«Datenschutz darf kein Täterschutz sein»

Aktualisiert

DNA-Analyse«Datenschutz darf kein Täterschutz sein»

Per DNA die Familie eines Verdächtigen ausfindig machen: Ist dies «eine sinnvolle Möglichkeit» oder «ein Schritt zum Überwachungsstaat»?

von
Nikolai Thelitz
Bei der so genannten Verwandten-Recherche werden DNA-Spuren nicht nur auf präzise Treffer in der Straftäter-Datenbank abgesucht, sondern auch auf teilweise Treffer. Diese stammen meist von Verwandten des Täters, die eine sehr ähnliche DNA aufweisen.
Die Polizei kann daraufhin im Familienumfeld des ermittelten Verwandten nach dem Täter suchen. Dies geschah etwa im Vergewaltigungsfall Emmen...
...oder im Vierfachmord von Rupperswil.
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Bei der so genannten Verwandten-Recherche werden DNA-Spuren nicht nur auf präzise Treffer in der Straftäter-Datenbank abgesucht, sondern auch auf teilweise Treffer. Diese stammen meist von Verwandten des Täters, die eine sehr ähnliche DNA aufweisen.

Die Schweizer Polizei geht in der Verbrechensaufklärung neue Wege. Bei der so genannten Verwandten-Recherche werden DNA-Spuren nicht nur auf präzise Treffer in der Straftäter-Datenbank abgesucht, sondern auch auf teilweise Treffer. Diese stammen meist von Verwandten des Täters, die eine sehr ähnliche DNA aufweisen. Die Polizei kann daraufhin im Familienumfeld des ermittelten Verwandten nach dem Täter suchen.

Die Methode wird in den USA und Grossbritannien bereits seit Jahren angewendet und hat zur Festnahme von mehreren Serienvergewaltigern und -mördern geführt. In der Schweiz ist sie noch ein Novum: Seit Ende 2015 das Bundesstrafgericht grünes Licht gab, wurde die Verwandten-Recherche 12 Mal angewendet – allerdings erfolglos.

«Ganze Familien unter Generalverdacht»

Von Seiten des Eidgenössischen Datenschützers Adrian Lobsiger wird nun Kritik am DNA-Abgleich laut. Es fehle die gesetzliche Grundlage, zudem sei die Verwandten-Recherche «kriminalpolitisch und grundrechtlich» ­bedenklich. «Wir bewegen uns hier auf einem gefährlichen Weg, vor allem, wenn man bedenkt, dass Verwandten im Strafverfahren ein Zeugnisverweigerungsrecht zusteht», sagt Lobsiger im «Tages-Anzeiger».

Auch in der Politik ist die Methode nicht unumstritten. «Ich teile persönlich die Bedenken des Datenschützers», sagt Balthasar Glättli, Nationalrat der Grünen zu 20 Minuten. Auch Luzian Franzini, Co-Präsident der Jungen Grünen hält nichts von der Verwandten-Recherche. «Hier werden ganze Familien unter Generalverdacht gestellt, obwohl höchst unsicher ist, ob die DNA-Analyse korrekt ist.» Besonders problematisch sei, dass keine rechtliche Grundlage besteht. «Hier wird die Privatsphäre der Bürger durch die Hintertür ausgehebelt.»

«Polizei muss wie im letzten Jahrhundert arbeiten»

Für FDP-Nationalrat Albert Vitali ist hingegen klar: «Der Datenschutz darf kein Täterschutz sein.» Die Verwandten-Recherche sei eine sinnvolle Möglichkeit, mehr Verbrechen aufzuklären. Allgemein habe die Polizei im Bereich DNA-Auswertung viel zu wenige Kompetenzen. «Unsere Gesetzeshüter müssen mit Methoden aus dem letzten Jahrhundert arbeiten.» Vitali regte im Parlament bereits erfolgreich an, dass die DNA auch zur Bestimmung von Haar- oder Hautfarbe des Verdächtigen genutzt werden könnte. Der Bundesrat arbeitet zurzeit an einer Reform des DNA-Gesetzes.

Auch SVP-Politikerin Andrea Geissbühler findet die Bedenken aufgrund des Datenschutzes verfehlt. «Für mich ist dies völlig unproblematisch. Wir müssen alle Möglichkeiten ausschöpfen, um gefährliche Straftäter hinter Gitter zu bringen.» Es könne kein Missbrauch stattfinden, denn die Polizei erhalte nur in einem konkreten Verdachtsfall Auskunft über die Identität in der DNA-Datenbank. «Ziel muss es sein, den Opfern wann immer möglich die Gewissheit zu geben, dass der Täter nicht mehr frei herumläuft.»

DNA für immer speichern?

Geissbühler plädiert für eine weitere Liberalisierung der DNA-Analyse. «Momentan werden die Daten zu selten erhoben und zu früh gelöscht.» Es solle wann immer möglich ein DNA-Profil erstellt werden, und dieses müsse für immer in der Datenbank bleiben. «So gehen uns die meisten Fische ins Netz.»

Für Franzini ist dies keine Option.« Ich würde mich unwohl fühlen, wenn der Staat meine DNA für immer speichern würde, weil ich einmal wegen einer Bagatelle verurteilt wurde.» Mit den Möglichkeiten der DNA-Analyse müsse achtsam umgegangen werden. «Sonst haben wir bald den Überwachungs- und Polizeistaat.»

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