Hakenkreuze und Hitlergrüsse  – Bundesrat schmettert Nazi-Symbol-Verbot ab und stösst alle vor den Kopf

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Hakenkreuze und HitlergrüsseBundesrat schmettert Nazi-Symbol-Verbot ab und stösst alle vor den Kopf

Der Bundesrat will nationalsozialistische Symbole weiterhin nicht unter Strafe stellen. Damit erhitzt er die Gemüter. 

Ein Verbot von Nazi-Symbolen kommt für den Bundesrat nicht infrage.
«Eine Zustimmung des Bundesrates wäre in dieser Hochzeit des Rechtsextremismus wichtig gewesen», sagt ein Twitter-User.
«Der Bundesrat erkennt die Zeichen der Zeit nicht», sagt Jonathan Kreutner, Generalsekretär des Schweizerischen Israelitischen Gemeindebundes.  
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Ein Verbot von Nazi-Symbolen kommt für den Bundesrat nicht infrage.

imago/Ulmer

Darum gehts

Der Bundesrat schmetterte ein Verbot von Nazi-Symbolen ab. Prävention zieht er im Kampf gegen den Gebrauch nationalsozialistischer Symbole ohne Propagandazwecke strafrechtlicher Repression vor. Zwar hält er es für unbestritten, dass das «zur Schau Stellen und Instrumentalisieren» solcher Kennzeichen vor allem etwa für die Opfer des Holocausts von Kennzeichen des Nationalsozialismus «schockierend und sehr belastend» sein können. «Jedoch vermag die öffentliche Verwendung rassistischer Symbole ohne Propagandazweck die Menschenwürde und den öffentlichen Frieden nur mittelbar zu beeinträchtigen.»

Weiter beruft sich der Bundesrat auf die bundesgerichtliche Rechtsprechung. So sei hinzunehmen, dass auch anstössige Ansichten vertreten werden würden, selbst wenn sie für die Mehrheit unhaltbar seien.

Mit der Antwort auf eine Motion von Mitte-Nationalrätin Marianne Binder-Keller erhitzt er die Gemüter. «Eine Zustimmung des Bundesrates wäre in dieser Hochzeit des Rechtsextremismus wichtig gewesen», sagt ein Twitter-User. Ein weiterer schreibt: «Lieber Bundesrat – schämt euch!» Symbole einer völlig intoleranten Geistes- und Gesinnungshaltung zu tolerieren, sei fehl am Platz.

Demütigung der Opfer werde bagatellisiert

Grosses Unverständnis äussert auch der Schweizerische Israelitische Gemeindebund (SIG). Diese Haltung sei nicht nachvollziehbar und unverständlich, schreibt der SIG auf seiner Website. «Der Bundesrat erkennt die Zeichen der Zeit nicht», sagt SIG-Generalsekretär Jonathan Kreutner auf Anfrage. Die Nutzung von Nazi-Symbolen zur politischen Provokation und die einhergehende Demütigung der Opfer werde weiter bagatellisiert.

Laut Kreutner waren Nazi-Symbole in der Öffentlichkeit schon immer ein Problem. «In letzter Zeit, gerade im Zusammenhang von Holocaustvergleichen und der Coronapandemie, haben wir jedoch einen neuen Höhepunkt erreicht.» Viele Menschen hätten eingesehen, dass es jetzt an der Zeit zu handeln sei. «Wir können nicht verstehen, warum der Bundesrat hier aussen vorstehen will.»

Bei Erwachsenen mit einer gefestigten Ideologie, die bewusst und zielgerichtet Hitlergruss oder Hakenkreuze in der Öffentlichkeit verwendeten, griffen Prävention und Aufklärung viel zu kurz, sagt Kreutner. «Es wäre naiv zu glauben, dass hier ein Sensibilisierungstraining helfen würde.»

«Solche Tendenzen im Keim ersticken»

Bei Motionärin Marianne Binder-Keller löst die Bundesratsantwort Kopfschütteln aus. Die Regierung gehe auf ihre Forderung nach einer neuen, eigenständigen Gesetzesgrundlage gar nicht ein. «Sie will sich offensichtlich mit der Problematik nicht beschäftigen und ist sich zu wenig bewusst, wie das in der momentanen Stimmung ankommt. Der Hitlergruss und Judensterne, auf denen ‹ungeimpft› steht, sind einfach ein No-Go.» Dann spreche der Bundesrat auch noch von Meinungsfreiheit und dass er Prävention einem Verbot vorziehe. «Also, von nationalen Präventionsprogrammen gegen Nazisymbolik habe ich noch nie etwas gehört.».

Auch bürgerliche Politiker reagieren kritisch. Die Antwort des Bundesrates befremde ihn, sagt SVP-Nationalrat Thomas Burgherr. «Bei Hakenkreuzen und derartigen Symbolen gilt Nulltoleranz – solche Tendenzen müssen im Keim erstickt werden.» Er gehe davon aus, dass die Motion auch bei seinen bürgerlichen Kolleginnen und Kollegen auf Zustimmung treffen werde.
Frühstens in der Frühlingssession kommt die Motion ins Parlament. 

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