Kampf um TalenteDarum hast du beim Jobwechsel jetzt mehr Verhandlungsmacht
Der Fachkräftemangel ist in vielen Branchen so gross wie nie. Firmen locken die Angestellten der Konkurrenz mit höheren Löhnen. Firmen, die kein Homeoffice bieten oder wenig zahlen, dürften es schwer haben.
Darum gehts
Die Corona-Massnahmen werden gelockert, die Wirtschaft kann wieder hochfahren. Jetzt suchen Firmen dringend neues Personal. Denn noch nie gab es in den letzten 20 Jahren einen so grossen Fachkräftemangel. Das zeigt eine aktuelle Umfrage der Konjunkturforschungsstelle (KOF) der ETH Zürich.
Besonders viele Betriebe, die neue Stellen schaffen wollen, finden sich gemäss Umfrage im verarbeitenden Gewerbe, im Grosshandel und im Baugewerbe, wie es am Donnerstag an einem Medienanlass hiess. Selbst im von der Corona-Krise gebeutelten Gastgewerbe soll es zu mehr Neueinstellungen kommen.
Betriebe jagen sich die Angestellten ab
«Das Gastgewerbe hat viel Aufholpotenzial im Vergleich zur Zeit vor der Corona-Krise», sagt KOF-Arbeitsmarktexperte Michael Siegenthaler. Doch die Suche nach neuen Angestellten könnte für die Gastro-Betriebe schwierig werden, denn viele Betriebe jagen sich jetzt die Leute ab: «Aktuell gibt es einen Kampf um die Talente, weil alle Firmen gleichzeitig Stellen schaffen.»
Firmen bräuchten viel Zeit, die passenden Angestellten zu finden und diese auszubilden. «Eine Möglichkeit ist, die Fachkräfte von anderen Firmen abzuwerben», so Siegenthaler. Dafür könnten die Firmen Extras wie Homeoffice und höhere Löhne bieten. «Firmen, die kein Homeoffice bieten oder wenig zahlen, dürften es entsprechend schwerer haben als auch schon», sagt der KOF-Experte.
Zudem könnte es eine Tendenz geben, dass Angestellte die Tieflohnjobs verlassen. «Wer vorher im Gastgewerbe arbeitete und in der Krise in den Verkauf wechselte, hat möglicherweise gesehen, dass es in anderen Branchen attraktivere Arbeitsbedingungen gibt und wird eventuell nicht wieder zurückkehren», sagt Siegenthaler. Er rechnet erst in der zweiten Jahreshälfte mit einer Entschärfung des Personalmangels.
Angestellte sind in einer besseren Position
Angestellte sind derzeit in einer guten Position, sagt auch Personalexperte Cornel Müller. Er warnt aber davor, dies auszunutzen und bei den Vorgesetzten Forderungen zu stellen. «Wir sind in einer Umbruchphase, die Unternehmen müssen wegen der Krise sparen. Deshalb kommen Lohnforderungen derzeit nicht gut an», sagt Müller.
Nur die Angestellten in den gefragtesten Job-Profilen wie Ingenieure, IT-Fachkräfte und zunehmend auch Handwerker könnten sich solche Forderungen leisten (siehe Box). Doch wenn gleich das ganze Team höhere Löhne fordert, könnten die Vorgesetzten die Arbeit ins Ausland auslagern, warnt Müller.
Der Experte empfiehlt statt Lohnforderungen, sich Gedanken zu machen, ob man die richtige Stelle hat. Falls nicht, sei jetzt der richtige Zeitpunkt, sich einen anderen Job zu suchen. Dazu rät auch Personalexperte André Schläppi: «Nur mehr Lohn ist zu kurz gedacht. Viel wichtiger ist, dass man eine sinnstiftende Arbeit hat, die man gerne macht. Im Job muss das Gesamtpaket stimmen.»