Beschränkung der Zuwanderung«Cameron stärkt die Position der Schweiz»
Die britische Regierung will offenbar Quoten für Arbeitskräfte aus der EU einführen. Nützt dies der Schweiz bei den Verhandlungen mit der EU?

Am Parteitag der Tories in Birmingham kündigte der britische Premierminister David Cameron an, die Zuwanderung bremsen zu wollen (1. Oktober 2014) .
Der britische Premierminister David Cameron sucht die Konfrontation mit Brüssel: Wie die «Sunday Times» unter Berufung auf Regierungskreise berichtete, plant die konservative Regierung die Einführung von Quoten für Arbeitskräfte aus der EU. Konkret soll die Zahl neuer Sozialversicherungsnummern für EU-Ausländer beschränkt werden, was einer Deckelung der Einwanderung gleichkommt.
Die Regierung hat die Medienberichte noch nicht bestätigt. Sie kündigte aber an, dass Cameron bis Ende Jahr Pläne zur Eindämmung der Einwanderung präsentieren werde. Cameron wird sieben Monate vor den Wahlen von der EU-kritischen Unabhängigkeitspartei UKIP bedrängt. Er hatte schon am Tory-Parteitag vor drei Wochen angekündigt, mit Brüssel über eine Begrenzung der Zuwanderung verhandeln zu wollen. «Grossbritannien wird bekommen, was es will», zitierte ihn die «FAZ».
«Druck könnte Position der EU-Technokraten schwächen»
Die EU hat scharf auf Camerons Pläne reagiert. Die Personenfreizügigkeit sei ein Grundprinzip der EU und nicht verhandelbar, sagte EU-Kommissionspräsident José Manuel Barroso. Es sind die gleichen Argumente, mit denen die EU auf das Ja der Schweiz zur Masseneinwanderungsinitiative reagierte.
Bei der SVP schaut man denn auch mit Argusaugen auf die Insel. «Das Beispiel Grossbritannien zeigt, dass die Personenfreizügigkeit am Ende ist. Die EU wird nicht darum herumkommen, Ausnahmen zuzulassen», sagt etwa SVP-Nationalrat Lukas Reimann. Ansonsten drohe der Austritt Grossbritanniens.
Je stärker die Personenfreizügigkeit unter Druck komme, desto besser sei auch die Verhandlungsposition der Schweiz, so Reimann. «Als Drittstaat haben wir ohnehin eine grössere Souveränität als Grossbritannien. Zudem ist die Zuwanderung gemessen an der Einwohnerzahl in der Schweiz viel höher als in England.»
Auch SVP-Fraktionschef Adrian Amstutz sagt, dass die Schweiz mit ihrem Ja zur Beschränkung der Zuwanderung eine Diskussion in EU-Ländern ausgelöst habe. «Die Schweiz steht nicht isoliert da. Selbst eine im Vergleich zur Schweiz weit geringere Zuwanderung führt in einigen EU-Staaten zunehmend zu Problemen.» Die Politik der EU funktioniere nach dem «Dampfkochtopfprinzip»: «Man sperrt das Problem ein und lässt es in der Hoffnung köcheln, es werde schon nicht explodieren.» Der Druck aus Grossbritannien werde die Position der Brüsseler EU-Technokraten langfristig schwächen.
«Cameron geht es einzig um die Wiederwahl»
Für Europa-Experte Dieter Freiburghaus dagegen ändern die Pläne der britischen Regierung für die Schweiz rein gar nichts: «Natürlich gibt es in der Schweiz jetzt Stimmen, die sagen: 'Seht her, sogar das grosse England ist mit uns.' Aber die EU kann gar nicht von der Personenfreizügigkeit abrücken, da diese im Grundvertrag verankert ist.» Um diesen Vertrag zu ändern, bräuchte es die Zustimmung aller Mitgliedstaaten - laut Freiburghaus ein undenkbares Szenario.
Die EU werde gegenüber Grossbritannien und der Schweiz deshalb die gleiche Position einnehmen und die beiden Staaten dann vor die Wahl stellen, ob sie an der EU oder am Binnenmarkt teilhaben wollen. «Cameron geht es ohnehin nicht um eine Beschränkung der Zuwanderung, sondern einzig um die Wiederwahl. Sieben Monate vor der Wahl versucht er, bei den EU-skeptischen Wählern zu punkten.»
In Grossbritannien lag die Netto-Zuwanderung zuletzt bei 243'000 Personen - verglichen mit rund 80'000 in der Schweiz. Das Königreich hat aber auch fast achtmal mehr Einwohner als die Schweiz.