Botschafter Serbiens«Das Bild von bösen Serben und guten Albanern ist falsch und gefährlich»
In den Grenzgebieten zwischen dem Kosovo und Serbien hat sich die Lage zugespitzt. Der serbische Botschafter in der Schweiz, Goran Bradić, erklärt, weshalb Serbien den Kosovo nicht anerkennt.
Darum gehts
Ein Streit um Autokennzeichen liess die Spannungen zwischen Albanern und Serben im Kosovo jüngst wieder aufflammen.
Der serbische Botschafter in der Schweiz, Goran Bradić, erklärt, wie es so weit kommen konnte und weshalb es seit Jahrzehnten immer wieder Spannungen gibt.
Die serbische Minderheit im Kosovo leide täglich unter dem Druck der Behörden in Pristina.
Bradić wünscht den Menschen im Kosovo ein friedliches Miteinander, Versöhnung und Ruhe.
Weshalb hat sich die Lage im Kosovo in den letzten Tagen so zugespitzt?
Goran Bradić: Wegen einer Reihe von Massnahmen, die die Behörden in Pristina gegen die Interessen von Serben, aber auch gegen die früher vereinbarten Abkommen ergriffen hatten. Namentlich geht es um einen Streit wegen Auto-Kennzeichen, die Anerkennung von serbischen Personalausweisen, viele willkürliche Verhaftungen von angesehenen Serben, das Schüren von Angst und institutionell durchgeführte Schikane.
Ist Entspannung in Sicht?
In der Nacht auf Donnerstag wurde vereinbart, dass die Strassenbarrikaden abgebaut werden, was sicher eine erfreuliche und positive Nachricht ist. Diese Barrikaden sind Ergebnis einer tiefen, langjährigen Unzufriedenheit der Serben, weil der Status der autonomen Provinz Kosovo und Metochien ungelöst ist und die vereinbarten Abkommen nicht eingehalten werden.
Weshalb erkennt Serbien den Kosovo eigentlich nicht an?
Serbien kann und will die einseitige völkerrechtswidrige Loslösung des Kosovo nicht anerkennen. Kosovo und Metochien sind gemäss der Verfassung der Republik Serbien und der UN-Charta 1244 eine von zwei autonomen Provinzen innerhalb der Republik Serbien. Welches Land der Welt würde auf sein Territorium verzichten? Mehr als 110 von 193 UN-Mitgliedsstaaten haben Kosovo nicht anerkannt.
Warst du schon einmal im Kosovo?
Vor allem im Norden des Kosovo lebt eine serbische Minderheit. Wie geht es ihr?
Die Serben leben auf einem kompakten Territorium unter ständigem Druck der Behörden in Pristina. In einer noch schlimmeren Lage sind die im zentralen und südlichen Teil des Kosovo lebenden Serben. Diese Menschen leben in den sogenannten Enklaven, obwohl der Ausdruck Ghetto passender wäre. Aus dem Kosovo und Metochien wurden seit Juni 1999 mehr als 220’000 Serben und nicht-Albaner vertrieben. Es wurden mehr als 80’000 Häuser, Wohnungen und Grundstücke der Serben widerrechtlich angeeignet und geraubt, mehr als 150 serbische Kirchen und Klöster zerstört. Dutzende orthodoxe Friedhöfe wurden ruiniert und geschändet. Nicht einmal tote Serben dürfen Ruhe haben. Hunderte von Siedlungen, Dörfern und Städten wurden seitens der albanischen Extremisten gesäubert.
Den Medien wird oft vorgeworfen, einseitig pro Kosovo-Albaner zu berichten. Teilen Sie diese Meinung?
Als Diplomat und ehemaliger Journalist würde ich sagen, dass die hiesigen Medien leider einen falschen und gefährlichen Stereotyp verwenden: Die bösen Serben und die unschuldigen Albaner. Serbien und dessen Führung werden fälschlicherweise Nationalismus oder Destabilisierungsversuche als angebliche «verlängerte Hand Moskaus» vorgeworfen. Man verbreitet Spekulationen, verwendet Fotos, Aufnahmen oder Aussagen von Menschen, die man nicht unabhängig überprüfen kann. Es gibt kein schwarz-weisses Bild, es gibt viele Nuancen.
Welche Zukunft wünschen Sie dem Kosovo?
Ich wünsche uns allen, allen Menschen in der Balkan-Region, ein friedliches Miteinander, Versöhnung und Ruhe, Stabilität und eine bessere Zukunft, mehr Jobs. Ich wünsche den Menschen in Kosovo ein Leben, wie das die meisten Menschen in der Schweiz und anderen Ländern Europas haben.
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