Ab Montag im EinsatzDas musst du über die neuen Corona-Schnelltests wissen
Ab dem 2. November kommen in der Schweiz neu auch Corona-Antigen-Tests zum Einsatz. Sie sind schneller und günstiger als die herkömmliche Nachweismethode. Aber auch weniger genau.
Darum gehts
Ab November kommen in der Schweiz im Kampf gegen das Coronavirus auch sogenannte Antigen-Tests zum Einsatz.
Es handelt sich dabei um Corona-Schnelltests, die innert 15 Minuten eine Infektion nachweisen können.
Die Tests sind weniger zuverlässig als die gängigen PCR-Tests, aber dennoch wichtig.
Wer den Verdacht hat, sich mit dem neuartigen Coronavirus Sars-CoV-2 infiziert zu haben, braucht viel Geduld. Dies nicht nur, weil man mittlerweile einige Tage auf einen Testungstermin warten muss, sondern vor allem auch deshalb, weil bis zum Erhalt des Ergebnisses der sogenannten PCR-Tests (siehe Box) in der Regel 24 bis 48 Stunden vergehen.
Für viele Personen wird sich ab kommender Woche zumindest die Wartezeit bis zum Erhalt des Testresultats deutlich verkürzen. So hat der Bundesrat am Mittwoch grünes Licht für die Einführung sogenannter Antigen-Schnelltests gegeben. Deren Ergebnis liegt bereits nach 15 Minuten vor, wodurch laut Gesundheitsminister Alain Berset eine «schnellere und breitere Testung der Bevölkerung» möglich werden soll. Zusammen mit den herkömmlichen PCR-Tests soll die Testkapazität so auf 80’000 pro Tag hochgeschraubt werden. Zurzeit werden rund 30’000 Tests durchgeführt.
Doch was bedeutet das für uns? Die wichtigsten Antworten:
Wie funktionieren die Corona-Schnelltests?
Der erste Schritt ist identisch mit der herkömmlichen PCR-Tests: Es braucht einen Abstrich aus dem Nasen-Rachen-Raum. Anders als bei der bisherigen Methode gehen die Proben dann jedoch nicht ins Speziallabor, sondern können direkt vor Ort – im Testcenter oder in einer Arztpraxis – von einer Fachperson ausgewertet werden.
Dafür wird ein Tropfen der Probe auf einen Teststreifen gegeben. Jedoch nicht direkt: Zunächst muss das Probenmaterial in eine Flüssigkeit gegeben werden, um die Proteine herauszulösen. Denn die Schnelltests weisen im Gegensatz zu PCR-Tests kein Erbmaterial nach, sondern Virusproteine. Nach rund einer Viertelstunde ist das Ergebnis schliesslich da: Ähnlich wie bei einem Schwangerschaftstest erscheint erst ein farbiger Streifen, der zeigt, dass der Test funktioniert. Ein zweiter taucht nur auf, wenn die getestete Person Corona-positiv ist.
Wie zuverlässig sind die neuen Antigen-Tests?
Laut Wolfgang Korte, Präsident der Schweizerischen Gesellschaft für Labormedizin und Leiter des Zentrums für Labormedizin in St. Gallen, sind die herkömmlichen PCR-Tests deutlich sensitiver: Diese könnten auch noch bei einer geringen Viruslast die Sars-CoV-2-Viren nachweisen, zitiert ihn unter anderem Tagesanzeiger.ch (kostenpflichtiger Inhalt). Deren Genauigkeit liegt gemäss einer Untersuchung von Instand e.V., der Gesellschaft zur Förderung der Qualitätssicherung in medizinischen Laboratorien in Deutschland, bei über 97 Prozent.
Die Schnelltests können da gemäss einer Untersuchung von Forschenden um Laurent Kaiser vom Nationalen Referenzzentrum für neu auftretende Virusinfektionen am Universitätsspital Genf, die im Auftrag des Bundesamts für Gesundheit durchgeführt wurde, nicht mithalten: Der Vergleich zweier Antigen-Schnelltests von den Firmen Abbott und Roche mit gängigen PCR-Tests zeigte, dass die beiden Schnelltests nur eine Sensitivität von 85 bis 90 Prozent erreichen (siehe Box). Das heisst: Von 100 durch PCR-Test positiv getesteten Personen erhielten nur 85 beziehungsweise 90 Prozent eine Bestätigung durch die Schnelltests. Das sei deutlich weniger, als die beiden Hersteller selber angeben, so Tagesanzeiger.ch. Roche etwa attestiert seinem Test eine Sensitivität von über 96 Prozent.
Besonders treffsicher sind die Schnelltests, das hat eine Studie von Korte und seinem Team gezeigt, bei Patienten, die Symptome zeigen, «die also vermutlich eine grössere Menge an Viren freisetzen».
Was heisst Sensititivität?
Für die Zuverlässigkeit des Tests gibt es zwei wesentliche Parameter: Die Sensitivität (Treffsicherheit für den Virusnachweis) ist der Prozentsatz, mit dem eine erkrankte Person als positiv getestet wird. Ein Test mit einer Sensitivität von 98 Prozent identifiziert 98 von 100 Infektionen. Zwei erkennt er nicht. Diese Patienten erhalten ein sogenannt falsch negatives Resultat. Es gilt: Je höher die Sensitivität eines Tests ist, desto sicherer erfasst er die Erkrankung.
Die hochsensitiven Tests haben aber auch eine Kehrseite: Sie können viele falsch positive Befunde liefern, wenn sie nicht spezifisch genug sind. Die Spezifität gibt den Prozentsatz an, zu dem nicht infizierte Personen als gesund erkannt werden. Ein Test mit einer Spezifität von 95 Prozent liefert bei 5 von 100 Gesunden ein falsch positives Ergebnis. In anderen Worten: Der Test zeigt bei 95 von 100 gesunden Personen ein negatives Resultat, bei fünf erkennt er fälschlicherweise eine Erkrankung.
Was bringen die Schnelltests denn, wenn sie ungenauer als die PCR-Tests sind?
Wie Korte dem «Tages-Anzeiger» sagte, braucht es «nicht in allen Fällen diese Genauigkeit der vergleichsweise teuren und aufwendigen PCR-Tests». Zudem lassen sich mit den Antigen-Tests die Testkapazitäten ausbauen. Damit tragen sie dazu bei, Infizierte früher zu finden. Schliesslich weiss man aus Studien, dass man die höchste Viruslast hat, bevor man überhaupt etwas von der Krankheit bemerkt. Gerade dann kann man andere Menschen leicht anstecken – auch wenn man sich gesund fühlt.
Hinzu kommt, dass bei PCR-Tests zum Teil bereits Lieferengpässe bestehen, weil die Rohmaterialien für zum Beispiel Reagenzien, die es braucht um das Virus sichtbar zu machen, und Testplatten zur Neige gehen. Auch hier können die Antigen-Tests aushelfen.
Für wen eignen sich die Schnelltests?
Ein Freifahrtsschein für Partygänger sind die Antigen-Tests nicht. Das sagte Jan Fehr, Infektionsexperte und Leiter des Covid-19-Testcenters an der Universität Zürich, schon Anfang September 2020 zu 20 Minuten: «Auch trotz Schnelltest wird sich zurzeit nichts am bestehenden Schutzkonzept ändern. Dieses bleibt weiterhin sehr wichtig.» Diesen Aspekt betonte auch Bundesrat Alain Berset bei der Pressekonferenz am Mittwoch: Zwar töne der durch die neuen Tests mögliche Ausbau der Testkapazitäten nach viel, so Berset an der Pressekonferenz am Mittwoch. Um eine Pandemie einzudämmen sei das aber eigentlich zu wenig. Die Tests müssten daher effizient eingesetzt werden.
So sieht es auch die Genfer Epidemiologin Valérie D’Acremont. Gegenüber der NZZ betonte sie, dass die Tests nicht für Personen gedacht sind, die sich «von lästigen Corona-Restriktionen befreien wollen» wie etwa Reisende oder Feierfreudige. Stattdessen sollen sie «in Verbindung mit konkreten medizinischen Fragen» eingesetzt werden, «etwa für Spitalpatienten. Oder für regelmässige Massentestungen von Schulkindern.» Dadurch könnten Schulschliessungen vermieden werden.
Ganz geklärt scheint die Frage jedoch noch nicht zu sein. Das zeigt die Haltung von Laurent Kaiser, der sich eingehend mit den Tests beschäftigt hat: Er hält die Antigen-Tests für Spitalpatienten nicht geeignet, «da die Tests unter Umständen von 100 Infizierten 15 nicht erkennen.» Aus seiner Sicht könnte man mit ihnen aber beispielsweise einen Coronaverdacht in einem Altersheim schnell untersuchen. So können die Schnelltests helfen, generell Infektionen nachzuweisen. Dabei müsse zunächst nicht jede infizierte Person gefunden werden.
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