40 Millionen KlicksDarum lieben alle das «First Kiss»-Video
Es verbreitet sich wie ein Flächenbrand im Netz: das Video «First Kiss», das Fremde bei ihrem ersten Kuss zeigt. Millionenfach wurde es angeklickt – aber warum eigentlich?
Es wird seit zwei Tagen millionenfach geteilt, verlinkt und getwittert: das «First Kiss»-Video der Künstlerin Tatia Pilieva. Hinter dem Video steckt die amerikanische Kleidermarke Wren (20 Minuten berichtete).
Was ist das Geheimnis für den unheimlichen Erfolg des Videos? Markus Schärer ist Geschäftsführer Digital bei der Werbeagentur Jung von Matt. «Es ist super umgesetzt und zudem ein hochemotionales Thema.» Jeder könne das Gesehene nachvollziehen, die Schmetterlinge im Bauch der Gefilmten mitfühlen. Man versetze sich in die Lage der Küssenden.
Das sieht auch Werber Frank Bodin so: «Menschen interessieren sich besonders für Menschen. Wenn diese etwas so Intimes vor der Kamera tun, schaut man gerne hin.» Jeder habe einen ersten Kuss selbst erlebt. «Der Zuschauer wird dort abgeholt, bei der Erinnerung an einen besonderen Moment.»
Bodin über die weiteren Erfolgsfaktoren des Videos: «Es ist sehr schön gemacht, gut umgesetzt und sieht sehr ästhetisch aus. Dazu ist es eine gute Idee, etwas, was man so noch nie gesehen hat.» Schärer sagt: «Hinzu kommt, dass sich viele Leute beim Anschauen des Videos gefragt haben: ‹Stimmt das wirklich, was ich hier sehe? Sehen die sich wirklich zum ersten Mal?›»
500 Bewerbungen für Kuss-Video
Nach der rasend schnellen Verbreitung des Videos – 36 Millionen Klicks nach zwei Tagen – wurde bekannt, dass es sich um professionelle Schauspieler handelt, die im Auftrag einer Kleiderfirma den Film drehten. Was vielen Zuschauern egal ist. «Trotz Fake ist es unheimlich schön», schreibt ein Leser.
20 Minuten suchte Freiwillige, die das Video nachstellen würden – die also weder Schauspieler sind, noch für einen Werbespot angeheuert werden. Echte Küsse, echte Fremde. Über 500 Bewerbungen gingen mittlerweile ein. Das Video wird hier nächste Woche gezeigt.
Eine Bewerberin schreibt: «Der Gedanke, eine fremde Person zu küssen, hat so etwas Aufregendes, Prickelndes, aber zugleich Verbotenes an sich.» Eine andere: «Ich möchte herausfinden, ob ich dieselbe Gänsehaut kriege wie beim Ansehen des Originalvideos.» Und ein männlicher Bewerber schreibt: «Das prickelnde Gefühl kurz vor dem allerersten Kuss ist ein unvergleichbares Erlebnis mit prägendem Charakter.»
«Viele Firmen träumen von diesem Effekt»
Eine gute Idee – warum also setzen sich die Werbefirmen nicht hin und kreieren etwas Ähnliches? Markus Schärer: «Unser Spot für Pro Infirmis funktionierte auf ähnliche Weise – die Umarmungen im Niederdorf, dazu die emotionale Musik. Da waren ähnliche Überlegungen im Vorfeld im Spiel.»
Das perfekte Rezept gebe es nicht, um ein Video viral werden zu lassen. Mehrere Faktoren kristallisierten sich in der Vergangenheit jedoch heraus. Eine riesige Portion Glück, plakativer Humor, die perfekte Exekution einer Idee. Alles Zutaten, die einem Video zu weltweiter Verbreitung helfen können.
Frank Bodin: «Es gibt viele Firmen, die von so einem viralen Effekt träumen.» Allerdings müssten aus werbetechnischer Sicht beim «First Kiss»-Video Abstriche gemacht werden. Er nennt den WTSA-Effekt – den Want-to-see-again-Effekt. «Andere Videos will man sich mehrmals anschauen, beim First-Kiss-Video reicht einmal.»
Mittlerweile – was bei viralen Hits unvermeidlich ist – verbreiten sich Nachahmer-Videos im Netz, die das Projekt auf die Schippe nehmen. Einige gehen dabei unter die Gürtellinie – andere wie «First Sniff» stellen die Kussszenen treffend mit Hunden nach.