«Im Gastgewerbe könnten 100'000 Jobs verschwinden»

Livetickeraktualisiert am Dienstag, 27. Oktober, 2020

Medienkonferenz von Gastrosuisse«Im Gastgewerbe könnten 100'000 Jobs verschwinden»

Weil sich die Coronakrise zuspitzt, appellieren die Restaurants an die Politik. Der Branchenverband Gastrosuisse setzt einen Hilferuf ab.

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Dienstag, 27.10.2020

Zusammenfassung

Die Gastronomie ist wegen der Corona-Pandemie in einer existenziellen Krise. Eine Umfrage von Gastrosuisse zeigt, dass die Hälfte der Betriebe in ernsten finanziellen Schwierigkeiten steckt. Viele dürften nicht überleben.

Zwei von fünf Betrieben dürften das Winterhalbjahr nicht überstehen und für immer schliessen. Damit wären 100'000 Arbeitsplätze in Gefahr. «Das Gastgewerbe steht kurz vor dem Kollaps», sagte Gastrosuisse-Präsident Casimir Platzer am Dienstag in Zürich.

Auch Restaurants auf dem Land betroffen

Während der Sommermonate hätten viele Betriebe noch einigermassen gut verdient. Doch seit Beginn der zweiten Welle habe sich die Lage dramatisch verschlechtert. Er wolle nicht schwarzmalen, aber es brenne. «Viele Unternehmen haben überhaupt keine Perspektive mehr.»

Die Toggenburger SVP-Nationalrätin und Gastronomin Esther Friedli hat ebenfalls kaum mehr Gäste. «Was wir in den letzten zehn Tagen erleben, betrifft mich sehr», sagte sie. «Die meisten Menschen meiden den Restaurantbesuch. Die Umsätze sind eingebrochen.»

Dies betreffe nicht nur die Betriebe in der Stadt sondern auch jene auf dem Land. Die Leute würden sich ja nach wie vor treffen, aber nun halt einfach zuhause statt im Restaurant.

«Komplett an die Wand fahren»

Der Bundesrat wird am Mittwoch voraussichtlich weitere Verschärfungen bekannt geben, die auch die Gastrobranche betreffen dürften. Platzer befürchtet das Schlimmste. «Ich hoffe, dass die Landesregierung unsere Branche nicht komplett an die Wand fährt.»

«Komplett an die Wand fahren» beinhaltet für ihn in erster Linie einen weiteren Lockdown oder einen Mini-Lockdown. Auch eine Sperrstunde, noch grössere Mindestabstände und tiefere Personenobergrenzen seien fatal für die Betriebe. Solche Verschärfungen würden eine Konkurswelle auslösen.

Aufgebrauchte Kredite

Die Covid-Kredite sind in vielen Betrieben aufgebraucht. Die Branche fordert deshalb einen sofortigen Rettungsplan. Es brauche Härtefallmassnahmen sowie einen Ausbau der Kurzarbeit.

«Wir haben natürlich Verständnis für gewisse Massnahmen», sagte Platzer weiter. Die Gastronomie sei aber nicht der Pandemie-Treiber. Es sei erwiesen, dass die meisten Ansteckungen nicht im Restaurant passieren würden. Die Ansteckungsgefahr sei gering. (sda)

Auf Wiedersehen

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Ende

Es wäre die Fragerunde eröffnet. Fragen gibt es aber keine. Daher geht die Konferenz überraschend schnell zu Ende.

Fazit

Casimir fassst zusammen: Kein Lockdown, keine wirkungslosen Massnahmen oder Unterstützungsmassnahmen auf Kantons- und Bundesebene, schnellere Tests und Anpassungen der Geschäftsmieterlassungen

Ungenügendes Tracing

Casimir fordert ein funktionierendes Tracing. Das App des Bundes sei offensichtlich ungenügend. Die Betroffenen würden zu spät informiert werden. Zudem müssten die Quarantäneregeln angepasst werden. Negativ Getestete sollten schnell wieder zur Arbeit dürfen.

Kurzarbeit in der Kritik

Casimir kritisiert die Kurzarbeit. Mitarbeiter kosteten trotz Kurzarbeit immer noch viel Geld. Es brauche daher einen Ausbau der Kurzarbeitsentschädigung. Auch müsse man das Erlassen der Mieten geregelt werden. Das Parlament habe zwar ein Gesetz für 60 Prozent Mieterlass erlassen, doch es sei unverständlich, dass man das nun wieder verworfen habe.

Gastrosuisse gegen Lockdown

Nun spricht wieder Platzer. Die Gelder des Bundes halfen vielen Betrieben, die Zeit zu überbrücken. Das veränderte Konsumverhalten der Gäste stelle die Branche auf den Kopf. Gastrosuisse lehne "entschieden" einen Lockdown oder Mini-Lockdown ab. Auch Massnahmen, deren Wirkung fraglich ist, dürften nicht kommen. Um eine Pleitewelle abzuwenden, braucht es nun dringend Hilfe auf Bundes- und Kantonsebene, sagt Casimir.

Wirte als Polizisten

Kämen nun weitere Massnahmen dazu, wäre kostendeckender Betrieb kaum mehr möglich. Solche Massnahmen hätten zur Folge, dass die Wirte auch noch zu Polizisten werden müssen. Man müsse eingreifen, wenn zu viele Personen am Tisch sitzen. Friedli kenne viele Wirte, die Bussen erhalten hätten. Die Leute träfen sich nun zuhause oder privat. Die Leidtragenden sind nun die Beizen. Es brauche nun einen klaren Plan vom Bund. Es brauche Massnahmen, die die Branche berücksichtigten. Sonst seien die wirtschaftlichen Folgen schlimmer, als die Krankheit selber, sagt Friedli.

Gesundheitliche Auswirkungen

Es herrsche Chaos und Wirrwarr bei den Behörden, sagt Friedli. Sie erwarte, dass sich die Kantone mit dem Bund absprechen und einheitlich kommunizieren. Man solle die Leute nicht verängstigen und Massnahmen mit Weitsicht machen. Man soll nicht nur an die Gesundheit, sondern auch an die Wirtschaft denken. Es sollen Massnahmen eingeführt werden, um das Virus und nicht die Wirtschaft einzudämmen. Alle Studien belegen laut Friedli, dass sich Arbeitslosigkeit auch auf die Gesundheit auswirkt. Vereinsamung, Alleinsein und Dunkelheit sei für das Wohlbefinden nicht gut.

"Gravierende Folgen"

Nun sprich Esther Friedli, SVP-Nationalrätin und Gastwirtin. Sie führt eine Beiz im Toggenburg. Sie erlebe die Situation direkt mit. Im Sommer habe sich eine Erholung abgezeichnet. Das habe ihr Mut gegeben. Was man nun aber während der letzten zehn Tage erlebe, sei dramatisch. Die Gäste blieben aus, weil man verunsichert sei aufgrund der steigenden Fallzahlen. Wenn Mitglieder der Covid-Taskforce sagen, dass sie derzeit nicht in auswärts essen gehen, dann hätten solche Aussagen "gravierende" Folgen. Das verunsichere die Leute, so Friedli.

Esther Friedli, SVP-Nationalrätin und Gastwirtin.

Esther Friedli, SVP-Nationalrätin und Gastwirtin.

Fehlender Rettungsplan?

Man müsse davon ausgehen, dass die Regierung keinen Rettungsplan für die Branche ausgearbeitet hat. Die Branche werde "an die Wand gefahren", so Pfäffli.

Seit zwei Wochen wieder unter Schock

Laut Urs Pfäffli, Präsident Gastro Zürich-City, beträgt der Umsatzrückgang rund 40 Prozent. Im Sommer haben die Beizen in der City einen Rückgang von bis zu 70 Prozent verbucht. Seit zwei Wochen stehen die Betriebe wieder unter Schock. Man habe noch nie so viele Stornierungen in so kurzer Zeit erlebt. Nun kämen noch die fehlenden Bankette hinzu. Pfäffli bedankt sich bei der Stadt. "So funktioniert Zusammenarbeit", sagt er. Ein zweiter Lockdown müsse unbedingt verhindert werden. Das Schutzkonzept funktioniere. Ansteckungen seien sehr selten in Beizen. Pfäffli fordert finanzielle Hilfe. Es müssten neue Bedingungen geschaffen werden.

Urs Pfäffli, Präsident Gastro Zürich-City (r.)

Urs Pfäffli, Präsident Gastro Zürich-City (r.)

Stadtbild

Sollte die Branche im Kanton Basel-Stadt keine Hilfe erhalten, dann werde sich das Stadtbild drastisch ändern.

"Wirte hatten Tränen in den Augen"

Nun spricht Maurus Ebneter, Präsident Wirteverband Basel-Stadt. Auch er zeigt auf, was die Krise in der Branche bewirkt. Mit den neuen Massnahmen seien die Umsätze um 50 Prozent gesunken. Grund seien vor allem die Angaben von Kontaktdaten. Ebneter habe mit Wirten gesprochen, die Tränen in den Augen hatten. Nach dem Lockdown hätten die Gäste zaghaft wieder gebucht. Doch im Juli kam die 100-Personen-Beschränkung. Die Branche habe aber versucht, das aufzufangen. Doch nun gebe es wieder dramatische Einbrüche.

Maurus Ebneter, Präsident Wirteverband Basel-Stadt.

Maurus Ebneter, Präsident Wirteverband Basel-Stadt.

Hälfte der Betriebe in finanziellen Problemen

Laut Gastrosuisse zeigt eine Umfrage, dass die Hälfte der Betriebe wegen Corona in finanziellen Problemen stecken. Die Branche sei systemrelevant. Viele seien von den Betrieben abhängig. 2 von 5 Betrieben dürften das nächste halbe Jahr nicht überstehen. Rund 100'000 Jobs könnten verschwinden. Die meisten Beizen seien unverschuldet in die Krise gegangen. Daher brauche es jetzt Unterstützung, um die Branche zu retten, so Casimir.

"Schutzkonzept in Restaurants funktioniert"

Casimir sagt: "Es brennt". Er wolle zwar nicht schwarz malen. Aber die Lage sei ernst. Es könne nicht sein, dass man die Krise auf dem Buckel der Gastrobranche bekämpfe. In den Restaurants funktionierten die Schutzkonzepte. Man stecke sich nicht in Beizen an. Es spiele auch keine Rolle, wann man einen Tisch in der Beiz verlässt.

freshfocus

Umsatzzahlen sind eingebrochen

Es spricht Casimir Platzer, Präsident Gastrosuisse. Er macht einen Überblick über die Situation. Das Gewerbe stehe kurz vor einem Kollaps. Die Branche sei als erste betroffen gewesen. Einige Betriebe hätten zwar im Sommer gut gearbeitet. Aber in den Städten seien die Umsatzzahlen eingebrochen. Im Schnitt ist der Umsatz der Beizen in den Städten halb so hoch wie im Vorjahr. Alle Events und Firmenanlässe seien abgesagt. Die Massnahmen des Bundes kämen vor allem auch für Clubs einem Berufsverbot gleich.

Casimir Platzer, Präsident von Gastrosuisse.

Casimir Platzer, Präsident von Gastrosuisse.

Start

Die Konferenz beginnt.

Montag, 26.10.2020

Ausgangslage

Die Coronakrise setzt den Beizen und Bars schwer zu. Wegen den strengen Massnahmen können die Betriebe nur auf kleiner Flamme wirtschaften. Hinzu kommt, dass der Bundesrat am Mittwoch über weitere Regeln berät. Auch eine Sperrstunde noch vor Mitternacht liegt schweizweit im Bereich des Möglichen.

Jetzt schlägt die Branche Alarm. Der Verband Gastrosuisse hat kurzfristig zu einer Medienkonferenz im Zürcher Restaurant Terrasse geladen. Die Verantwortlichen sprechen von einer dramatischen Lage für das Gastgewerbe. Man stehe kurz vor dem Kollaps. Daher müsse die Politik jetzt handeln, so die Forderung.

Die Medienkonferenz beginnt um 9.30 Uhr.

Anwesend sind Casimir Platzer (Präsident Gastrosuisse), Maurus Ebneter (Präsident Wirteverband Basel-Stadt), Urs Pfäffli (Präsident Gastro Zürich-City), André Roduit, (Präsident Gastrovalais) sowie Esther Friedli (Nationalrätin SVP und Gastwirtin).

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