DevisenDas bedeutet der starke Franken für die Schweiz
Der Franken hat innert kurzer Zeit gegenüber dem Euro an Wert gewonnen – trotz Erholung der Weltwirtschaft. Was steckt dahinter? Und was bedeutet das für den Einkaufstourismus?
Darum gehts
Die Frankenstärke spitzt sich zu. Ein Euro kostet derzeit noch etwas über 1.05 Franken. Während man für die Gemeinschaftswährung also immer weniger zahlt, wird der Franken umgekehrt immer teurer. Ein solches Kursverhältnis wie jetzt gab es zuletzt im April des vergangenen Jahres, als das Coronavirus über die Welt fegte. Doch warum wertet sich der Franken so deutlich auf? Und was bedeutet das für die Schweizer Wirtschaft? Die wichtigsten Fragen und Antworten:
Wie stark ist der Franken?
Im vergangenen Frühling kostete der Euro gut 1.11 Franken. Weil sich die Weltwirtschaft von den Corona-Strapazen erholte, flossen die Gelder der Investoren und Investorinnen wieder zunehmend in andere Währungen. Das nahm dem Franken den Aufwärtsdruck und machte ihn verhältnismässig günstig. Doch seither gewinnt der Franken wieder an Wert. Bereits Ende September bezahlte man für den Euro nur noch 1.08 Franken. Die Schweizerische Nationalbank (SNB) erachtete damals bei ihrer letzten geldpolitischen Lagebeurteilung den Franken als weiterhin «hoch bewertet».
Woher kommt diese Aufwertung?
Viele Ökonomen und Ökonominnen sehen den Grund in den weltweit steigenden Konsumentenpreisen, auch Inflation genannt. Doch im Verhältnis zu anderen Ländern fällt der Anstieg in der Schweiz gering aus. Während die Teuerung hierzulande im Oktober 1,2 Prozent zulegte, waren es etwa in der Eurozone 4,1 Prozent und in den USA 6,2 Prozent.
«Die Länder mit stärkerer Inflation haben tendenziell eine Währung, die sich abwertet», sagt Matthias Geissbühler, Investment-Chef von Raiffeisen Schweiz zu 20 Minuten. Entsprechend sind derzeit Investitionen in Franken im Verhältnis zu anderen Währungen attraktiver. Für Geissbühler ist daher klar: «Die tiefe Teuerungsrate in der Schweiz zieht Gelder an und wertet den Franken auf.» Raiffeisen Schweiz sieht den Eurokurs in den nächsten Monaten bei 1.06 Franken.
Was hat die Corona-Krise damit zu tun?
Laut Geissbühler hat das Tempo der Frankenaufwertung in den vergangenen Wochen wegen der Corona-Situation nochmals zugelegt. Länder wie Österreich und Deutschland verschärften die Massnahmen. Davon profitiere der Franken: «Bei solchen Unsicherheiten fliesst das Geld wieder in die Schweiz, die für Geldanlagen als sicherer Hafen dient.» Den gleichen Effekt sehe man auch beim Gold. Ende September kostetet eine Unze Gold 1760 Dollar, aktuell sind es bereits rund 1860 Dollar.
Wer profitiert vom starken Franken?
Der starke Franken kommt den Konsumentinnen und Konsumenten zugute: «Ferien in der EU sind nun günstiger», sagt Geissbühler, Investment-Chef von Raiffeisen. Zudem wird das Einkaufen ennet der Grenze billiger: Gerade mit Blick aufs Weihnachtsgeschäft dürfte der günstige Euro vermehrt Schweizer Einkaufstouristinnen und -touristen anziehen, so Geissbühler: «Hinzu kommt, dass man nicht weiss, wie lange die Grenzen noch offen sind.»
Die hiesigen Detailhändler sehen die Situation gelassen. «Wir gehen momentan nicht davon aus, dass sich der Einkaufstourismus in den Grenzregionen noch stark akzentuieren wird», sagt Dagmar Jenni, Geschäftsführerin bei Swiss Retail Federation, dem Verband der Detailhandelsunternehmen. Gründe dafür seien die hohen Benzinpreise, welche die Fahrt ins Ausland massgeblich verteuern. «Aber auch die teilweise strikteren Corona-Regeln sowie Unsicherheiten bei den Einreiseformalitäten halten viele vom Gang über die Grenze ab», so Jenni.
Leiden jetzt die exportorientierten Firmen wieder?
Ein starker Franken ist grundsätzlich schlecht für die Exportwirtschaft (siehe Box). «Die Leidtragenden sind vor allem kleinere und mittlere Firmen, die stark oder ausschliesslich in den EU-Markt exportieren», sagt Geissbühler von der Raiffeisen. Die Firmen seien weniger wettbewerbsfähig, weil die Schweizer Produkte im Ausland teurer würden. Weniger betroffen seien global aufgestellte Schweizer Grosskonzerne. Diese wirtschaften ebenso im grossen Stil im Dollar-Raum. Die US-Währung hat sich in diesem Jahr zum Franken gar leicht aufgewertet. «Das macht allfällige Euro-Verluste etwas wett», so Geissbühler.
«Bedrohliche» Aufwertung
Warum gibt es keinen Aufschrei in der Wirtschaft?
Bisher ging die Aufwertung des Frankens eher leise vonstatten. Der grosse Aufschrei bei Firmen blieb bisher aus. Das hat laut Geissbühler damit zu tun, dass es sich nicht um eine einseitige Frankenstärke, sondern eher um eine Euro-Schwäche handle. «Die Gemeinschaftswährung ist zu fast allen anderen bedeutenden Währungen schwächer geworden.»
Währungsverluste können Firmen zudem mit Preiserhöhungen kompensieren. «Das ist generell in einem Umfeld mit hohen Teuerungsraten und wegen den weltweiten Lieferengpässen leichter möglich.» Dass die Frankenstärke noch nicht für Alarmstimmung sorgte, sehe man auch bei der SNB. Diese habe bisher noch nicht im grossen Stil am Devisenmarkt interveniert, wie sie es im letzten Jahr getan habe. «Das dürfte sich aber ändern, wenn der Eurokurs weiter gegen 1.05 Franken abrutscht», so Geissbühler.