Immer den Koran im Blick - Besuch beim St. Galler Imam

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St. GallenDen Koran konnte er mit 13 auswendig – Besuch bei Imam Mehas Alija

Mehas Alija (38) betreut die Moschee «El-Hidaje» in St. Gallen Winkeln. Er bezeichnet sich als zeitgemäss. Trotzdem ist ihm das Kopftuch heilig.

Als 13-Jähriger konnte er den Koran auswendig: Mehas Alija, seit elf Jahren Imam der Moschee «El-Hidaje» in St. Gallen Winkeln.
Mehas Alija kam nach der Ausbildung in die Schweiz und arbeitete zunächst in einer Firma, die Kettensägen herstellt. Nach einem Jahr wurde die Imam-Stelle in St. Gallen Winkeln frei. Im Bild: Die Cafeteria im Untergeschoss der Moschee.
Die Aufgaben des Imams sind unter anderem: Predigten und Gebete halten, Leute beraten, Seelsorge, Koranunterricht erteilen. Der Gebetsraum in der Moschee «El-Hidaje».
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Als 13-Jähriger konnte er den Koran auswendig: Mehas Alija, seit elf Jahren Imam der Moschee «El-Hidaje» in St. Gallen Winkeln.

20min/Matthias Spicher

Darum gehts

  • Mehas Alija kommt ursprünglich aus Nordmazedonien. Seit elf Jahren ist er in St. Gallen Imam.

  • 20 Minuten hat ihn besucht und mit ihm gesprochen.

  • Alija sieht sich als moderner Imam. Dennoch sind ihm traditionelle Werte wichtig.

Die St. Galler Moschee «El-Hidaje» liegt an einer Quartierstrasse zwischen dem Bahnhof Winkeln und Shopping-Arena. Imam Mehas Alija (39) öffnet die Tür an diesem warmen Sommermorgen. Er hat Gipfeli besorgt und serviert im Untergeschoss Kaffee dazu.

Was tut ein Imam? Wir sind hier, um das zu erfahren. Und weil Mehas Alija eine Imam-Weiterbildung in der Schweiz absolviert hat, über die wir berichten. Im Eingangsbereich hängen Informationen wie diese: «Liebe Gläubige, das Hallenbad Volksbad ist ideal für Muslime, die schwimmen wollen. Es hat Sichtschutz und getrennte Zeiten für Männer und Frauen.» Auf einem anderen Zettel wird über ein saisonales Fussballtreffen informiert. So etwas tut ein Imam zum Beispiel.

Oder: Während des Gesprächs klingelt sein Handy, er muss kurz weg, ein Todesfall in der Familie eines Gläubigen. Er ist auch Seelsorger. Nicht nur in seiner Gemeinde, sondern jeden Freitag auch im Kantonsspital St. Gallen. Er zeigt uns seine Agenda, wie zum Beweis. Sie ist randvoll, selbst die Wochenendtage. Gebete und Predigten vorbereiten, Koranstudium, Koran-Schulunterricht, Seelsorge, das Präsidium des Dachverbands islamisch-albanischer Gemeinschaften in der Schweiz (DAIGS).

Seine drei Kinder sind zwischen sechs und 15 Jahre alt, der älteste Sohn besuche derzeit eine öffentliche katholische Schule, sagt er. Mehas Alija absolviert zudem noch das Master-Fernstudium an der Universität Pristina. Und er berät Leute, die sich wegen persönlicher Probleme an ihn wenden. Immer mit Blick auf den Koran.

20-Minuten-Redaktor Adriel Monostori macht mit Imam Mehas Alija eine rituelle Waschung.

20min

Von Nordmazedonien nach St. Gallen

Den Koran konnte er mit 13 auswendig, erzählt Alija. Geboren 1983 im nordmazedonischen Tetovo, Skopje, theologische Mittelschule in Skopje, dann Studium der Islamwissenschaften an der Universität in Pristina. «Ein Imam sollte Theologie studiert haben», sagt Alija. Nach dem Studium zieht er mit seinen Eltern und beiden Schwestern in die Schweiz, wo die Eltern Arbeit finden. Und auch er. Zuerst in der Kettensäge-Firma Stihl in Wil SG, dann wurde in St. Gallen die Stelle in der Moschee frei. Das war vor elf Jahren.

«Ich fühle mich mehr als Schweizer als als Nordmazedonier», sagt Alija. Sein Herz schlage hier, er denke auf Deutsch. Das Zusammenwirken von Minderheiten in der Schweiz sei einzigartig. Darüber schreibt er seine Masterarbeit: «Der interreligiöse Dialog in der Schweiz».

Mehas Alija ist gut integriert, das spürt man. Er mag sein Quartier, die Nachbarn und Nachbarinnen, auch von den Behörden spüre er Wohlwollen, sagt er.

Die Regeln des Koran

Er führt uns durch die Moschee, zeigt uns das Waschritual vor dem Gebet. Und beantwortet Fragen, auch zu Kopftuch und Schwimmunterricht. Seine Tochter dürfe den Schwimmunterricht besuchen, sagt er, denn mit sechs Jahren trage sie noch keine «religiöse Verantwortung». Erst wenn jemand in die Pubertät komme, sei es «eine Sünde», sich nicht an die Regeln des Korans zu halten: Frauen tragen Kopftuch und schwimmen nur mit Spezial-Badekleid wie Burkini, Alkohol ist verboten. «Ich habe noch keinen Tropfen Alkohol getrunken», sagt Mehas Alija. «Nie. Ich trinke am liebsten Wasser und Rivella.»

Was, wenn eine Frau das Kopftuch nicht tragen will? «Das ist der freie Entscheid jeder Frau», sagt Alija. Niemand dürfe das der Frau befehlen. Auch in seiner Familie gebe es vereinzelt Frauen, die das Kopftuch nicht tragen. Sie seien an Familienfesten dennoch willkommen, sagt er. «Wir sind es gewohnt.»  

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