Brutaler KonkurrenzkampfDarum ging das Reformhaus Müller pleite
Der Markt habe sich so stark verändert, dass man die Existenzberechtigung «ein Stück weit verloren» habe, schreibt das Reformhaus Müller. Das sind die Gründe für die Pleite.
Die Kundinnen und Kunden sind enttäuscht darüber, dass sie am 3. Januar zum letzten Mal beim Reformhaus Müller einkaufen können.
20minDarum gehts
«Bio-Produkte erhält man heute in jedem Coop und Migros», sagt der Detailhandelsexperte Michael Dressen.
Mit dieser Konkurrenz hat das Reformhaus laut CEO Mischa Felber nicht mithalten können.
Nun müsse das Konkursamt entscheiden, wie es mit den Angestellten weitergehe.
Das Reformhaus Müller ist pleite: Die Bilanz ist deponiert, alle 37 Standorte schliessen, 298 Mitarbeitende brauchen einen neuen Job. Der Markt habe sich so stark verändert, dass man die Existenzberechtigung «ein Stück weit verloren» habe, heisst es in der Ankündigung. Damit ist Müller nach fast 100 Jahren am Ende.
Doch wie kam es zum Niedergang? Mischa Felber, seit Dezember 2019 Geschäftsführer des Reformhauses, nennt Gründe, und der Detailhandelsexperte Michael Dressen von der Firma CBRE schätzt die Lage ein.
Detaillisten schnappen Kunden weg
«Die Kundenfrequenz ist in unserer Branche seit 2016 rückläufig», schreibt das Reformhaus. Das sei für ihn eine überraschende Aussage, kontert Dressen. Zuletzt habe die Pandemie den Trend zum gesünderen Leben ja verstärkt, und Bio-Ketten wie Alnatura konnten während der ersten zwei Pandemiejahre den Umsatz steigern. Allerdings sei das letzte Jahr für die Branche aufgrund von Inflation und Rezessionssorgen schwierig gewesen.
War Alnatura also verantwortlich für das Aus? Jein, sagt Felber. Alnatura habe mit Migros zwar einen starken Partner und so auch einen längeren Schnauf. Dem Reformhaus hätten aber vor allem Detaillisten und Discounter wie Coop, Migros, Aldi, Lidl und Denner das Leben schwer gemacht. 96 Prozent des Bio-Umsatzes in der Schweiz finde nicht im Fachhandel statt – und Alnatura sei nicht in diesen 96 Prozent enthalten.
Brutaler Konkurrenzkampf im Onlinehandel
Die Pandemie hat einen Trend verschärft, der Müller schon länger zu schaffen machte: Viele Kundinnen und Kunden kaufen ihre Produkte lieber online statt im Laden. Nach einem guten ersten Pandemiejahr sei der Umsatz im Frühling 2021 eingebrochen, so das Reformhaus.
Einen Onlineshop habe man zwar auch gehabt, sagt Felber. Im stationären Handel seien 39’000 Produkte gelistet gewesen, online habe man 4000 davon verkauft. Mit den Angeboten von Konkurrenten wie Brack, Galaxus und Mcdrogerie habe man aber nicht mithalten können, so der Geschäftsführer.
Kunden empfanden Preise als zu hoch
Die Kundschaft habe dem Verkaufspersonal täglich gesagt, dass die Produkte zu teuer seien. Sie habe stets die Preise verglichen und das Reformhaus oft nicht mithalten können, so der Geschäftsführer. Auch die Inflation habe dazu beigetragen, dass die Kundinnen und Kunden beim Produktekauf stark auf die Preise achten.
Das Reformhaus Müller ist am Ende – wirst du es vermissen?
«Bio-und Reformprodukte erhält man heute in jedem Coop und Migros – oft zu konkurrenzlosen Preisen», sagt Dressen. Die Konkurrenz habe nicht nur online, sondern auch im stationären Handel massiv zugenommen. Gegen die Einkaufsmacht der Grossverteiler anzutreten, sei schwierig, so der Detailhandelsexperte.
Weniger Laufkundschaft wegen Homeoffice
Das Reformhaus weist in seiner Mitteilung ausserdem darauf hin, dass die Pandemie auch den Homeoffice-Trend befeuert habe. Das habe die Kundenfrequenz in den Läden zusätzlich gesenkt. Unter dieser Entwicklung hätten vor allem die Läden in Bahnhofsnähe gelitten, sagt der Geschäftsführer.
Das Homeoffice könne durchaus eine Rolle spielen, sagt Dressen. Wenn die Menschen nicht mehr jeden Tag in der Stadt seien, sinke an einigen Läden die Frequenz. Entscheidender seien aber die vielen Wettbewerber. Die Wege der Konsumierenden zum nächsten Supermarkt in der Schweiz seien kurz, sodass die Konsumenten und Konsumentinnen sich den Weg zum Fachhändler oder der Fachhändlerin in der Innenstadt sparen.
So geht es nun weiter
Das Reformhaus führte bis vor Weihnachten 2022 Gespräche mit Dritten – ohne Erfolg. «Wir verabschieden uns mit der Gewissheit, dass alle 298 Mitarbeitenden in ihrer jeweiligen Rolle alles in ihrer Macht stehende getan haben, um dem Unternehmen eine gute Zukunft zu ermöglichen», heisst es zum Abschied.
Fast 100 Jahre Reformhaus
1929 eröffnete Rudolf Müller das erste Reformhaus. 1945 verkaufte es der Maler und Bildhauer an Max Steidle, der weitere kaufte. 2000 veräusserte Familie Steidle die Reformhäuser an Christoph Tschan, bis 2010 gab es 30 Filialen. 2020 entstand aus Egli Bio, Müller Reformhaus, Vital.Punkt, Reformhaus Ruprecht und Drogerie Haas die Marke Reformhaus. 2023 ist das Geschäft am Ende, 37 Standorte schliessen.
Quelle: Reformhaus.ch.
Felber betont, dass man vor Weihnachten keine Mitarbeitende entlassen und alle Löhne und Mietzinsen bis und mit Dezember bezahlt habe. Die Geschäftsleitung habe zudem alle Filialen informiert, und Kündigungen habe es «in Zusammenhang mit dieser Angelegenheit» keine gegeben.
Nun liege es am Konkursamt, die Angestellten freizustellen, sagt Felber im Gespräch mit der Redaktion. Die Mitarbeitenden müssten sich beim RAV anmelden, den Januar-Lohn decke die Insolvenzentschädigung.
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