Sie lehnen den Staat abCorona-Skeptiker wollen sich in «Parallelgesellschaft» abspalten
Michael Bubendorf kämpfte gegen das Covid-Gesetz, denkt aber weiter. Die Covid-Situation erfordere eine «Parallelgesellschaft». Bubendorf spricht etwa von einer eigenen Krankenkasse.
Darum gehts
Für die Massnahmenkritiker Josef Ender und Michael Bubendorf gibt es zwei Zeitrechnungen: eine vor Corona. Und eine danach.
Bis im Frühjahr 2020, als das Virus über die Welt hereinbrach, herrschte demnach Normalität, freies Wirtschaften, Bewegungsfreiheit. In der Zeit danach, seit Staaten Covid-19 mit Lockdowns, Impfung und Zertifikaten bekämpfen, regiere die «Hygienediktatur».
Diese Ausgangslage skizzierten Ender (Aktionsbündnis Urkantone) und Bubendorf (Freunde der Verfassung), zwei Aushängeschilder der Bewegung, jüngst bei «Stricker-TV», dem Youtube-Format des Thurgauers Daniel Stricker. Bubendorf, der bei den «Freunden der Verfassung» im Vorstand sitzt, erklärte: «Die Normalität ist vorbei.
Und sie kommt nicht mehr so schnell zurück.» Egal wie die Abstimmung zum Covid-Gesetz ausgeht – am Sonntag nahm eine deutliche Mehrheit der Stimmberechtigten die Vorlage an –, so wird im Gespräch deutlich, sei «das System» nicht mehr zu retten.
Als Beispiel für dieses angeblich marode System dient die «Walliserkanne». Die Wirte des Restaurants hatten sich gegen die Corona-Massnahmen gesträubt und landeten für kurze Zeit im Gefängnis. Für Bubendorf zeigte sich hier das «wahre Gesicht des Staates»: «Er wendete nackte, rohe Gewalt an gegen jene, die sich ihm entgegenstellen. Das ist jetzt jedem klar.»
Sie wollen die «Vergangenheit hinter sich lassen»
Bubendorf, der sich mehrmals als «Anarchist» bezeichnet, folgert daraus, man befinde sich in einem neuen Zeitalter; neben weiterem «Sand im Getriebe» durch Aktionen, brauche es «Vernetzung» und «Parallelgesellschaft».
Es sei eine Chance, die Vergangenheit hinter sich zu lassen und etwas aufzubauen, so Bubendorf. Konkret werden sie nicht, vieles sei noch in Planung. Bubendorf erwähnt etwa eine gemeinsame Krankenkasse. Als weitere Alternative bringt Moderator Daniel Stricker die Auswanderung auf und umreisst sodann ein massnahmenfreies Gebiet wie in Montana oder Texas in den USA, wo die Einwohner angeblich einen Bürgerkrieg dem «Hygienefaschismus» vorziehen würden. Für Stricker, der «lieber Frieden als Krieg» hat, auch ein denkbares Szenario für die Schweiz, «wenn es 20 oder 30 Jahre so bleibt».
In solchen Aussagen wird deutlich, wie tiefgreifend die Corona-Krise das Weltbild dreier Schweizer, die bisher kaum politisch aufgefallen sind, verändert und radikalisiert hat. Als zentralen Gegner sehen sie nun den Staat, der einerseits ihre Freiheit einschränke und andererseits dafür mit Gewalt gar noch Steuern eintreibe.
«Ultralibertäre Fantasien»
Sozialwissenschaftler Marko Kovic, der selbst politisch links steht, überraschen diese Pläne zur Abkapselung aus der Gesellschaft nicht. Er sieht darin letztlich «eine Zuspitzung bereits vorhandener ultralibertärer Fantasien». «Das sind irrationale Ideen von Leuten, die sich gegenseitig in ihrem Groll und Verdruss bestätigen», sagt Kovic. Es sei bedenklich, wenn sich eine Gruppe von der demokratischen Gesellschaft loslösen wolle – vor allem, wenn als letzte Eskalationsstufe sogar versucht werde, einen Bürgerkrieg zu rechtfertigen. Da die Pläne aber noch so vage seien, rechnet Kovic nicht damit, dass sie bald in die Tat umgesetzt werden.
Er glaubt vielmehr, dass Gruppierungen, wie die «Freunde der Verfassung» oder das «Bündnis der Urkantone», weiterhin politisch aktiv bleiben. «Sie werden auch nach Corona versuchen, das Momentum weiterzutragen. Etwa im Kampf gegen das Mediengesetz», sagt Kovic. Einen Hinweis darauf, dass die Medien zunehmend in den Fokus der Skeptikerbewegung rücken, liefert Marion Russek, Co-Präsidentin der Verfassungsfreunde. Auf eine Anfrage liess sie jüngst gegenüber 20 Minuten verlauten: «Wir haben uns entschieden, mit den Medienkonzernen bis auf weiteres nur mittels Medienmitteilungen zu kommunizieren.»
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Branchenhilfe.ch, Ratgeber für betroffene Wirtschaftszweige
Pro Juventute, Beratung für Kinder und Jugendliche, Tel. 147
Dargebotene Hand, Sorgen-Hotline, Tel. 143