Spaniens Botschafter«Das sind läppische Diebstähle»
Der spanische Botschafter Fernando Riquelme Lidón nimmt Stellung zur Überfallserie auf Schweizer Touristen in Spaniens Strassen.
Roberto Colagiero und seine Familie verfolgten im letzten Sommer die Diebe. Gefilmt hat der damals 4-jährige Sohn. (Video: zvg)
Zahlreiche Schweizer Touristen wurden auf spanischen Autobahnen Opfer von Raubüberfällen.
Fernando Riquelme Lidón: In diesem Kontext von einer Raubüberfallserie zu sprechen, ist völlig übertrieben. Es handelt sich um läppische einzelne Diebstähle, wie sie auch in der Schweiz vorkommen. Damit muss man leben. Die Opfer wurden zudem weder mit Gewalt noch mit Waffen bedroht.
Die Autos der Touristen wurden mit Steinen oder Gummigeschossen beworfen. Die Opfer sind teils zutiefst verängstigt. Das sind doch keine Bagatelldelikte.
Bei den Tätern handelt es sich nicht um Mörder oder Gangster, sondern um Kleinkriminelle, vor denen man auf der Hut sein muss. Genauso, wie man nicht mit einer offenen Tasche herumlaufen sollte, ist es auch nicht sehr sinnvoll, auf der Autobahn anzuhalten. Die Leute müssen einfach vorsichtig sein.
Es ist doch nicht das Gleiche, ob einem das Portemonnaie aus der Tasche gestohlen wird oder das Auto beschossen und man dann ausgeraubt wird.
In beiden Fällen fällt man auf dreiste Dieben herein. Doch für die Medien sind Diebstähle auf der Autobahn halt weit spektakulärer als solche in einem Café.
Die Leute empören sich darüber, dass die spanische Polizei nicht in der Lage ist, diesem kriminellen Treiben Einhalt zu gebieten.
Das ist ein subjektiver Eindruck der Opfer. Die Polizei macht alles, was in ihrer Macht steht, um die Kriminalität einzudämmen. Und dies mit Erfolg: Spanien hat eine tiefere Kriminalitätsrate als die EU und die Schweiz. Bei den Autobahnüberfällen, die übrigens fast ausschliesslich in Katalonien vorkommen, findet die Polizei bei den Dieben selten mehr als einige hundert Euro und Wertgegenstände – deswegen kann man sie nicht ins Gefängnis stecken.
Sie denken also nicht, dass diese Überfallserie für das Reiseland Spanien imageschädigend sein könnte?
Im ersten Halbjahr haben etwa eine halbe Million Schweizer Spanien besucht. Wir bedauern sehr, dass einige von ihnen Opfer von Überfällen geworden sind. Aber das sind Einzelfälle. Spanien ist ein sicheres und seriöses Land, das man ohne Probleme bereisen kann.
«Er hat uns den Reifen durchstochen und mich mit dem Messer bedroht»
«Meine Freundin und ich wurden vor zwei Jahren auf der Autobahn bei Barcelona zum Anhalten gezwungen. Einer der Räuber durchstach einen Hinterreifen und bedrohte mich mit dem Messer, während der zweite die Handtaschen aus dem Auto riss. Die Polizei wollte den Überfall während Stunden nicht aufnehmen. Und ohne Handy konnten wir die Kreditkarten nicht sperren lassen: Meine wurde innert zwei Stunden bis zum Limit von 7000 Franken geleert.»
M. B., Oberengstringen
«Letzten Sommer bei Barcelona wurde ein grosser Stein aus einem Wagen auf unser Auto geworfen. Als ich die Typen sah, sagte ich meiner Frau, sie solle Gas geben. Wir verfolgten den Wagen noch und haben ihn gefilmt (Video links). Die Anzeige bei der Polizei blieb ergebnislos.»
Roberto Colagiero, Zürich
«Wir fuhren am 17. Juli 2010 auf der A7 vor Barcelona. Plötzlich ein lauter Knall. Ein Mann in einem silbernen Audi A6 gab uns Handzeichen. Zum Glück waren wir gewarnt: Wir fuhren weiter. Der Audifahrer flüchtete. Zurück bleibt ein Blechschaden und ein bitterer Nachgeschmack.»
Martin K., Widen AG
«Mittwoch, 11. November 2009, Autobahn AP7, ein Schuss auf unser Auto, ein Knall und ein Schlag. Südamerikaner in einem silbernen Mercedes fuchteln herum. Blitzartig kommt uns ein Zeitungsbericht in den Sinn, in dem der Trick geschildert wurde. Wir fahren in hohem Tempo und der Angst im Nacken weiter. Der materielle Schaden, eine kaputte Heckleuchte, ist nicht sehr gross, die seelische Angst um so grösser.»
Werner Jöhr, Thun/Denia
«2007 ist mir und meiner Familie genau das Gleiche passiert. Während ein Mann mit uns den Schaden begutachtete, raubte ein anderer meine Handtasche aus dem Auto; unsere Kinder konnten nur zuschauen. Danach: Vollkommen überforderte Polizisten, kein Interesse, die Schuldigen zu finden. Die Folgen für uns: Schock, Misstrauen, das Gefühl, niemandem mehr vertrauen zu können.»
D.P., Zürich
«Auch ich sowie ein weiterer Schweizer wurden im vergangenen Jahr Opfer dieser Räuberbanden. Die spanische Polizei ist mehr oder weniger untätig und offenbar machtlos. Jährlich werden Hunderte von Touristen so beraubt. Ich begrüsse es sehr, dass Sie dieses Thema in Ihrer Zeitung aufgegriffen haben. Wir als Besucher Spaniens sind nicht länger gewillt, die unhaltbaren Zustände auf Spaniens Autobahnen hinzunehmen.»
Reto Caprez, Urtenen