«Corona ist in China kein Thema mehr»

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Schweizer in China«Corona ist in China kein Thema mehr»

Während Europa erfolglos gegen die steigenden Fallzahlen kämpft, hat China die Maskenpflicht abgeschafft: Der Ostschweizer Hannes Mottl (53) über seine drei Monate im Überwachungsstaat.

Hannes Mottl (53) war für drei Monate geschäftlich in China unterwegs. Einschränkungen hat er kaum erlebt.
Mottl arbeitet für einen Textilmaschinen-Hersteller als Techniker. Er hat in China eine Stickmaschine aufgebaut.
Jeder Chinese muss einen speziellen QR-Code auf dem Handy haben. Der wird beim Reisen strikt kontrolliert. Ist er nicht grün, hat man keine Chance mit Bus, Bahn oder Flugzeug zu reisen, und man muss in Quarantäne.
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Hannes Mottl (53) war für drei Monate geschäftlich in China unterwegs. Einschränkungen hat er kaum erlebt.

Hannes Mottl

Darum gehts

  • Der Textilmaschinen-Techniker Hannes Mottl war geschäftlich in China.

  • China hat die Eindämmung des Virus unter Kontrolle.

  • Ohne Tracing-Code auf dem Handy kann man nirgends hin.

  • Im öffentlichen Leben nimmt man Corona kaum mehr wahr.

  • Im Vergleich zu China ist die Schweiz ein Krisengebiet.

«Ich habe mich komplett sicher gefühlt», sagt Hannes Mottl zu seinen knapp drei Monaten China. Der 53-Jährige arbeitet als Techniker für einen St. Galler Textilmaschinen-Hersteller. Anfang September flog er zur Installation und Inbetriebnahme einer Stickmaschine von Wien nach Shangyu in China.

Polizei überprüft Quarantäne

Er war in den letzten 20 Jahren schon oft geschäftlich in Asien unterwegs – dieses Mal war aber alles anders. «Mein Flieger landete nicht in Peking wie geplant, sondern wurde in die Innere Mongolei umgeleitet», erzählt der 53-Jährige. Dort verbrachte er die obligatorische zweiwöchige Quarantäne. Ab diesem Zeitpunkt begann die Überwachung – unter anderem via App: «Jede Person muss einen speziellen QR-Code auf dem Handy haben. Der wird beim Reisen kontrolliert.»

Der Code sei mit Ausweis und Wohnort gekoppelt und beinhalte ein Ampelsystem: «Wenn der Code grün ist, hat man innerhalb Chinas freie Fahrt. Ist er es nicht, hat man keine Chance, mit Bus, Bahn oder Flugzeug zu reisen.» Nach dem Kontakt mit einer infizierten Person werde der Code je nach physischer Nähe orange oder rot. Dann müsse man sich sofort testen lassen und in Quarantäne gehen, sagt Mottl. «Ist der Code rot, kommt die Polizei zu Hause vorbei und überprüft, ob man in Quarantäne ist.»

Lockdowns bei Virusausbruch

Ansonsten sei die Stimmung sehr entspannt: «Alles ist offen: Bars, Restaurants, Einkaufszentrum, alles», sagt Mottl. «Man sieht kaum Leute mit Masken, weder auf der Strasse noch in den Einkaufszentren.» Einzige Ausnahmen seien Spitäler und Behörden. In Schulhäusern und Einkaufszentren werde die Körpertemperatur digital gemessen.

«Corona ist in China praktisch ausgestorben. Für die meisten ist das Thema erledigt.» Ihm ist aber aufgefallen, dass die Leute zum Teil mehr Abstand zu ihm hielten. «Manche haben Angst, dass wir Europäer das Virus nach China zurückbringen», erzählt Mottl.

Komme es doch zu einem Ausbruch, werde dieser im Keim erstickt. Mottl berichtet von einer Fabrik mit 42 Fällen: «Die ganze Region wurde in den Lockdown versetzt und innert Tagen 4 bis 5 Millionen Menschen durchgetestet.»

Die Schweiz als Krisengebiet

Zurück in die Schweiz kam Mottl Ende November. «Anfang September dachte ich noch, ich reise in ein Krisengebiet. Drei Monate später war es genau umgekehrt.» In Mottls Augen hat China die Corona-Krise besser gemeistert als die Schweiz – «durch totale Überwachung». Und trotzdem sei es genau der Punkt, der hierzulande falsch laufe: Die Rückverfolgbarkeit der Kontakte funktioniere nicht mehr, sagt der Techniker. «Daraus folgen Massnahmen, die sehr viel einschneidender sind, als eine obligatorische Tracing-App für einen bestimmten Zeitraum zu installieren.»

Zum selben Schluss kommt auch Professor Yaneer Bar-Yam: Der amerikanische Physiker und Systemwissenschaftler hat die verschiedenen Covid-Strategien der Länder verglichen und kam zum Schluss: Die Strategien des Westens seien weniger effektiv, weil sie zu reaktionär seien. Der Versuch, die Wirtschaft und die Reisefreiheit so offen wie möglich zu halten, führe zu einem langwierigen Jo-Jo-Effekt. Länder, die zu Beginn der Krise strikte Massnahmen ergriffen hätten, könnten nun von einer raschen Wiederherstellung der Wirtschaft profitieren.

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