«Den Ersten tätowierte ich mit zwölf»

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Rheineck SG«Den Ersten tätowierte ich mit zwölf»

Dietmar Gehrer eröffnete vor 40 Jahren in Rheineck das erste Tattoo-Studio der Schweiz. Seither hat er tausende Kunden tätowiert und gegen 20'000 Bilder gestochen.

von
qll

«Es bringt mich zum Lachen, wenn ein Zwei-Meter-Mensch vom Stuhl kippt», sagt Dietmar «Dischy» Gehrer. Gehrer hat hunderte solche Ankedoten auf Lager. Der 59-Jährige hat 1974 das erste Tattoo-Studio der Schweiz in Rheineck eröffnet. Das «Dischy-Tattoo's» gibts noch immer. «Den Allerersten habe ich mit zwölf Jahren tätowiert», erzählt Gehrer. Damals habe er einen Bericht über das Tätowieren gelesen und wollte es gleich an einem Freund ausprobieren. Er nahm die Nähnadel seiner Mutter und Tusche und siehe da: Es hat funktioniert. Mit 16 hat er sich dann mit einem Freund zusammengetan und eigene Tätowier-Maschinen gebaut. Damals konnte sich jedoch keiner von ihnen vorstellen, dass es irgendwann einmal einen solchen Tattoo-Boom geben sollte. «In der Schweiz war nur eine Hand voll Menschen - Knastis, Matrosen oder Töfffahrer - tätowiert.»

Trend geht zurück zu Motiven der alten Schule

«Am Anfang gab es nichts», fasst Gehrer die Situation von damals zusammen. Nur wenige Tätowierer hätten überhaupt zeichnen können. «Sie kannten ihre 200 bis 250 Motive auswendig oder haben sie per Schablone auf die Haut gezeichnet.» Heute sei das nicht mehr denkbar. «Wenn jemand nicht zeichnen kann, hat er keine Chance», so Gehrer.

Auch die Motive haben sich mit der Zeit verändert. Am Anfang seien es Old-School-Motive wie Schiffe, Anker, Herzen und sehr einfach gezeichnete Damen gewesen. Später kamen Fantasy- und Filmmotive hinzu, schliesslich die asiatischen Zeichen und Formen. Zurzeit gehe der Trend wieder zurück zu Motiven alter Schule, allerdings sei die Qualität heute deutlich besser. Aber auch Tattoos mit viel Text - zum Teil halbe Romane - seien derzeit in Mode.

Bessere Qualität und Technik

Die bessere Qualität sei vor allem auf die Farbe zurückzuführen. Früher sei diese nicht geprüft worden. Das habe regelmässig zu Allergien geführt. Zudem seien die Hygienevorschriften heute viel strenger. Auch sei von Vorteil, dass die Tätowier-Maschine leichter geworden sei: «Nachdem ich die Maschine einige Stunden in der Hand hielt, hatte ich manchmal einen Krampf», erzählt Gehrer. Zudem gebe es heute mehr Möglichkeiten, ein Tattoo nachzubessern.

Aber nicht nur die Motive und die Technik hätten sich verändert, sondern auch die Kundschaft. Heute gingen auch der Prokurist und die Wirtschaftsanwältin ins Tattoo-Studio. «Die Kunden sind auch kritischer geworden», so Gehrer. «Sie sind besser informiert und anspruchsvoller.»

Auch nach 20'000 Bildern hat der 59-Jährige nicht genug. «Wenn meine Hand zu zittern anfangen würde, dann wäre es aber besser aufzuhören», sagt Gehrer, «allein schon meinen Kunden zuliebe.»

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