1,8 Billionen EuroDas bedeutet das gigantische EU-Finanzpaket für die Schweiz
Die EU hat sich auf ein Corona-Hilfspaket geeinigt. Erstmals nehmen die EU-Staaten im grossen Stil Kredite auf. Versinkt die Union jetzt in Schulden? Und wie profitiert die Schweiz?
Die 27 Mitgliedsstaaten der EU haben sich auf ein riesiges Hilfspaket geeinigt.
Darum gehts
- Die EU hat ein historisches Hilfspaket beschlossen.
- Es hat einen Umfang von insgesamt 1,8 Billionen Euro.
- Vom Paket profitiert auch die Schweiz.
- Die wichtigsten Antworten.
Es ist eine gigantische Summe: 1,8 Billionen Euro. So viel Geld will die EU aufwerfen, um sich gegen den historischen Wirtschaftseinbruch zu stemmen und die Union zusammenzuhalten. Nach über vier Tage andauernden Diskussionen rauften sich die 27 EU-Mitgliedsstaaten am Dienstagmorgen in Brüssel zu einem Kompromiss zusammen. Was steckt hinter dem Deal? Versinkt die EU nun in Schulden? Und was bedeutet das Paket für die Schweiz? Die wichtigsten Antworten:
Wie sieht das Hilfspaket aus?
Die EU-Staaten beschlossen Corona-Hilfen in der Höhe von 750 Milliarden Euro. Das Geld kommt angeschlagenen Staaten zu und wird in zwei Teile geteilt: Erstens fliessen 390 Milliarden Euro als Zuschüsse. Dabei handelt es sich nicht um Kredite. «Es findet ein Finanzausgleich statt: Die reichen EU-Länder im Norden schenken den ärmeren Ländern im Süden Geld», sagt Sandro Merino, Anlagechef bei der Basler Kantonalbank und Bank Cler, zu 20 Minuten. Zweitens werden gemeinschaftlich verbürgte Kredite in der Höhe von 360 Milliarden Euro vergeben. Zu den Corona-Hilfen kommen 1074 Milliarden Euro, die den regulären Haushalt der EU zwischen 2021 und 2027 sichern.
Wie fallen die Reaktionen aus?
Die beteiligten Politiker freuen sich über das Paket. Frankreichs Präsident Emmanuel Macron schrieb auf Twitter: «Historischer Tag für Europa!» Die EU-Kommissionschefin Ursula von der Leyen sagte: «Wir sind uns bewusst, dass dies ein historischer Moment in Europa ist.» Auch Bundeskanzlerin Angela Merkel ist erleichtert. Für sie zählt vor allem, «dass wir uns am Schluss zusammengerauft haben». Laut Anlagechef Merino ist das Paket ein grosser Erfolg für Merkel, die es koordiniert habe. Für ihn ist klar: «Der Deal ist ein Erfolg. Er zeigt, dass die EU funktioniert.»
Warum ist das Paket historisch?
1,8 Billionen Euro – noch nie wurde in der Geschichte der EU ein so grosses Konjunktur- und Haushaltspaket beschlossen. «Historisch ist, dass man sich zum ersten Mal auf einen Finanzausgleich, also einen Geldfluss von Land zu Land, innerhalb der EU geeinigt hat», so Sandro Merino. Zudem wird der EU-Kommission erstmals erlaubt, in grossem Umfang Schulden aufzunehmen.
Was bringt das Paket der Schweiz?
Auch die Schweiz profitiert indirekt vom Hilfspaket. Das Geld soll wirtschaftlich angeschlagenen Staaten auf die Beine helfen. Dadurch stabilisiert sich laut Merino die Exportaktivität von Deutschland. «Das ist auch gut für die Schweizer Exportwirtschaft, da wir sehr stark von Deutschland abhängen», so der Experte. So habe auch Angela Merkel nicht aus reiner Nächstenliebe gehandelt. «Deutschland versucht seine Exportmärkte zu stützen. Denn wenn etwa Frankreich schwächelt, dann leidet auch Deutschland.»
Woher kommt das Geld für die Corona-Hilfen?
Die Schulden in der Höhe von 750 Milliarden Euro werden an den Finanzmärkten aufgenommen. Dort platzieren die EU-Staaten ihre Anleihen und bieten sie zum Kauf an. Die Staaten verschulden sich bei der Kreditaufnahme der 360 Milliarden Euro aber nicht einzeln, sondern als Kollektiv. Das heisst: Bei den Schulden handelt es sich um europäische Schulden, für die alle EU-Staaten solidarisch haften. «So kommt Deutschland auf gewissen Schuldentranchen begrenzt etwa für Italien auf», sagt Merino.
Versinkt die EU nun in Schulden?
Von den 1,8 Billionen Euro werden letztlich nur die 750 Milliarden Euro für die Corona-Hilfen über Schulden finanziert. «Die restlichen 1074 Milliarden Euro für den Haushalt bestehen aus regulären Budgetzuschüssen der einzelnen EU-Staaten», so Sandro Merino. Für die Schulden müssen aber letztlich die Bürger aufkommen. Das sorgt für Kritik: «Über Jahrzehnte wird die Tilgung der Schulden das EU-Budget belasten», sagt Gabriel Felbermayr, Präsident des Kieler Instituts für Weltwirtschaft, zur SDA. «Der Druck wird steigen, der EU neue Finanzierungsquellen zu erschliessen.»
Wie werden die Schulden zurückgezahlt?
Um die Schulden zu begleichen, sollen EU-Steuern eingeführt werden. So würde die EU eigene Einnahmequellen erhalten. Geplant sind auf Anfang 2021 eine Steuer auf Plastikabfall, eine Digitalsteuer und eine sogenannte CO₂-Grenzsteuer. Mit dieser sollen Importe besteuert werden, die nicht den Klimaschutzvorgaben der EU entsprechen.
Was sind die Vor- und Nachteile?
Laut Merino führt das Paket zu einer Stabilisierung und Stärkung der EU. Ohne Deal wäre das Risiko eines Austritts von Italien aus der EU mittelfristig real gewesen. «Insofern schützt der Deal die EU vor noch grösseren strukturellen Problemen.» Gemäss Merino können aber mit dem Geld nicht alle Probleme gelöst werden. So etwa die Jugendarbeitslosigkeit. «Solche Zustände werden allenfalls einfach weiterfinanziert.» Zudem bestehe die Gefahr, dass etwa der Finanzausgleich nicht nur wie gedacht für ein paar Jahre gilt, sondern über eine längere Zeit bleibt und sich letztlich einbürgert.
Auftrieb
So reagieren die Märkte
An der Börse freuen sich die Anleger. Der deutsche Leitindex Dax stieg erstmals seit Februar wieder über die Marke von 13’300 Punkten. Gefragt waren vor allem Konsumgüter-Aktien. Auch die Schweizer Börse wurde zwischenzeitlich vom Paket gestützt. Wenig Bewegung gab es gleich nach der Bekanntgabe des Pakets bei den Devisen. Der Euro hatte aber gegenüber dem Dollar schon vorher kräftig zugelegt. «Der Markt hat einen Deal erwartet», so Merino. So liege der Euro-Dollar-Kurs derzeit auf einem Zweijahreshöchststand. Auch zum Franken ist der Euro gestiegen. «Das Hilfspaket reduziert den Aufwärtsdruck auf den Franken.» Merino erwartet, dass ein Euro bald 1.08 Franken kosten wird.