Calmy-Rey: Armut ist weiblich
Die Schweiz ist laut Micheline Calmy-Rey noch weit entfernt von der Gleichstellung zwischen Mann und Frau. Die Bundespräsidentin erinnerte in einer Ansprache im Radio und Fernsehen an den Aufholbedarf der Schweiz.
Gleichzeitig ermunterte sie die Männer, ihr Engagement im Familienleben zu verstärken.
«Uns Schweizerinnen sichert die Verfassung gleiche Rechte zu. Aber das geschriebene Recht ist noch nicht verwirklicht», sagte Calmy-Rey in ihrer Ansprache. Es war das erste Mal, dass sich am Tag der Frau eine Bundespräsidentin an die Bevölkerung wandte.
Calmy-Rey erinnerte daran, dass in der Schweiz die Lohndifferenz zwischen Frauen und Männern für gleiche Tätigkeiten bei zwölf Prozent liegt. Nur in einem von drei an der Börse kotierten Unternehmen habe eine Frau im Verwaltungsrat Einsitz und nur elf Prozent der Hochschulprofessuren seien von Frauen besetzt.
«An solchen Zahlen lässt sich messen, wie weit wir von der Gleichstellung entfernt sind», sagte Calmy-Rey weiter. Der Tag der Frau sei eine gute Gelegenheit, sich daran zu erinnern. Frauen hätten grosse Schwierigkeiten, Beruf und Familie zu vereinbaren. Dafür lägen sie in den Armuts- und Sozialhilfestatistiken vorn. «Armut hat ein weibliches Gesicht - auch in der Schweiz.»
Dabei seien die Frauen unabdingbar für den wirtschaftlichen Erfolg eines Landes. «Wir dürfen uns nicht leisten, weibliches Talent brachliegen zu lassen», sagte Calmy-Rey weiter. Deshalb müsse die Schweiz alles aus dem Weg räumen, was Frauen hindere, am Erwerbsleben gleichberechtigt mitzuwirken. Unter anderem müssten ausreichende und bezahlbare Betreuungsmöglichkeiten für Kinder aller Altersstufen geschaffen werden.
Calmy-Rey redete jedoch auch den Männern ins Gewissen: «Ich rufe alle Partner von berufstätigen Frauen dazu auf, einen fairen Beitrag zur Familienarbeit zu leisten». Die Bundespräsidentin forderte die Männer dazu auf, den Umfang ihres Beitrags zu überprüfen und mit ihrer Partnerin darüber zu sprechen. «Vielleicht sieht sie es ein bisschen anders», so Calmy-Rey.
Die Bundespräsidentin warf in ihrer Ansprache auch einen kurzen Blick auf die internationale Lage der Frau. 70 Prozent der Menschen, die weltweit in Armut lebten, seien Frauen. Frauen seien zudem überproportional von Gewalt, Krieg und Verfolgung betroffen. Gerade auch der Frauen wegen setze sich die Schweiz für eine Stärkung des humanitären Völkerrechts ein.
Ihre Rede schloss Calmy-Rey mit einem Appell: «Liebe Frauen und Männer: Wir haben viel zu tun - packen wir es an!» (dapd)