ab dem 11. Mai schrittweise gelockert – auch an der Grenze. Deutsche Bürgermeister und Schweizer Politiker fordern jedoch mehr.
Darum gehts
- Der Bundesrat will Grenzübergänge in Absprache mit den Nachbarländern wieder öffnen. Die Einreisebeschränkungen bleiben bestehen.
- Dutzende deutsche Bürgermeister fordern aber dezidiert eine vollständige Grenzöffnung zur Schweiz.
- Auch die Zürcher Handelskammer drängt zusammen mit neun weiteren Wirtschaftskammern aus der Schweiz, Deutschland und Österreich auf eine sofortige Öffnung.
- Eine SVP-Politikerin hingegen will besonders die Grenzkontrollen nach wie vor beibehalten.
Die Einreisebeschränkungen werden ab dem 11. Mai gelockert. Der Bundesrat plant, Grenzübergänge «in Absprache mit in- und ausländischen Partnerbehörden» zu öffnen. Schon vor der Coronakrise eingereichte Gesuche von Erwerbstätigen aus dem EU-Raum und Drittstaaten sollen nun geprüft werden. Zudem können Schweizer und EU-/Efta-Angehörige wieder ihre Familien in die Schweiz nachziehen.
Nach wie vor dürfen Ausländer aber nicht ohne weiteres in die Schweiz einreisen: «Die Einreise in die Schweiz ist derzeit nur Bürgerinnen und Bürgern aus der Schweiz, Personen mit einem Aufenthaltstitel in der Schweiz sowie Personen, die aus beruflichen Gründen in die Schweiz reisen müssen oder sich in einer Situation absoluter Notwendigkeit befinden, erlaubt», sagt Sprecher Lukas Rieder vom Staatssekretariat für Migration zu 20 Minuten.
Zollverwaltung rechnet mit mehr Grenzverkehr
Trotzdem rechnet die Zollverwaltung aufgrund der schrittweise Lockerung der Einreisebeschränkungen und der weitere Öffnung der Wirtschaft ab dem 11. Mai mehr Grenzverkehr. «Wir prüfen deshalb, mehr Grenzübergänge zu öffnen, um einen möglichst reibungslosen Verkehrsfluss zu gewährleisten», so Sprecher Matthias Simmen.
Diese Grenzübergänge öffnen am 11. Mai zusätzlich
- Genf: Certoux, Chancy I, Croix-de-Rozon, Landecy
- Graubünden: Spiess
- Jura: Fahy
- Neuenburg: Biaufond
- Solothurn: Flüh
- Tessin: Camedo, Ponte Faloppia, Pizzamiglio, Brusata
- Waadt: Crassier, L'Auberson
- Wallis: Morgins
Doch der Druck, die Grenze zu Deutschland wieder ganz zu öffnen, wächst. Bereits drängen in Deutschland fünfzehn Bürgermeister und zwei CDU-Bundestagsabgeordnete aus grenznahen Regionen in Baden-Württemberg auf eine Öffnung zur Schweiz. Sie beklagen, das Zusammenleben in der Grenzregion sei durch die Grenzschliessung massiv belastet und wandten sich deshalb an Innenminister Horst Seehofer. Dieser will die Grenzkontrollen allerdings bis zum 15. Mai aufrechterhalten.
Handelskammern wollen sofortige Öffnung
Auch in der Schweiz werden die Stimmen für eine Grenzöffnung lauter. So fordert die Zürcher Handelskammer zusammen mit neun weiteren Wirtschaftskammern aus der Schweiz, Deutschland und Österreich die umgehende Öffnung der Schweizer Grenzen. «Kein Tag darf verschenkt werden», schreiben sie in einem Communiqué.
Die Schliessung möge zwar in einem ersten Schritt geboten gewesen sein, so die Wirtschaftskammern. Die Massnahmen und Erfolge gegen das Coronavirus seien allerding auf auf beiden Seiten der Grenze vergleichbar. Deshalb gebe es «keinen sachlichen Grund mehr» die Personenfreizügigkeit «nahezu vollständig zu unterbinden».
«Grenzkontrollen braucht es jetzt nicht mehr»
Regine Sauter, FDP-Nationalrätin und Präsidentin der Zürcher Wirtschaftskammer bekräftigt die Forderung gegenüber 20 Minuten: «Der Bundesrat muss die Grenze möglichst rasch öffnen», sagt sie. Die heute kommunizierten Lockerungen seien ein Schritt in die richtige Richtung, es brauche aber noch mehr.
Aus Sicht der Wirtschaft müssten primär wieder grenzüberschreitende Dienstleistungen erbracht werden können, so Sauter. «Unsere Grenzregion sind wirtschaftlich sehr eng verflochten. Da ist es wichtig, dass der Austausch möglich ist.» Aber auch das freie Zirkulieren im Rahmen der Personenfreizügigkeit müsse wieder gewährleistet sein: «Grenzkontrollen braucht es jetzt nicht mehr.»
SVP will weiterhin Grenzkontrollen
Auch Fabian Molina, SP-Nationalrat und Mitglied der Aussenpolitischen Kommission sagt: «Es ist gut, werden die Einreisebeschränkungen gelockert. Aber das reicht noch lange nicht.» Er hoffe, dass die Grenzen bald wieder ganz geöffnet werden. Schliesslich gebe es wissenschaftlich gesehen keinen Grund, die Grenzen zu schliessen.
«Um das Virus einzudämmen macht es Sinn, die Mobilität einzuschränken, dafür hätte aber nicht gleich die Grenze geschlossen werden müssen», sagt Molina. Dadurch seien nur wirtschaftliche Probleme und menschliches Leid entstanden. Denn viele Menschen seien unnötigerweise voneinander getrennt worden: «Es gibt viele Paare, die einander seit März nicht mehr sehen konnte.» Deren Situation hat sich mit dem heutigen Beschluss des Bundesrates nicht geändert.
Anders sieht das eine SVP-Politikerin. Zwar sei eine erste Öffnung der Grenzen grundsätzlich gut, so Nationalrätin Yvette Estermann. «Allerdings müssen wir vorsichtig bleiben, Grenzkontrollen müssen wir unbedingt weiter beibehalten.» Nur so können weitere Ansteckungen aus dem Ausland verhindert werden.
Es sei klar, dass die Schweiz wirtschaftlich nicht zurückbleiben dürfe. Daher müsse die Einreisebeschränkung gelockert werden. Doch: «Die Gesundheit der Bevölkerung geht ganz klar vor.»