Flugzeugabsturz in China«Das Vertrauen in Boeing geht verloren»
Wie konnte es zum erneuten Absturz einer Boeing kommen? Aviatik-Experte Hansjörg Egger gibt Auskunft und ordnet die bisher bekannten Fakten ein.
Ein chinesisches Passagierflugzeug mit 132 Menschen an Bord ist am 21. März 2022 abgestürzt. Die verunglückte Boeing 737-800 NG der Gesellschaft China Eastern war auf dem Weg von Kunming nach Guangzhou in der südchinesischen Provinz Guangxi.
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«Es ist schon auffallend, dass dieser Flugzeugabsturz erneut eine Boeing betrifft», sagt Hansjörg Egger nach dem Absturz eines Passagierflugzeugs der Gesellschaft China Eastern vom Montagmorgen. 132 Menschen waren an Bord. Egger ist Ex-Angehöriger der Luftwaffe, Militär- und Zivilluftfahrtexperte, Luftfahrtfotograf und Journalist. Der erneute Unfall führe zu einem Image-Schaden bei Boeing, sagt er.
Denn bei der chinesischen Unglücksmaschine handelte es sich um eine Boeing 737. Das lässt Erinnerungen an die Abstürze von Ethiopian-Airlines-Flug 302 und Lion-Air-Flug 610 in Indonesien wach werden. Damals waren Maschinen des Typs Boeing 737 Max betroffen.
Der jetzt in China abgestürzte Jet war zwar die Vorgängerversion 737-800 NG . Dennoch stelle sich die Frage, ob auch hier technische Probleme mit der Steuerung zu dem Unglück geführt haben, sagt Egger. Der China-Eastern-Flug mit der Flugnummer MU5735 war auf dem Weg von Kunming nach Guangzhou.
Unglück geschah mitten im Flug
Vor dem Absturz war das Flugzeug auf 8000 Metern Höhe unterwegs gewesen. Auf nicht verifizierten Aufnahmen war zu sehen, wie das Flugzeug aus grosser Höhe senkrecht auf den Boden aufschlägt. «Wenn das Flugzeug so unkontrolliert runterkommt, gibt es 0,0 Prozent Überlebenschancen», sagt Egger. Anders sei dies bei Gleitflug-Notlandungen. Diese seien etwa möglich, wenn das Getriebe ausfällt, meint Egger. Eine prominente und geglückte Notlandung hatte es beispielsweise im Jahr 2009 auf dem Hudson River gegeben.
Die konkreten Umstände des Flugs geben Rätsel auf: Schliesslich handelt es sich um «einen aussergewöhnlichen Unfall in grosser Höhe, wobei der Flieger äusserlich unbeschädigt heruntergestürzt ist». Da während des Absturzes kein Rauch zu sehen war, sei zudem die Möglichkeit einer Fremdeinwirkung – etwa durch eine Bombe – ausgeschlossen. China geniesse in der Luftfahrt einen guten Ruf, bei China Eastern handle es sich um eine der drei grossen Fluglinien des Landes. Zudem ist die Mitte eines Flugs eigentlich am sichersten, wohingegen die meisten Unfälle beim Start oder bei der Landung geschehen, so Egger.
Vier mögliche Gründe für den Absturz
Was kann also sonst geschehen sein? Laut Egger gibt es vier Möglichkeiten: Es könnte zu einer Schubumkehr gekommen sein. Die Umkehr des Schubes wird bei der Landung eingesetzt, um das Flugzeug schneller abzubremsen. In grosser Höhe wäre dies aber fatal und hat im Jahr 1991 zum Absturz des Lauda-Air-Flugs 004 geführt.
Eine zweite Möglichkeit ist das Szenario, das 2009 den Crash von Air-France-Flug 447 verursachte. Damals führten womöglich vereiste Geschwindigkeitssonden dazu, dass das Flugzeug zu langsam wurde und abstürzte. «Auch einen bewussten Absturz wie Germanwings Flight 9525 im März 2015 kann man natürlich in Betracht ziehen». Damals hatte sich Copilot Andreas Lubitz im Cockpit eingeschlossen, um alleine die Maschine bewusst und geplant gegen einen Berg zu fliegen und so Suizid zu begehen.
Am weitaus wahrscheinlichsten ist jedoch, dass ein technisches Problem mit der Steuerung zu dem Absturz geführt hat – also dasselbe Technik-Problem, das für die oben erwähnten Boeing-Abstürze verantwortlich war. Egger sagt deshalb, es gebe bei der Boeing 737 «Verdacht auf ähnliche Technikprobleme», wie es sie bei der Boeing 737 Max gibt, die massiv in die Kritik geraten ist.
China zieht die Boeing des Typs 737-800 aus dem Verkehr
Egger kritisiert zudem: «Boeing hat behauptet, die Probleme mit ihrer Boeing 737 Max behoben zu haben, dabei hat sie neue, wenn auch andere Probleme. Nicht zuletzt deshalb hat Ryanair ihre neuste Bestellung storniert. Auch China Eastern hat zuletzt vermehrt auf Airbus statt Boeing gesetzt.» All dies führe zu einer massiven Rufschädigung und einem «Vertrauensverlust» in Boeing. Dies spiegle sich auch in dem Sturzflug wider, den die Boeing-Aktien jüngst verzeichneten, so Egger.
«Genauere Erkenntnisse wird es erst geben, wenn die Blackbox des Flugzeugs gefunden ist. Dann kann man beispielsweise überprüfen, ob es einen Geschwindigkeitsverlust gegeben hat», kommentiert Egger. Vermutlich wird diese in den nächsten Tagen gefunden werden, bei einem so steilen Absturz aus so grosser Höhe gibt es jedoch auch die Möglichkeit, dass die Blackbox zerstört wurde.
Nach den Unfällen in Äthiopien und Indonesien wurde der Typ Boeing 737 Max weltweit zurückgezogen, inzwischen fliegen sie in einigen Ländern wieder. Nach dem Unfall vom Montag verkündete China sofort, auch die Boeings des Typs 737-800 aus dem Verkehr zu ziehen. Ob auch andere Fluggesellschaften so reagieren werden, ist fraglich. Aviatik-Experte Egger hielt dies für eine übertriebene Reaktion.
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