Champagner und Kopfschuss
Vor dreissig Jahren, am 13. Oktober 1977, wurde die Lufthansa-Maschine «Landshut» entführt. Ziel der Aktion war, die inhaftierten Terroristen der ersten RAF-Generation freizupressen.
Am 13. Oktober 1977 schlugen zwei Männer die Stewardess Hannelore Piegler auf dem Flug LH 181 von Palma de Mallorca nach Frankfurt am Main nieder und rannten an ihr vorbei zum Cockpit der Maschine. Dort holten sie den Copiloten heraus in den Gang und trieben ihn, die fünf Stewardessen und sämtliche 86 Passagiere ins Heck der Boeing 737-200. Zwei mit Handgranaten bewaffnete Frauen unterstützten sie dabei.
Kommando «Martyr Halimeh»
Das palästinensische PFLP-Kommando, das die Lufthansa-Maschine «Landshut» mit dieser blitzschnellen Aktion gekapert hatte, nannte sich «Martyr Halimeh». Sein Anführer, Zohair Youssif Akache, präsentierte sich den Geiseln als «Captain Martyr Mahmud».
Die drei anderen Entführer waren die Palästinenserinnen Souhaila Andrawes alias Soraya Ansari, Hind Alameh alias Shanaz Gholoun und der Libanese Wabil Harb alias Riza Abbasi.
Unterstützung für die RAF
Die Entführer liessen die «Landshut» zunächst nach Rom fliegen und auftanken. Dort stellten sie ihre Forderungen: Die Freilassung von elf in Deutschland inhaftierten RAF-Mitgliedern und von zwei in der Türkei gefangenen Terroristen sowie 15 Millionen Dollar. Die erste Forderung deckte sich mit jener des RAF-Kommandos, das am 5. September den deutschen Arbeitgeberpräsidenten Hanns Martin Schleyer entführt hatte.
Ein fatales Interview
Von Rom aus ging die Odyssee der «Landshut» weiter: Die Maschine flog über Larnaka (Zypern) und Bahrain nach Dubai. Hier gelang es dem Piloten Jürgen Schumann, den Behörden durch diverse Tricks die Anzahl der Entführer mitzuteilen. Doch die Entführer kamen dahinter, denn der Verteidigungsminister von Dubai prahlte in einem Interview mit den Informationen. Schumann musste im Gang niederknien; Mahmud hielt ihm die Pistole an den Kopf und drohte, ihn das nächste Mal zu erschiessen.
Geburtstagstorte für Anna-Maria
Am 14. Oktober orderte Mahmud über Funk eine Geburtstagstorte für die Stewardess Anna-Maria Staringer, als er erfuhr, dass sie an diesem Tag 28 Jahre alt wurde. Kaffee und Champagner bestellte der Terrorist beim Catering des Flughafens ebenfalls. Als die Torte - Nusscreme mit 28 Kerzen und dem Schriftzug «Happy Birthday Anna-Maria» - geliefert wurde, mussten die Passagiere «Happy Birthday to you» singen.
Tod eines Piloten
Von Dubai flog die «Landshut» weiter nach Aden im damaligen Südjemen. Dort wurden jedoch alle Landebahnen blockiert, um die Maschine am Landen zu hindern. Da der Treibstoff zur Neige ging, setzte die «Landshut» auf einem Sandstreifen auf. Kapitän Jürgen Schumann durfte die Maschine verlassen, um das Fahrwerk zu überprüfen. Als er erst nach längerer Zeit zurückkehrte, wurde er von Mahmud im Gang niedergeschlagen und dann mit einem gezielten Kopfschuss ermordet. Seine Leiche durfte erst in Mogadischu, der nächsten Station der Odyssee, aus dem Flugzeug ausgeladen werden.
Erstürmung in Mogadischu
In Mogadischu setzten die Entführer ein Ultimatum bis 15 Uhr MEZ. Bis dahin mussten die RAF-Terroristen aus dem Hochsicherheitsgefängnis Stammheim bei Stuttgart entlassen sein. Um Zeit zu gewinnen, wurde Mahmud zugesichert, der Forderung werde nachgegeben, doch dauere der Transport der Freigelassenen nach Mogadischu mehrere Stunden. Die Entführer verlängerten die Frist bis zum 18. Oktober um 1:30 Uhr MEZ - Zeit genug für das GSG-9-Kommando, den Einsatz vorzubereiten.
Um 0:05 Uhr MEZ am 18. Oktober stürmte das GSG-9-Kommando unter Führung von Ulrich Wegener die «Landshut». Während der siebenminütigen Aktion «Feuerzauber» fanden drei der vier Entführer den Tod, nur Souhaila Andrawes überlebte. Zwei Personen wurden verletzt.
Blutiges Finale des «Deutschen Herbsts»
Nach der Erstürmung der «Landshut» brachten sich die in Stammheim inhaftierten RAF-Terroristen Andreas Baader, Gudrun Ensslin, Jan-Carl Raspe am Morgen des 18. Oktobers um. Irmgard Möller überlebte die «Todesnacht von Stammheim» schwer verletzt. Am folgenden Tag gab die RAF die Ermordung von Hanns Martin Schleyer bekannt. Seine Leiche wurde am 19. Oktober im Elsass gefunden.