«Ich gebe Denkanstösse»Das sagt Gabirano zu den Verschwörungs-Vorwürfen
Bill Gates, Jeffrey Epstein, 9/11 und Lichtnahrung: Influencer Gabirano lehnt sich in einem Podcast weit aus dem Fenster. «Ich finde es wichtig, Fragen zu stellen», sagt er.
Darum gehts
- In einem Podcast thematisierte Influencer Gabirano Verschwörungstheorien zu 9/11 und Bill Gates.
- Dabei handle es sich um seine «ehrlichen und ungefilterten Gedanken».
- Welchen Einfluss hat dies auf seine Follower?
- Kommunikationswissenschaftler Marko Kovic nimmt Stellung.
- Gabirano: «Ich finde es wichtig, Fragen zu stellen.»
Gabirano Guinand, Diplomatensohn mit burundischen Wurzeln, ist in der Schweiz einer der Influencer, die gut im Geschäft sind: Er zählt 157’000 Follower auf Instagram. Mit Comedian Mateo Gudenrath lancierte er Ende Januar den Podcast «Comedians im Brennpunkt». Dort griffen die beiden Komiker auch Verschwörungstheorien auf.
Vier Folgen drehen sich etwa um Bill Gates, gefakte Terroranschläge, Lichtnahrung und die Bekämpfung der Überpopulation durch Impfungen – wobei Mateo Gudenrath Gabirano jeweils herausfordert und oft ausruft: «Das glaube ich jetzt nicht.» Wie «Watson» berichtet, hat Gabirano auch den Instagram-Kanal «greatawakening2020» abonniert, ein Kanal von sogenannten QAnon-Anhängern.
Was heisst es für Gabiranos Follower, wenn er als Instagram-Star solche Theorien verbreitet? Kommunikationswissenschaftler Marko Kovic sagt: «Follower könnten das glauben – und das ist gefährlich.» (Siehe Interview unten.)
Fünf Thesen aus Gabiranos Podcast:
9/11:
«Es war eine Explosion, die die Türme zum Einsturz brachte. Es ist schräg. Leute, die danach vor Ort interviewt wurden, sagten, sie hätten eine Explosion gehört. Wenn ein Flieger so tief geflogen wäre, hätte das sicher irgendjemand gehört. Das war alles geplant.»
Terror in Europa:
«Ich habe viele muslimische Kollegen gefragt. Sie sagten mir alle: Die Anschläge nach 9/11 in Europa, in Paris oder Barcelona, waren Fake. Die Terroristen wurden bezahlt von jemandem, der Interesse hatte an etwas Grösserem. Wie soll sonst der Islamische Staat so schnell so viel Macht bekommen? Woher hatten sie das Geld? Es ist wirklich Fake.»
Bill Gates und Jeffrey Epstein:
Bill Gates sei Teil eines internationalen Kinderhändlerrings, er missbrauche Kinder und trinke ihr Blut? Diese Theorie behandelten die beiden Comedians ebenfalls in ihrem Podcast. «Okay, bye», sagt Podcast-Co-Host Mateo dazu. Darauf erwidert Gabirano: «Kanntest du Epstein persönlich? Du kannst ja nachschauen, was er für Connections hatte. Und Jeffrey Epstein war genau wegen Kindersexhandel verhaftet worden. Auch Bill Gates war mehrmals auf Epsteins Insel.»
Impfungen:
«In Indien und in Afrika sind nach einer Impfung durch die Bill-Gates-Stiftung Tausende Frauen unfruchtbar geworden», sagt Gabirano. Mateo kontert: Das liege nicht an Bill Gates, sondern wohl an einer schlecht durchgeführten Impfung. «Einfach sehr komisch, dass es bei Bill Gates immer wieder passiert», entgegnet Gabirano.
Lichtnahrung:
«Neben Corona-Dokumentationen habe ich Videos von Frutariern und Breatharians geschaut. Sie atmen nur und ernähren sich von Sonnenlicht. Du musst die Doku, «Light» oder so, schauen. Sie essen etwa einen Apfel in der Woche, aber nur aus Lust, nicht weil sie müssen. Ich glaube daran, weil ich habe mal in einem Bericht gesehen, dass ein Erdbebenopfer unter einem eingestürzten Haus ohne Essen und Trinken überleben konnte.»
«Gebe Denkanstösse»
Gabirano betont auf Anfrage, er habe im Podcast ehrlich und ungefiltert seine Gedanken zu aktuellen Themen geteilt. «Daraus ergeben sich genau die spannenden Debatten», sagt er. Verantwortung trage er mit den Inhalten, die er unter die Follower und Hörer bringt, nur begrenzt. «Ich gebe Denkanstösse – was die Leute damit machen, kann ich nicht kontrollieren. Schliesslich sind es nur Wörter.»
Er teile Themen, mit denen er sich selbst ausführlich auseinandergesetzt habe. «Gerade bei Bill Gates und Jeffrey Epstein ist vieles schräg – das denken viele Millionen Menschen weltweit, weshalb ich es richtig finde, hier Fragen zu stellen.»
Keine negativen Reaktionen erhalten
Im Podcast betont er mehrmals, wie wichtig es sei, vorherrschende Meinungen zu hinterfragen. «Die meisten Leute sind einfach zu faul, um selber nachzuschauen, zu recherchieren. Die Recherche bringt dich dann zum Nächsten, und das bringt dich wieder zum Nächsten. Das muss man selber machen.» Auf den Einwand, man könne nicht überall eine Verschwörung vermuten, sagt Gabirano: «Ich bin mir einfach nicht sicher, ich will wissen, wie es wirklich war.»
«Ich glaube, im Corona-Jahr 2020 haben sich viele wie ich selbst nun Gedanken gemacht und Dinge hinterfragt», sagt Gabirano. Er betont weiter, er sei erst 22 Jahre alt. «Ich weiss noch so vieles nicht und lerne weiter.» Negative Reaktionen seitens seiner Follower habe er bisher nicht erhalten, sagt er. «Im Gegenteil: Sie freuen sich, dass ich mich an diese Themen wage.»
Das sagt der Experte
Herr Kovic, Ihr Eindruck von Gabiranos Theorien?
Es sind klassische Verschwörungstheorien, sie liefern elegante Erklärungen in einer komplexen Welt. Wobei mich das breite Spektrum schon überrascht hat. Zuerst einmal sind es zwei Jungs, die mit einer grossen Portion Naivität mal drauflosreden. Aber dass dann Gabirano sogar Lichtnahrung, eine irrationale Theorie sondergleichen, bemüht, kann ich nicht nachvollziehen. Bei Bill Gates und Jeffrey Epstein sehe ich die Triebfeder von Gabiranos Kritik eher – er zieht nur die falschen Schlüsse.
Inwiefern?
Gates und Epstein sind und waren tatsächlich unerhört reiche Männer, die so viel Macht und Einfluss haben und hatten, wie es in Demokratien nicht möglich sein dürfte. Den Fehlschluss, den Verschwörungstheoretiker dann aber machen: Diese Mächtigen stecken nicht hinter allen Ungerechtigkeiten. Die Welt ist nicht so simpel.
Welche Verantwortung haben Influencer wie Gabirano?
Sie sollten ihre Wirkung nicht unterschätzen. Ihr Status als Influencer strahlt auch auf andere Dinge, die sie tun, ab. Weil Gabirano ein guter Comedian ist, gestehen ihm seine Follower auch Kompetenzen in anderen Bereichen zu und könnten seine Theorien glauben. Das ist gefährlich. Es ist deshalb zentral, dass wir lernen, die Mechanismen des Influencing sowie generell von Verschwörungstheorien zu erkennen.
Marko Kovic ist Kommunikationswissenschafter mit Spezialgebiet Verschwörungstheorien.