Rechercheteam schreibtDas sind die Männer, die Alexei Nawalny vergiftet haben
Nach monatelanger, internationaler Recherche verschiedener Medien soll klar sein: Hinter der Vergiftung des russischen Oppositionellen Alexei Nawalny steckt ein ganzes Team aus dem russischen Geheimdienst.
Darum gehts
Ein internationales Recherchedesk hat die Namen der russischen Geheimdienstarbeiter veröffentlicht, die hinter der Vergiftung von Alexei Nawalny stecken sollen.
Nawalny sei seit 2017 rund um die Uhr beschattet worden.
Mindestens acht Geheimagenten sollen Nawalny in wechselnder Besetzung auf Schritt und Tritt gefolgt sein – alle mit Erfahrung auf dem Gebiet der Medizin und Chemie.
Hinter der Vergiftung des russischen Oppositionellen Alexei Nawalny steckt ein ganzes Agententeam des russischen Inlandgeheimdienstes FSB. Das berichtet der «Spiegel», der zusammen mit den Rechercheplattformen «Bellingcat» und «The Insider» sowie mit CNN den Fall Nawalny aufgearbeitet hat.
Schon lange hatten Politik und Behörden Russland im Verdacht gehabt, Alexej Nawalny mit dem Nervenkampfstoff vergiftet zu haben. Nun sind Details bekannt: Gemäss «Spiegel» waren mindestens acht russische Geheimagenten an Nawalnys Vergiftung beteiligt.
Das sind gemäss dem internationalen Rechercheteam die Drahtzieher hinter Nawalnys Vergiftung:
Stanislaw Makschakow, militärischer Wissenschaftler, Mitarbeiter des Zentrums für Spezialtechniken des FSB, arbeitete früher im Staatlichen Institut für organische Synthese, das bis zu seiner Schliessung 2017 neue Formen chemischer Waffen inklusive Nowitschok entwickelte.
Oleg Tajakin, 40, Arzt, arbeitet am Institut für Kriminalistik des russischen Inlandsgeheimdienstes FSB, koordinierte das für die Vergiftung zuständige Kommando.
Alexei Alexandrow, 39, Notarzt, seit 2013 beim FSB, wichtigster Agent im Team, das Nawalny folgte.
Iwan Ossipow, 44, Arzt, mutmasslich seit 2012 beim FSB.
Wladimir Panjajew, 40, Sanitäter, beim FSB seit 2009.
Michail Schwez, 43.
Alexei Kriwoschekow, 41, ungefähr seit 2008 beim FSB
Konstantin Kudrjawzew, 41, arbeitete zuvor in einem Militärlabor für chemische Kampfstoffe und machte seinen Abschluss an der Russischen Militärakademie für chemische, biologische und Strahlungssicherheit.
Seit 2017 lässt sich demnach anhand von GPS-Tracking belegen, dass FSB-Teams Nawalny in wechselnder Besetzung auf Schritt und Tritt verfolgten. In der Regel waren es fünf Männer, die Nawalny pausenlos beschatteten – für mindestens 30 Flüge lässt sich das beweisen.
Allen Mitglieder der Nawalny-Sondereinheit war eine medizinische oder chemische Vorbildung gemeinsam. Den harten Kern des Teams bildeten Alexei Alexandrow und Wladimir Panjajew, beide 39 Jahre alt. Als Kopf des Agententeams gilt Oleg Tajakin.
Vergifteter Drink?
Sie sind es auch, die Nawalny auf dessen Trip nach Nowosibirsk begleiten. Nawalny erinnert sich daran, dass er sich am 19. August nach einer Oppositionsveranstaltung in der Hotelbar in Tomsk, wo er residierte, einen Drink genehmigt habe.
Hinter dem Bartresen seien mehr Leute gestanden, als für die Anzahl Gäste eigentlich nötig. Nawalny bestellte einen Bloody Mary. Der Mann hinter der Bar antwortete Nawalny: «Ich kann diesen Cocktail nicht für Sie machen.» Nawalny bestellte daraufhin einen Negroni, der ihm allerdings nicht schmeckte.
Möglich ist, dass Nawalny mit diesem Cocktail vergiftet wurde. Der «Spiegel» schreibt, dass zur gleichen Zeit verschiedene Telefonate der FSB-Agenten und den Chemie-Experten des «Zentrum für Spezialtechniken» belegt seien. Und: Um 0.48 Uhr wird Alexei Alexandrows Handy ganz in der Nähe von Nawalnys Hotel geortet.
Zusammenbruch auf Rückflug
Am nächsten Morgen bricht Nawalny mit seinem Team in Richtung Moskau auf. Er ist um 6.24 Uhr am Flughafen, checkt um 6.50 Uhr ein, besteigt die Maschine um 7.34 Uhr. Sie hebt 8.01 Uhr in Richtung Moskau ab. Nawalny muss zu diesem Zeitpunkt das Gift bereits in sich tragen: Rückstände davon werden später auf Wasserflaschen in Nawalnys Hotelzimmer gefunden.
Auf diesem Flug bricht Nawalny zusammen. Der Stewardess sagt er wörtlich: «Man hat mich vergiftet. Ich sterbe.» Die Piloten entscheiden sich zur Notlandung im sibirischen Omsk, wo Nawalny zunächst im lokalen Spital behandelt wird.
Zur gleichen Zeit befindet sich Oleg Tajakin, mutmasslicher Chef des Nawalny-Kommandos, unterwegs nach Gorno-Altajsk in Sibirien. Dort befindet sich das Institut für Probleme chemischer und energetischer Technologien. Der «Spiegel» vermutet, dass sich Tajakin dort mit Experten darüber beraten habe, wie lange Nowitschok noch in Nawalnys Körper nachweisbar sei.
Kreml bestreitet Involvierung
Putin äussert sich daraufhin, dass es kein Problem sei, Nawalny im Ausland zu behandeln. Er wird am 22. August nach Berlin in die Charité geflogen. Womöglich gingen die FSB-Experten davon aus, dass in der Berliner Charité keine Spuren des Gifts mehr nachweisbar seien. Allerdings: Neben dem deutschen bestätigten auch ein französisches und ein schwedisches Labor sowie die internationale Chemiewaffen-Agentur den Nowitschok-Nachweis.
Mittlerweile hat die EU Sanktionen gegen Russland verhängt. Der Kreml dementiert weiterhin jede Involvierung in Nawalnys Vergiftung und legt nahe, diese sei erst in Deutschland erfolgt. Die Beziehungen zwischen Deutschland und Russland haben sich merklich abgekühlt. «Es stellen sich jetzt sehr schwerwiegende Fragen, die nur die russische Regierung beantworten kann und beantworten muss», sagt Bundeskanzlerin Angela Merkel.