Covid-Impfung und Schwangerschaft – «Covid-19 ist für Schwangere ein enormes Risiko – die Impfung schützt»

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Covid-Impfung und Schwangerschaft«Covid-19 ist für Schwangere ein enormes Risiko – die Impfung schützt»

Im Zusammenhang mit Menstruation und Schwangerschaft bestehen bei der Covid-Impfung noch viele Unsicherheiten. Gabriella Stocker vom Stadtspital Zürich Triemli beantwortet die Fragen der Community.

Gabriella Stocker hat Fragen der 20 Minuten-Community zum Thema Impfen und Schwangerschaft beantwortet.
Gerade im Zusammenhang mit dem weiblichen Zyklus und Schwangerschaften sind noch viele Fragen offen.
Gabriella Stocker sagt klar: «Covid-19 stellt für Schwangere ein enormes Risiko dar. Die Impfung schützt.»
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Gabriella Stocker hat Fragen der 20 Minuten-Community zum Thema Impfen und Schwangerschaft beantwortet.

www.stadt-zuerich.ch/triemli

Darum gehts

Seit gegen Covid-19 geimpft wird, wird viel über die Frage diskutiert, welche Auswirkungen die Impfung auf den Menstruationszyklus und auf Schwangere sowie ungeborene Kinder hat. Im Internet und in den sozialen Medien kursieren diverse Theorien. Ein Aufruf von 20 Minuten hat gezeigt, dass nach wie vor viele Unsicherheiten bestehen. Gabriella Stocker, stellvertretende Chefärztin Geburtshilfe im Stadtspital Zürich Triemli, hat sich den Fragen der Community angenommen.

Verena Huber: Ich bin 33 Jahre alt und hatte Mitte August die erste Impfung mit Moderna. Wenige Tage danach habe ich meine Tage um ein Vielfaches stärker bekommen. In den letzten knapp 20 Jahren war meine Periode sehr regelmässig und durchschnittlich stark. Auch nach der zweiten Impfung Ende September waren meine Tage extrem stark. Mir wurde daraufhin empfohlen, drei Monate die Antibabypille zu nehmen, bis sich mein Körper beruhigt hat. Ergibt das Sinn?

Nein, dieses Vorgehen würde ich nicht empfehlen. Es ist effektiv so, dass eine Covid-19-Impfung und auch eine Covid-Infektion Zyklusveränderungen hervorrufen kann. Das wurde auch bei anderen Virusinfektionen schon festgestellt. In England gingen beispielsweise 30’000 Meldungen dazu ein, was im ersten Moment nach sehr viel klingt. Aber: Bei mehr als 99 Prozent der geimpften Frauen trat keine Veränderung auf.

In der Regel ist es so, dass die Veränderungen nur rund zwei bis drei Wochen anhalten und sich das selbst wieder reguliert. Es gibt keinen Hinweis darauf, dass der Zyklus nachhaltig gestört wird. Wenn jemand sehr fest und sehr lange blutet, kann es nötig werden, auf der Notfallstation vorstellig zu werden. Dort können zum Beispiel blutstillende, hormonfreie Medikamente verschrieben werden. Grundsätzlich sind kurzfristige starke Blutungen aber ungefährlich.

Zu erwähnen ist auch, dass viele Frauen nach der Impfung gegenüber ihrer Menstruation achtsamer sind. Es kann durchaus sein, dass Zyklusstörungen, die sonst beispielsweise bei Stress oder Zeitverschiebung auftreten, eine grössere Beachtung geschenkt wird.

Hans Joller: Kann man nach der Impfung Kinder bekommen?

Die Antwort ist ganz klar: Die Fruchtbarkeit wird durch die Impfung nicht beeinträchtigt, es gibt hier keinen Zusammenhang. Wenn die Impfung und allfällige Zyklusstörungen vorbei sind, ist die Fruchtbarkeit noch genau gleich vorhanden, wie zuvor. Auch für Männer gilt: Die Fruchtbarkeit wird durch die Covid-19-Impfung nicht beeinträchtigt.

Hans Joller: Welche Wirkungen hat der Impfstoff auf das Ungeborene? Ist mit Fehlbildungen aufgrund der Impfung zu rechnen?

Auch hier: Es gibt keinerlei Hinweise darauf, dass es zu Fehlbildungen kommen kann. Weder bei der Impfung, noch bei einer Covid-Infektion – anders als etwa beim Zika-Virus. Was wir aber festgestellt haben: Covid-Infektionen können zu Frühgeburten oder Aborten führen.

Martina Wi: Wie glaubwürdig ist die Impfempfehlung, wenn sie direkt vor der Einführung der Zertifikatspflicht ausgesprochen wurde?

Die Empfehlung der Covid-Impfung für Schwangere und die Zertifikatspflicht haben rein gar nichts miteinander zu tun. Das muss man klar auseinanderhalten.

Martina Wi: Sind die ersten Babies in der Schweiz schon auf die Welt gekommen von Müttern, die sich in der Schwangerschaft impfen liessen?

In den USA und in Israel wurden schon letztes Jahr Schwangere geimpft. Erste Babys von Covid-geimpften Müttern sind auch in der Schweiz schon auf die Welt gekommen, etwa vom Gesundheitspersonal, das frühzeitig geimpft wurde. Auch hier ist es interessant, den Blick ins Ausland zu richten, etwa in die USA, nach Deutschland oder England, wo die Geburtszahlen viel höher sind. Auch dort wurden keinerlei negative Effekte auf Schwangere oder ihre Babys festgestellt. Genau deshalb wurde auch eine Impfempfehlung ausgesprochen.

Andi Kappeler: Wie könnt ihr seriös belegen, dass bei einer Nebenwirkung, wie der veränderten Menstruation (Zyklen und Intensität), jeglicher negative Einfluss auf eine künftige Schwangerschaft ausgeschlossen werden kann? Für die Frage nach Langzeitauswirkungen fehlen doch noch Daten!

Impfnebenwirkungen sind immer kurzfristiger Natur. Das erkennt man schon daran, dass die bekannten Nebenwirkungen wie Fieber oder Schüttelfrost schnell wieder abklingen. Es sind keinerlei Langzeitschäden bekannt. Die Covid-Impfung ist die am besten dokumentierte Impfung in der Geschichte der Menschheit. Im Vergleich dazu ist etwa die Hepatitis-B-Impfung, der die meisten von uns völlig unbesorgt zustimmen, weniger gut geprüft und dokumentiert worden.

Nadja Flühmann: Mein Genesenen-Zertifikat war bis fünf Wochen vor dem Geburtstermin gültig. Wie schnell soll ich mich nach der Geburt impfen lassen?

Ideal wäre es, sich noch während der Schwangerschaft impfen zu lassen. Das ist zu jedem Zeitpunkt nach der zwölften Woche der Schwangerschaft völlig unbedenklich. So hätten Sie als Hochschwangere einen optimalen Schutz. Wenn Sie aber noch zuwarten möchten, können Sie sich ab Tag 1 nach der Geburt impfen lassen.

Shara Hoffmann: Welche Impfung passt am besten für stillende Frauen, die gerade ein Kind zur Welt gebracht haben?

Die Daten zur Impfung von Schwangeren und Stillenden mit einer mRNA-Impfung sind am umfangreichsten, deshalb wird diese Impfung empfohlen.

Julia Böhli: Wieso gibt es bei der Impfung deutlich mehr schwere Nebenwirkungen bei Frauen als bei Männern? Wieso gibt es keine angepasste Impfdosierung für Frauen?

Gendermedizin ist ein grosses Thema: Viele Impfungen und Medikamente werden an jungen Männern überprüft. Bei Covid ist das nicht der Fall, weil man alle schützen möchte. Aber es stimmt: Frauen sind bei Zulassungsstudien oft untervertreten. Bei diesem Thema steckt die Medizin zugegebenermassen noch in den Kinderschuhen.

Schwere Nebenwirkungen sind aber nicht genderspezifisch, treten bei Frauen und Männern also ungefähr gleich häufig auf. Hier wurde womöglich etwas verwechselt: Die Gefahr, an Long Covid, also anhaltenden Beeinträchtigungen nach einer Covid-Erkrankung zu leiden, ist bei Frauen tatsächlich höher. An den Gründen wird intensiv geforscht.

Daniela Vollenwyder: Ich wurde im März und im April mit einem Abstand von 20 Tagen zweimal mit Biontech geimpft und bin jetzt in der 26. Schwangerschaftswoche. Wäre eine Booster-Impfung zwecks Erhöhung des Schutzes und für die Nestimmunität des Säuglings sinnvoll?

Bei anderen Impfungen kann tatsächlich durch die Impfung der Schwangeren eine Nestimmunität hergestellt werden. Das funktioniert bei der Impfung gegen Covid-19 grundsätzlich auch, weil die geimpfte Schwangere die Antikörper dem Kind weitergibt. Die Daten zeigen aber, dass Neugeborene nie schwer an Covid-19 erkranken, insofern ist eine Impfung für den Nestschutz des Neugeborenen nicht nötig. Da die Impfungen noch nicht einmal ein halbes Jahr her sind, würde ich Ihnen in diesem Fall noch keine Booster-Impfung empfehlen.

Michèle Wohlgensinger: Ich bin im siebten Monat schwanger und mir wurde von zwei Gynäkologen und weiteren Ärzten die Impfung nicht empfohlen, da ich schwanger bin. Was sagen sie dazu?

Das ist schlichtweg falsch. Covid-19 stellt ein enormes Risiko für Schwangere dar. Hier muss man die nackten Todeszahlen betrachten: Covid-19 ist 40 Mal öfter der Grund für den Tod einer schwangeren Frau als sämtliche anderen Todesursache zusammen. Wir empfehlen deshalb wirklich sehr dringend, sich als schwangere Frau impfen zu lassen. Es ist sehr bedauerlich, wenn Gynäkologen hier andere Empfehlungen abgeben.

Die Empfehlung ist ganz klar, sich in der Schwangerschaft impfen zu lassen. Wenn Sie schwanger sind, verhalten sich Ihr Kreislauf und Ihr Immunsystem ungefähr so, als wären Sie 20 Jahre älter. Damit erhöht sich das Risiko eines schweren Verlaufs nach einer Infektion deutlich. Ein schwerer Verlauf ist nicht nur für die Schwangere eine Gefahr, sondern auch für Ihr ungeborenes Kind. Nach Covid-Infektionen bei Schwangeren kommt es vermehrt zu Fehl- und Frühgeburten. Teilweise müssen die werdenden Mütter auch frühzeitig entbinden, damit man sie auf der Intensivstation angemessen behandeln kann. Wenn solche Frühgeburten vermieden werden können, ist das für alle besser.

Céline Müller: Wie sieht es aus bei einer Impfung während der Schwangerschaft, dringt der Impfstoff in die Plazenta ein, sodass das Kind mitgeimpft wird?

Das funktioniert ein wenig anders: Das Blut der Mutter zirkuliert auch im Baby. Die Plazenta hat ein sehr ausgeklügeltes System, um einen Teil der Stoffe im Blut der Mutter zum Kind durchzulassen und andere nicht. Die Antikörper der Mutter kommen über die Plazenta auch zum Baby, wodurch dieses ebenfalls geschützt wird. Die Plazenta wird dadurch nicht beeinträchtigt.

Anders ist es bei einer Covid-Infektion: Diese kann sich in der Plazenta festsetzen und dort Entzündungen verursachen. Dadurch kann der Gasaustausch beeinträchtigt werden, was zur Gefahr für das Ungeborene werden kann.

Anja Müller: Ich bin aktuell schwanger. Da ich in einem Spital arbeite haben wir die Möglichkeit zur Booster-Impfung erhalten. Würden Sie den Booster schwangeren Frauen empfehlen oder soll ich doch eher bis nach der Geburt warten?

Grundsätzlich ist das kein Problem. Ich würde das aber im Einzelfall anschauen: Je nachdem, wann Sie geimpft worden sind, in welcher Schwangerschaftswoche Sie sich befinden und wie gross das Risiko einer Infektion ist, kann es Sinn ergeben, mit der Booster-Impfung bis nach der Geburt zu warten. Es ist möglich, dass man als Hochschwangere die Impfreaktion etwas weniger gut verträgt.

Hast du oder hat jemand, den du kennst, Mühe mit der Coronazeit? Oder wurden deine Fragen zur Impfung noch nicht ausreichend beantwortet?

Hier findest du Hilfe:

Die Corona-Impfhotline des BAG ist unter 0800 88 66 44 erreichbar.

BAG-Infoline Coronavirus, Tel. 058 463 00 00

BAG-Infoline Covid-19-Impfung, Tel. 058 377 88 92

Dureschnufe.ch, Plattform für psychische Gesundheit rund um Corona

Safezone.ch, anonyme Onlineberatung bei Suchtfragen

Branchenhilfe.ch, Ratgeber für betroffene Wirtschaftszweige

Pro Juventute, Beratung für Kinder und Jugendliche, Tel. 147

Dargebotene Hand, Sorgen-Hotline, Tel. 143

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