Constantine: Ambris normaler Wahnsinn

Aktualisiert

«Time-out» mit Klaus ZauggConstantine: Ambris normaler Wahnsinn

Mit Kevin Constantine hat Ambri mehr als einen «harten Hund» als Trainer verpflichtet. Einen Theoretiker, gar einen Detail-Besessenen. Die Rückkehr zum Erfolg?

von
Klaus Zaugg
Kevin Constantine soll Ambri einheizen. (Bilder: Keystone)

Kevin Constantine soll Ambri einheizen. (Bilder: Keystone)

Unser Eishockey hat schon viele «harte Hunde» an der Bande erlebt. Doch jetzt kommt Kevin Constantine (51). Im Vergleich zu diesem «Hockey-Technokraten» sind selbst Bandengeneräle wie Chris McSorley, Pierre Pagé oder Victor Tichonow charmante Kumpels. Am besten erklärt eine verbürgte Episode aus Pittsburgh die Persönlichkeit des neuen Ambri-Trainers. Der grosse Jarmoir Jagr (nur er durfte es wagen, überhaupt das Wort zu ergreifen) steht in der Kabine auf und sagt zu Constantine: «Coach, ich zahle eine Million Dollar, wenn wir heute keine Theorie haben.»

Constantin ist selbst im Vergleich zu Perfektionisten wie Arno Del Curto, Andy Murray oder Larry Huras ein «Workoholic». Ein von seiner Arbeit besessener Mann. Seine Bewunderer sagen, er nütze seinen scharfen Verstand zu 99,9 Prozent ausschliesslich fürs Eishockey. Ein Technokrat, der das Spiel in alle Einzelteile zerlegt, wieder zusammengebaut und ins hinterste Detail ausanalysiert hat. Seine Hockey-Lehrvideos («Total Hockey») sind perfekte Lehrmittel und das Beste, was es dazu auf den nordamerikanischen Markt gibt.

Das Problem liegt darin, dass dieser vielleicht hochkarätigste Hockey-Theoretiker, der je in die Schweiz gekommen ist, seine Detail-Besessenheit auf die Arbeit mit den Spielern überträgt: Seine Theoriestunden sind gefürchtet (wie die Episode von Jaromir Jagr zeigt) und er berücksichtigt kaum, dass Eishockey am Ende des Tages ein Spiel und nicht nur harte Arbeit ist.

Eiskalter Umgang ein Problem?

Im Umgang mit den Spielern wirkt er eiskalt. Seine bevorzugte Kommunikationsform ist der Befehl. Er verströmt den Charme einer Zivilschutzanlage. Ein Hockeygeneral in der extremsten Form und der erste wirkliche General in der Leventina seit Alexander Suwarow, dem russischen Generalissimus, der 1799 gegen die Franzosen vorübergehend den Gotthard erobert hatte. Constantines Persönlichkeit kann ein Problem werden. Weil heute zwischen Coaches und Spielern gerade in der Schweiz eher eine Art Partnerschaft besteht: Der Coach kann nicht einfach befehlen. Er muss auch erklären. Constantin wird einem fragenden Ambri-Star höchstens erklären, wo künftig sein Platz als Ersatzspieler auf der Tribüne ist.

Dass Constatine jetzt in Ambri und nicht mehr in New York, Los Angeles oder Montreal arbeitet, obwohl er in San José, Pittsburgh und New Jersey zwischen 1993 und 2002 in der wichtigsten Liga der Welt durchaus erfolgreich war (377 Spiele, 161 Siege), hat mit wahrscheinlich auch mit seiner starken Persönlichkeit zu tun: Der hochintelligente Amerikaner ist eine «Einzelmaske» und vertraut auf die Kraft seiner Argumente, die Qualität seiner Arbeit und nicht auf gute Beziehungen. Jobs gibt es in der NHL aber nur, wer nebst allen fachlichen Qualitäten auch die richtigen Beziehungen hat und zu einem der vielen «Clans» gehört. Constantine verschwendet keine Zeit für Small Talk und das Knüpfen von Beziehungen. Er geht lieber wieder an die Arbeit.

Eiszeit in Ambri als Chance zum Erfolg

Für Ambri beginnt jetzt die Eiszeit. Der ganz normale Wahnsinn in Form von Detailarbeit und Theorienstunden - und Arbeit, Arbeit, Arbeit. Das ist fürs erste gar nicht so schlecht: Mit hundertprozentiger Sicherheit wird Ambris Spiel in den nächsten Wochen einfacher, strukturierter, defensiv stabiler werden und die Fehlerquote wird zurückgehen.

Die ganz grosse Frage ist, ob Constantine auch die Emotionen ins Spiel bringen kann, die es im Eishockey im Allgemeinen und in Ambri im Besonderen eben auch braucht. Ein Eishockeyspieler lebt ja nicht von Theorie und Training alleine. Ein wenig Spass muss auch sein.

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