Das Spiel mit der Provokation

Aktualisiert

Nazi-GamingDas Spiel mit der Provokation

«Wolfenstein: The New Order» setzt auf Nazi-Ästhetik. In Deutschland sind Nazi-Symbole in Games verboten, bei uns sind sie erlaubt. Wann schlägt Provokation in Verherrlichung um?

von
Jan Graber

Provokationen gedeihen auf einem fruchtbaren Feld: Ein paar Worte unter die Gürtellinie hier, das Zeigen von ein paar tabuisierten Symbolen da, eine zu brutale Szene dort – und schon kocht ein Süppchen über, das seine Würze aus der gesellschaftlichen Empörung gewinnt. Das Feld der Videospiele erweist sich dabei als besonders vermint; Provokationen fördern aber auch das Geschäft.

Neben der Empörung über Gewaltorgien und Killerspiele drehte sich die Diskussion seit früh auch immer um die Darstellung von Symbolen, im Besonderen Nazi-Symbole. In Deutschland ist ihre Verwendung in Computerspielen verboten – in Filmen aber nicht. Für die Game-Entwickler kann dies ins Geld gehen: Es müssen extra Versionen ohne Nazi-Symbole auf den Markt gebracht werden.

Parodie oder Ernst?

Das jüngste Beispiel: der Egoshooter «Wolfenstein: The New Order», der offen mit der nationalsozialistischen Ästhetik flirtet. Vor allem die Gegner des Helden setzen sich mit Nazi-Emblemen in Szene. Während die «Wolfenstein»-Spiele die Naziästhetik allerdings parodieren (bis hin zur Gründung eines realen Labels namens Neumond Recordings), werden Spiele wie «Day of Defeat» oder das Indiegame «Luftrausers» als problematischer empfunden.

In «Day of Defeat» werden Schlachten des Zweiten Weltkriegs nachgespielt und die Spieler können auch in die Haut der Deutschen schlüpfen. Die Online-Spieler treten dabei schon auch mal mit Gamernamen wie «Mein Kampf» oder «HitlerYouth» in Erscheinung. Und das Game «Luftrausers» zelebriert offen die Nazi-Ästhetik: der Schriftzug des Titels, der Totenkopf dahinter, die uniformierten Protagonisten und die Rolle des Spielers als deutscher Kriegspilot – dies alles hat zu Protesten selbst im diesbezüglich liberalen Amerika geführt, worauf sich die Entwickler von «Luftrausers» ein wenig naiv erstaunt entschuldigten.

Von den Nazis zu den Zombies

«Die Naziästhetik ist deshalb für Spielentwickler attraktiv, weil sie auch etwas Postapokalyptisches und Unmenschliches vermittelt», sagt Tamara Werner, wissenschaftliche Assistentin in der Studienrichtung Populäre Kulturen an der Uni Zürich. Nazis seien idealtypische Feinde, weil sie Kälte sowie den Verlust von Individualität und Kreativität vermitteln. Sie glichen damit den Zombies und seien somit als Gegner attraktiv, da der Kampf gegen sie kein moralisches Dilemma auslöse. Es überrascht nicht, dass sich in Spielen wie «Call of Duty: World at War Zombies» oder «South Park: The Stick of Truth» beide Stereotypen parodistisch in einem Gegner vereinen – dem Nazi-Zombie.

Zu Fragezeichen vor allem im Abendland führen bisweilen auch Games aus dem asiatischen Raum. Der Grund: In Asien steht die Swastika (das Hakenkreuz) als Zeichen für Prosperität, langes Leben oder auch die Sonne. Vor allem in japanischen Games taucht das Manji, wie die Swastika dort heisst, immer wieder auf: In «The Legend of Zelda» hat ein Dungeon die Form eines Hakenkreuzes, die Spielkarte «Koga's Ninja Trick» aus «Pokémon» trägt in der japanischen Ausgabe ebenfalls das Manji.

Den Davidstern verbieten?

Die Diskussion dreht sich indes nicht nur um Nazi-Symbole. Ein Teilnehmer des Userforums von «World of Tanks» moniert, dass ein Panzer zwar mit sowjetischen, aber nicht nationalsozialistischen Emblemen ausgestattet werden dürfe – vor allem, weil Stalin ein mindestens ebenso schlimmer Kriegsverbrecher wie Hitler gewesen sei. Ebenso wird die Frage aufgeworfen, ob Davidsterne oder Christenkreuze etwas in Spielen verloren hätten.

Als fragwürdig betrachtet Tamara Werner das in Deutschland geltende Verbot von Nazi-Symbolen in Games, während sie in anderen Medien erlaubt sind. Gezeigt werden dürfen sie in Deutschland nur in künstlerischem oder aufklärerischem Zusammenhang, was Games abgesprochen werde. «Games müssen als ebenso künstlerisch wertvoll angesehen werden wie Filme», sagt die Populärkultur-Forscherin. Und schliesst: «In dieser Tabuisierung drückt sich Angst und Unverständnis gegenüber dem Medium Computerspiel aus. Es wird Zeit, dass Spiele auf dieselbe Ebene wie Filme und andere künstlerische Erzeugnisse gehoben werden.»

Deine Meinung zählt