Saibene ausgepfiffen«Das war erniedrigend und hat mich verletzt»
An der Aufstiegsfeier pfeifen St.-Gallen-Fans Trainer Jeff Saibene aus. Einige fordern seinen Rücktritt. Zu allem Übel verletzt sich der Coach auch noch – wegen einer Bierdusche.
Das letzte Heimspiel der Saison hätte am Samstagabend zur grossen Aufstiegsfeier für den FC St. Gallen werden sollen. Doch der FC Aarau und ein Pfeifkonzert gegen Trainer Jeff Saibene trübten die Freude. Kurz vor Schluss, in der 95. Minute des Spiels, konnte Aarau den Siegestreffer zum 2:1 erzielen. Danach wurde jeder Spieler vor den 13 140 Zuschauern in der AFG-Arena einzeln für die frühzeitige Pokalübergabe aufgerufen. Einige wurden frenetisch bejubelt, so zum Beispiel die Abgänger Daniel Imhof, Germano Vailati und Philipp Muntwiler. Doch bei Trainer Jeff Saibene ertönte ein lautes Pfeifkonzert im Stadion.
Zwei Stunden später zeigte sich die Mannschaft vor dem Stadion nochmals den Fans. Es wurde «Nie meh Nati B» gesungen und Spieler Pa Modou stimmte mit «Scheiss Basel» auf die nächste Saison in der Super League ein. Doch als Trainer Saibene das Wort ergriff, pfiffen wieder einige der etwa tausend anwesenden Fans. Das liess der 43-Jährige nicht auf sich sitzen und so wollte er die pfeifenden Fans zur Rede stellen. Mit dem Mikrofon in der Hand lief er von der Bühne. Die Spieler holten ihren Trainer zurück und Verteidiger Simon Roduner betonte, dass das Saisonziel Aufstieg klar erreicht wurde. Nachdem auch noch der Capo (Anführer der Fans) des FCSG sich für Saibene einsetzte, ertönten schliesslich Applaus und Zurufe.
Saibene bei Bierdusche verletzt
Saibene gingen die Pfiffe sehr nah: «Das war erniedrigend und hat mich verletzt», so der Trainer, der die Ostschweizer seit März 2011 trainiert. Er frage sich, wie er das verdient habe. Ihm sei klar, dass nicht alles perfekt gelaufen sei in der Rückrunde: «Unser Ziel Aufstieg haben wir aber souverän geschafft», so Saibene. Die Erwartungshaltung unter den Fans sei enorm, die Ansprüche gross. «Dabei haben wir ein kleines Budget.» Neben dem psychischen Schmerz, den ihm die Pfiffe zufügten, kamen am Abend auch noch körperliche Schmerzen dazu: Bei einer Bierdusche von einem Spieler zog er sich einen Muskelriss zu und darf nun mehrere Wochen keinen Sport betreiben.
Nach den Vorfällen hat Saibene aber auch viele positiven Feedbacks erhalten: «Fans haben sich für das Verhalten der anderen entschuldigt und mir Mut zugesprochen.» Am letzten Spiel, am Mittwoch in Vaduz, würde er sich über eine Reaktion der Fans freuen. «Es braucht in diesem Verein Respekt und Anerkennung, um etwas zu erreichen», so Saibene. An einen Rücktritt denkt er aber nicht.
Neuer Trainer gefordert
In der Rückrunde wurden Jeff Saibene und sein Team bereits mehrmals ausgepfiffen. Der Aufstieg war zwar nie ernsthaft gefährdet, die Anhänger kritisieren aber, dass die Mannschaft zu faul sei und sich mit einer knappen Führung bereits zufrieden gibt. Auch werden Kampfgeist und Leidenschaft vermisst. Jeff Saibene habe nicht genug Durchsetzungskraft und könne das Team nicht optimal führen. Im Forum der Fans wird der Rücktritt gefordert: «Zeigen Sie Charakter, Herr Saibene, und treten Sie freiwillig zurück» heisst es zum Beispiel. Vor allem im Hinblick auf die nächste Saison sehen manche Fans schwarz.
Viele stärken dem Trainer aber auch den Rücken. Die Entrüstung über die Pfiffe von gestern ist gross: Es sei «lächerlich» und «absurd», an einer Aufstiegsfeier den Kopf des Trainers zu fordern. Viele schämen sich für ihre Fankollegen.
Saibene bleibt Trainer
Unterstützung erhält der Trainer auch von der Clubleitung: «Ich bin überzeugt, dass Jeff Saibene eine gute Arbeit leistet und wir setzen voll auf ihn», sagt Dölf Früh, Präsident des Verwaltungsrats. Ein neuer Trainer komme für die neue Saison nicht in Frage. Da würden auch Pfiffe von den Fans nichts daran ändern. «Es ist aber schade, wenn das Publikum gegen den eigenen Trainer oder Spieler pfeift», so Früh.
Jedoch gehöre es zum Job eines Trainers, dies wegzustecken. Er rät Saibene, sich voll auf die Arbeit mit der Mannschaft zu konzentrieren. Eine hohe Erwartungshaltung hält Früh für fördernd, denn nur so könne man auch etwas erreichen. Frühs Ziel für die nächste Saison: «Ohne Zittern den Ligaerhalt schaffen.»
Randale nach Spiel
Rund um das Spiel vom Samstagabend sind sich die Fans des FC St. Gallen und des FC Aarau in die Haare geraten. Nach Spielende versprühte die Polizei Pfefferspray und setzte Gummischrot ein, um die Fanlager zu trennen. Ein vermummter Randalierer aus dem Aargau wurde festgenommen. Beim Bahnhof Winkeln kam es zu einer Schlägerei, bei der ein Aarauer Fan verletzt wurde. Bereits vor dem Spiel hatten anreisende Fans im Extrazug der SBB 400 Meter vor dem Bahnhof Winkeln die Notbremse gezogen. Das führte zu Verspätungen im Zugsverkehr. Im Stadion wurden zudem Petarden gezündet.