Fachkräftemangel«Das ist extrem» – jeder Sechste arbeitet für den Staat
Der Bund lockt mit höheren Löhnen als in der Privatwirtschaft. Immer mehr Studienabgänger gehen zur öffentlichen Hand – und der Fachkräftemangel bei den Firmen nimmt zu.
Darum gehts
Der Fachkräftemangel ist neben Liefer- und Energieproblemen die grösste Sorge der Wirtschaft. Grösster Arbeitgeber ist der Staat. Er hat die Vollzeitstellen von 2011 bis 2019 um 13,6 Prozent gesteigert, in der Privatwirtschaft waren es nur 9,7 Prozent, wie eine Studie des Instituts für Schweizer Wirtschaftspolitik an der Universität Luzern zeigt.
Damit arbeiten 9,7 Prozent der beschäftigten Menschen in der Schweiz für den Staat, beim Bund, Kantonen oder Gemeinden. Gemeinsam mit staatlichen und staatsnahen Unternehmen wie Post, SBB oder Kantonalbanken wuchs der Anteil auf 16,6 Prozent. Das ist jeder sechste beschäftigte Mensch in der Schweiz.
Das Bundespersonal ist zudem immer akademisierter. Der Anteil Beschäftigte mit Uni- oder Hochschulabschluss stieg im letzten Jahrzehnt um 17 Prozentpunkte. Bei den Kantonen und Gemeinden war der Anstieg einstellig.
6082 Franken pro Einwohner
Mittlerweile liegen die Kosten fürs Staatspersonal bei 6082 Franken je Einwohner oder Einwohnerin und damit so hoch wie noch nie, wie Studienautor Christoph Schaltegger sagt.
26 Prozent höhere Kosten
Die Löhne beim Bund sind vergleichsweise hoch. Angestellte in der Bundesverwaltung bekamen 2019 im Schnitt 117’176 Franken, in der Privatwirtschaft waren es 88’896 Franken. Dazu gebe es beim Bund Annehmlichkeiten wie flexible Arbeitsmodelle, gute Sozialleistungen und Jobsicherheit, so Schaltegger.
Schaltegger erklärt die Lohnunterschiede mit der Spezialisierung und Akademisierung in der Verwaltung und geht davon aus, dass die Entwicklung weitergeht. «In den politischen Trendthemen wie der Energiepolitik spricht vieles für mehr staatliche Ausgaben, womit zumeist auch mehr Personal einhergeht.» Da der Bund noch nicht stark digitalisiert sei, müsse man aber davon ausgehen, dass sich vieles effizienter gestalten liesse.
Personalexpertin Karin Signer zeigt sich überrascht über die Ergebnisse der Studie: «Dass jeder sechste Arbeitnehmende im Schweizer Markt für den Staat oder einen staatsnahen Betrieb arbeitet, ist extrem viel.»
Findest du es gut, dass der Staat beim Personal ausbaut?
Auch der Lohn macht sie stutzig: «Der hohe Akademisierungsgrad erklärt den Lohn teilweise, aber er erscheint mir trotzdem extrem hoch.» Damit werde es für die Privatwirtschaft noch schwieriger, gute Leute zu finden. Zumal es beim Bund stabile und sichere Strukturen gebe, was in der Privatwirtschaft in der heutigen Zeit nicht mehr gegeben sei.
Der Verein Bund der Steuerzahler findet den Staatsausbau «bedenklich». Er warne schon seit Jahren vor dieser Entwicklung, sie lähme die Wirtschaftlichkeit und Innovationskraft der Schweiz, sagt Geschäftsführer Thomas Fuchs. «Die Lohnentwicklung geht in die falsche Richtung und benachteiligt die Privatwirtschaft.» Das Risiko, die Stelle in der Privatwirtschaft zu verlieren, sei zudem viel höher.
Auch die Akademisierung hält Fuchs für eine bedenkliche Entwicklung, die zu mehr Bürokratisierung beitrage. Der Bürger verstehe immer weniger, was in den Verwaltungen gearbeitet wird. «Der Staat hebt sich immer mehr von der Durchschnittsbevölkerung ab», sagt Fuchs.
«Privatwirtschaft in höheren Positionen noch immer attraktiver»
Die Wirtschaft sieht den Zuwachs ebenfalls kritisch. Sie habe aber auch ein Interesse an einer effizienten öffentlichen Verwaltung, sagt Simon Wey, Chefökonom des Arbeitgeberverbands. Zudem sei der Ausbau auch der Gesetzesflut aus dem Parlament geschuldet, die die Nachfrage nach Personal in der Verwaltung treibt.
Zum Lohn sagt Wey, dass es beim Bund keine Boni, weniger Lohnnebenleistungen und weniger Aufstiegsmöglichkeiten gebe. «Zieht man dies in Betracht, so ist eine Anstellung bei der Verwaltung insbesondere in höheren Positionen in vielen Fällen unattraktiver als in der Privatwirtschaft», so Wey.
Der Bund erklärt das Personalwachstum mit neu dazugekommenen Aufgaben. Anand Jagtap, Sprecher des Finanzdepartements, nennt etwa die Umsetzung gesetzlicher Grundlagen oder Aufgaben in der Pandemie. Auch in den kommenden Jahren sei mit Zunahmen zu rechnen, etwa im Asylbereich, in der Sicherheit und bei den Gerichten. Der Lohn beim Bund sei mit Unternehmen ähnlicher Grösse vergleichbar.
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