Katholische KircheChurer Priesterkreis will Homosexuelle weiterhin diskriminieren
Das Bistum Chur will jegliche Form von Diskriminierung aufgrund der sexuellen Orientierung verbieten. Der Churer Priesterkreis wehrt sich dagegen.
Darum gehts
«Ich unterlasse jegliche Form von Diskriminierung aufgrund der sexuellen Orientierung und Identität.» Gegen diese und weitere Regeln aus einem Verhaltenskodex des Bistums Chur zur Prävention von sexueller Ausbeutung laufen Priester aus dem Churer Priesterkreis Sturm. Der Grund: «Der Verhaltenskodex verletzt mehrfach die Lehre und Disziplin der katholischen Kirche», schreibt der Churer Priesterkreis in einer Mitteilung. Zudem führe der Verhaltenskodex zu einer «institutionalisierten Doppelmoral und damit zur Heuchelei».
Anders sieht das die gesamte Führungscrew im Bistum Chur und den sieben Kantonalkirchen, die den Kodex unterzeichnet haben und das Instrument mittragen. Bischof Joseph Maria Bonnemain ist in seiner Führungsrolle bereit, sich mit dem Kreis über den Kodex und auch die «strittigen Passagen» (siehe unten) auszutauschen, wie es in einer Mitteilung heisst. Dabei geht es jedoch nicht um eine Veränderung der Passagen, sondern um das Schaffen von mehr Verständnis dafür. Der Bischof verweist damit auch an Schulungen und Veranstaltungen, zu denen auch die mehrheitlich anonymen Mitglieder des Priesterkreises eingeladen sind.
Die Kritik des anonymen Priesterkreises betrifft im Wesentlichen die folgenden Passagen, die der Churer Priesterkreis aus dem Verhaltenskodex streichen will:
Ich anerkenne die sexuellen Rechte als Menschenrechte, insbesondere das Recht auf sexuelle Selbstbestimmung.
Ich unterlasse jegliche Form von Diskriminierung aufgrund der sexuellen Orientierung und Identität.
Einem Outing zu sexueller Orientierung stehe ich unterstützend zur Seite und unterlasse es in jedem Fall, Massnahmen zur Konversion (z.B. Gesundbeten, Therapie) zu empfehlen.
Ich verzichte auf pauschal negative Bewertungen von angeblich unbiblischem Verhalten aufgrund der sexuellen Orientierung.
In Seelsorgegespräche greife ich Themen rund um Sexualität nicht aktiv auf. In jedem Fall unterlasse ich offensives Ausfragen zum Intimleben und zum Beziehungsstatus. Dies gilt auch für Gespräche, die ich als Vorgesetzte*r führe.
So begründet der Priesterkreis seine Forderungen
Der Churer Priesterkreis stellt klar, dass sie an der «unverkürzten Lehre und Ordnung der Kirche» festhalten wollten und mit obigen fünf Punkten in einen Gewissenskonflikt gestürzt würden. Die Punkte «verunmöglichen es ihnen, ihrem Bischof zu gehorchen, denn sie würden damit der Kirche und ihrer Lehre untreu». Das sei bei der Homosexualität so: Gemäss dem auf der Bibel basierenden Katechismus seien «homosexuelle Handlungen in sich nicht in Ordnung» und «in keinem Fall zu billigen». Diese kirchliche Lehre könne nach den Regeln des Verhaltenskodex nicht mehr gepredigt werden.
Man bedauere es sehr, dass Bischof Bonnemain «die Hand zum Versuch geboten hat, die LGBT-Ideologie unter dem Deckmantel der Übergriffsprävention in der Kirche zu implantieren und damit die Glaubenslehre der Kirche auszuhöhlen». Der Sekretär des Churer Priesterkreises Roland Graf nahm dazu Stellung, wollte jedoch nicht zitiert werden.
Zustimmung vom Papst
Wie Nicole Büchel, Sprecherin des Bistums Chur sagt, wolle Bonnemain mit dem Verhaltenskodex eine offenere Diskussionskultur im Bistum fördern. «Damit soll nichts ein Tabu sein», sagt Büchel. Das Hauptziel des Verhaltenskodex sei die Prävention von Machtmissbrauch. Um diesen umzusetzen, brauchten alle involvierten Personen Zeit für Diskussion und Austausch. Für seinen Verhaltenskodex erhielt der Bischof sogar indirekt Zustimmung von Papst Franziskus: Vier Wochen nach der Präsentation des weltweit ersten Verhaltenskodex zum Umgang mit Macht, sprach der Papst gegenüber dem Bundespräsidenten Ignazio Cassis seine Anerkennung für Bischof Bonnemain aus.
Federführend bei der Erarbeitung des Verhaltenskodex war die Präventionsbeauftragte des Churer Bistums, Karin Iten. Für sie ist klar: Der Verhaltenskodex wird nicht geändert, die kritisierten Punkte gehören zur Prävention. «Es geht hier um die Würde und Rechte von Menschen - egal welche sexuelle Orientierung sie haben. Diskriminierung ist mit Prävention nicht kompatibel. Zur Seelsorge gehört, sich mit Empathie, Perspektivenwechsel, Selbstreflexion und Menschlichkeit auf Menschen einzulassen», so Iten. Der Verhaltenskodex sei von allen sieben Bistumskantonen unterzeichnet worden und mit einer vielstimmigen Basis partizipativ und in verschiedenen Vernehmlassungsrunden entwickelt worden – auch mit Einbezug aus dem konservativen Lager. «Die meisten Seelsorgenden tragen den Kodex mit», so Iten.
Was hältst du vom Widerstand des Churer Priesterkreises?
Wirst du oder wird jemand, den du kennst, aufgrund der Geschlechtsidentität diskriminiert?
Hier findest du Hilfe:
Gleichstellungsbüros nach Region
Gleichstellungsgesetz.ch, Datenbank der Fälle aus Deutschschweizer Kantonen
Eidgenössisches Büro für die Gleichstellung von Frau und Mann